Verkehrsschild Wildwechsel in den USA, 2009
Vorsicht springender Hirsch. Eines der Warnzeichen für Wildwechsel in den USA. Bildrechte: IMAGO / Panthermedia

Uhrumstellung Hat die Sommerzeit Vorteile? Für tausende Hirsche ist sie überlebenswichtig

02. November 2022, 16:18 Uhr

Winterzeit ist unsere Normalzeit. Eine Mehrheit in Europa wünscht sich diese Zeit für das ganze Jahr und damit die Abschaffung der Sommerzeit. Doch bei einer Normalzeit für immer kann es auch Verlierer geben. Zumindest für die USA ist das jetzt belegt: Es sind Menschen im Auto – und Hirsche.

Seit der großen Befragung durch die EU im Jahr 2018, die eine überwältigende Mehrheit für das Ende der Zeitumstellung ergab, warten wir darauf, dass Sommer- und Winterzeit Geschichte werden. Doch eine Rückkehr zur Normalzeit ist derzeit politisch kein Thema in der EU. Dabei ist das Drehen an der Uhr chronobiologisch gesehen ein Problem für uns. Mediziner warnen seit Jahren vor den langfristig negativen Auswirkungen, den "gesundheitlichen Folgen auf der Ebene des Stoffwechsels und auf der Ebene des Schlafens", wie Schlafexperte Professor Till Roenneberg bereits früher gegenüber MDR WISSEN erklärte.

Was für die Sommerzeit spricht: Weniger Wildunfälle

Spricht denn gar nichts für die Sommerzeit? Energieeinsparung? Fehlanzeige, auch da bringt der Wechsel nichts. Längere romantische Abende im Sommer. Wenn man das als Argument gelten lassen möchte, vielleicht. Doch Forscher in den USA haben jetzt herausgefunden, dass es echte Gewinner geben könnte, wenn wir permanent in der Sommerzeit leben würden. Es sind Hirsche – und Menschen im Auto, die dann seltener mit ihnen kollidieren.

"Wir haben diese riesigen, abrupten Veränderungen in der menschlichen Aktivität im Zusammenhang mit dem Zeitpunkt von Sonnenaufgang- und -untergang gesehen", sagt Calum Cunningham, Biologe von der University of Washington School of Environmental and Forest Sciences. "Also haben wir darüber nachgedacht, ob Menschen auf die Uhrzeit reagieren, während Tiere auf die Tageslichtzeit reagieren, schafft das dann mehr Möglichkeiten für den Mensch-Wildtier-Konflikt?" 

Kollisionen nach Sonnenuntergang 14 Mal häufiger

Und tatsächlich: Die Zahlen waren eindeutig. Das Team um Cunningham und Laura Prugh, Professorin für quantitative Wildtierwissenschaften an der University of Washington, wertete Daten von 23 staatlichen Behörden des US-Verkehrsministeriums aus. Bereits bekannt war, dass es in den USA schätzungsweise 2,1 Millionen Zusammenstöße zwischen Hirschen und Fahrzeugen gibt, bei denen etwa 440 Menschen getötet, 59.000 verletzt und Kosten von über zehn Milliarden US-Dollar verursacht werden.

Das Team stellte fest, dass die meisten Kollisionen in den Stunden zwischen Sonnenuntergang und -aufgang am nächsten Morgen stattfanden. Die Kollisionen zwei Stunden nach Sonnenuntergang waren dabei 14-mal häufiger als zwei Stunden vor Sonnenuntergang. Außerdem gab es eine große Spitze im Herbst. Zehn Prozent aller Kollisionen zwischen Hirschen und Fahrzeugen traten während des zweiwöchigen Zeitraums um die Umstellung von der Sommerzeit auf die Normalzeit auf. "Wir glauben, dass diese Herbstspitze wirklich auf die Überschneidung dieser beiden Faktoren zurückzuführen ist: die Brunftzeit und die Umstellung von der Sommerzeit zurück auf die Standardzeit", sagte Prugh.

Sommer-/Winterzeit USA In den USA ist der Zeitraum länger als in Europa. So wurde in diesem Jahr die Uhr am 13. März auf Sommerzeit umgestellt. Die Rückumstellung auf Normalzeit erfolgt am 6. November.

Überraschend auffälliges Muster

Daher errechneten die Forschenden Modelle, wie sich das Unfallgeschehen bei permanenter Sommerzeit oder permanenter Normalzeit entwickeln würde.  

Das Ergebnis für permanente Normalzeit:
Eine Zunahme von 73.660 Kollisionen zwischen Hirschen und Fahrzeugen, mit 66 zusätzlichen Todesfällen und 4.140 zusätzlichen Verletzungen sowie zusätzlichen Kollisionskosten in Höhe von 2,39 Milliarden US-Dollar. 

Das Ergebnis für permanente Sommerzeit:
Ein Rückgang um über 36.550 Todesfälle von Hirschen, 33 Todesfälle von Menschen, 2.054 Verletzungen von Menschen und 1,19 Milliarden US-Dollar an Kollisionskosten pro Jahr.

"Es hat mich überrascht, wie auffällig dieses Muster war, wie viel wahrscheinlicher es ist, dass Hirsche in ein oder zwei Stunden nach Einbruch der Dunkelheit getroffen werden", sagt Cunningham. "Diese Verschiebung der menschlichen Aktivität um eine Stunde könnte eine so bedeutende Wirkung haben." 

Links/Studien

Die Studie "Eine permanente Sommerzeit würde Zusammenstöße zwischen Hirschen und Fahrzeugen reduzieren" ist in "Current Biology" erschienen

pm/gp

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 31. Oktober 2021 | 06:00 Uhr