Spät-Sommer Warum die Nächte bei uns so laut nach Süden klingen
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02. September 2024, 08:50 Uhr
Ob beim Spaziergang in lauen Sommernächten, beim Schlummertrunk auf dem Balkon oder beim Lesen auf der Parkbank: Gefühlt zirpt es derzeit überall und fast rund um die Uhr. Und manchmal so laut, dass müde Menschen die Fenster schließen. Aber warum sind die Heuschrecken gerade jetzt so laut?
Der nächtliche Klangteppich draußen erinnert im Juli und August viele Menschen an Urlaub in Südeuropa: ganz schön laut da draußen! Und das hat einen Grund: Den Heuschrecken geht es gerade um die Zukunft. Denn hinter dem lauten nächtlichen Sirren, Zirpen und den rasselnden Klickgeräuschen stecken die Männchen, die lautstark um Weibchen werben und Rivalen darüber informieren, dass hier akustisch das Revier eines Artgenossen beginnt. Anfang September verklingen die nächtlichen Konzerte dann langsam, die Zeit der Partnersuche endet. Selbst die Schrecken, die dann noch singen, passen ihren Gesang an die Gegebenheiten an: Wird es kühler, bewegen sich Heuschrecken träger und das verändert dann auch Klang und Lautstärke des Zirpens.
Zirpen: Ein Verb für viele Werbe-Sprachen
Wir Menschen sprechen dann schlicht vom Zirpen, obwohl das der Sound-Vielfalt der Schrecken-Arten eigentlich nicht gerecht wird. Während wir für Niederschlag unterschiedlichste Begriffe haben, Regen, Griesel, Schnee, Hagel, Graupel, ist die Sprache zur Beschreibung der Naturklänge eher arm. Wer in so einer Sommernacht dem Insekten-Zirpen mal intensiv lauscht, kann tatsächlich verschiedene Höhen, Tiefen, Rhythmen, Lautstärken, Längen unterscheiden. Und muss die verschiedenen Lockrufe dann alle unter "Zirpen" zusammenfassen. Schade eigentlich.
In der Welt der Insektenforschung nennt sich das Geräuschemachen der Heuschrecken "stridulieren". Je nach Art benutzen die Tiere dafür verschiedene Körperteile wie Flügel, Schenkel, Vorderbeine, Hinterbeine.
Wer zirpt vor meinem Fenster?
Aber welche Insekten stecken eigentlich genau hinter dem Gezirpe? Wer sich in die Welt der hüpfenden Sechsbeiner begibt, wird von deren Vielfalt regelrecht erschlagen, selbst wenn man sie zunächst mal grob wie die Biologen in die zwei Großgruppen unterscheidet: die Langfühlerschrecken und die Kurzfühlerschrecken. Europaweit gibt es laut Deutscher Gesellschaft für Orthopterologie (ja, die Heuschrecken haben eine eigene Gesellschaft) insgesamt allein 1.000 Arten von Heuschrecken, von denen ein Viertel als gefährdet eingestuft wird, in Deutschland 81 Heuschreckenarten, von denen 40 Prozent im Bestand gefährdet sind.
Die klangvollen Namen der einzelen Schrecken machen neugierig: Große Goldschrecke, Langflügelige Schwertschrecke, Weinhähnchen, Gemeine Sichelschrecke, Lauchschrecke, große Schiefkopfschrecke, Nadelholz-Säbelschrecke... Wer es schafft, eine Schrecke nicht zu erschrecken und zu fotografieren, kann auf verschiedene Apps zu deren Bestimmung zurückgreifen wie zum Beispiel auf die App "Insekten Sachsen", hinter der das Senkenberg Museum für Tierkunde Dresden steckt.
Beißen oder stechen Heuschrecken?
Tatsächlich gibt es eine Schrecke, die das vermuten lässt: Der Warzenbeißer! Diesen Namen verdankt der Warzenbeißer Decticus verrucivorus dem Volksglauben, dass sein Magensaft Warzen abheilen lassen könnte. Der Warzenbeißer kommt in Deutschland im Süden und im Osten stellenweise noch vor, in Mittelgebirgslagen in Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Thüringen hat er größere Verbreitungsgebiete. Hier kann man hören und sehen wie er klingt.
Welche Rolle spielen Heuschrecken in der Natur?
Heuschrecken sind eine wichtige Nahrungsquelle für andere Tiere, sowohl für Vögel, vom Neuntöter über den Storch bis zur Eule, über Eidechsen, aber auch Igel, Spitzmäuse und Maulwürfe erbeuten Heuschrecken. Aber auch Spinnen und andere Insekten ernähren sich von springenden Sechsbeinern.
Was vielleicht auch erklärt, warum die Natur dafür gesorgt hat, dass manche Weibchen bis 600 Eier legen: Einerseits sättigen Heuschrecken viele andere Tieren, andererseits ist bei so vielen Eiern die Chance größer, dass bei so viel Fressfeinden tatsächlich genug Exemplare durchkommen um für die nächste Schrecken- Generation und abendliche Konzerte im Sommer zu sorgen.
Heuschrecken-Sirren statt Vogelgesang?
Dass wir das Zirpen der Insekten derzeit auch so gut hören, liegt indirekt auch daran, dass andere, die sonst recht laut sind im Garten und in den Parks, schweigen: die Singvögel. Warum das so ist, lesen Sie hier.
lfw
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR Garten | 27. September 2020 | 08:30 Uhr
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