Klimawandel Wasserstoff statt Elektrifizierung – erreichen wir so die Klimaziele?
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07. Mai 2021, 12:00 Uhr
Wasserstoffbasierte Brennstoffe sind vielseitige Energieträger und galten als gute Alternative zu fossilen Brennstoffen. Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung kommt in seiner neuesten Studie aber zu dem Schluss, dass sie sich nicht gegen eine direkte Elektrifizierung durchsetzen können und sogar ein Risiko für das Erreichen der Klimaziele darstellen könnten.
Mit Blick auf das Pariser Klimaabkommen ist klar, dass fossile Energien durch regenerative Energien ersetzt werden müssen. Das bedeutet auch kein Schweröl mehr für Schiffe, kein Kerosin für Flugzeuge und kein Benzin oder Diesel mehr für Autos. Neue Kraftstoffe müssen also her, um die Mobilität am Laufen zu halten. Synthetische Kraftstoffe oder E-Fuels auf Wasserstoffbasis scheinen da eine gute Alternative zu sein, denn schließlich ist Wasserstoff nahezu unendlich vorhanden und könnte durch regenerative Energien klimaneutral hergestellt werden. Klingt nach einem super Plan, um die Klimaziele zu erreichen, oder? Nicht ganz, sagt Falko Ueckerdt vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.
Es ist nicht zu erwarten, dass sie fossile Brennstoffe auf breiter Front ersetzen können. Das gelingt nur mit direkter Elektrifizierung. Wasserstoffbasierte Kraftstoffe werden wahrscheinlich für mindestens ein weiteres Jahrzehnt sehr knapp und nicht wettbewerbsfähig sein.
Wie enststehen E-Fuels?
Sogenannter Grüner Wasserstoff wird durch Elektrolyse hergestellt. Dabei muss von stabilen Wassermolekülen der Sauerstoff abgespalten werden. Dafür wird allerdings sehr viel erneuerbarer Strom benötigt. Anschließend kann der gewonnene Wasserstoff in einem weiteren Schritt zur Synthese von Kohlenwasserstoff verwendet werden. Dabei wird dem Wasserstoff Kohlenstoff aus CO2 hinzugefügt. So werden mit viel Elektrizität in mehreren Schritten E-Fuels erzeugt. Die sind einfacher zu transportieren und zu speichern als Strom oder reiner Wasserstoff. Und der große Vorteil ist auch, dass sie in konventionellen Verbrennungsprozessen und Motoren genutzt werden können. Sie können fossile Brennstoff also theoretisch direkt ersetzen. Doch jetzt kommt das ABER:
Angesichts ihrer begrenzten Verfügbarkeit wäre es falsch zu glauben, dass fossile Brennstoffe auf diese Weise vollständig ersetzt werden können.
Und dann ist da noch das Problem mit dem hohen Stromverbrauch für die Herstellung.
Wir sind derzeit weit entfernt von 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Quellen – daher ist eine effiziente Nutzung dieser sauberen Energie wichtig. Wenn wir jedoch wasserstoffbasierte Kraftstoffe anstelle von direkter Elektrifizierung verwenden, wird je nach Anwendung und den jeweiligen Technologien die zwei- bis vierzehnfache Menge an Strom benötigt.
Energieverschwendung – Einsatz nicht effizient
Und das ist ziemlich ineffizient. Eine Energie-Ineffizienz hat man außerdem nicht nur bei der Produktion der wasserstoffbasierten Kraftstoffe, sondern auch bei der Nutzung an sich, denn ein Verbrennungsmotor verschwendet einfach viel mehr Energie als ein elektrischer, sagt Romain Sacchi vom Paul Scherrer Institut. Beim aktuellen Strom-Mix in Deutschland würde der Einsatz dieser Kraftstoffe bei Autos, Lastwagen und Flugzeugen drei- bis viermal mehr Ausstoß von Treibhausgasen bedeuten als bei fossilen Brennstoffen. Elektro-Autos und strombetriebene Lkw hingegen produzieren in den meisten Ländern bereits mit dem heutigen Strom-Mix vergleichbare oder sogar geringere Treibhausgas-Emissionen wie Diesel- oder Benzinfahrzeuge. Die direkte Elektrifizierung von Transportmitteln ist also kurzfristig die sinnvollste Methode. Das sagen auch Wissenschaftler wie Prof. Dr. Manfred Fischedick vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie.
Letztlich ergibt sich für die Umsetzung von Klimaschutzbemühungen eine klare Hierarchisierung von Maßnahmen: Vermeidung von Energieeinsatz wo immer möglich (zum Beispiel Verkehrsvermeidung) an erster Stelle, Energieeffizienzsteigerung an zweiter Stelle, direkte Elektrifizierung an dritter Stelle und erst danach Einsatz von Kraft- und Brennstoffen, die auf erneuerbaren Energien basieren. Der Einsatz synthetischer Kraftstoffe steht daher ganz hinten in dieser Handlungskette.
Wo synthetische Kraftstoffe sinvoll sind
Falko Ueckert plädiert auch dafür, die wertvollen wasserstoffbasierten Brennstoffe an Stellen einzusetzen, wo sie unverzichtbar sind – bei Langstreckenflügen, Teilen der chemischen Produktion, Stahlerzeugung und möglicherweise einigen industriellen Hochtemperaturprozessen. Eben in Bereichen, in denen einen direkte Elektrifizierung nicht möglich ist. Andere Wissenschaftler sehen in E-Fuels für den normalen Verkehr dennoch eine Chance. Dabei ist natürlich klar, dass es den nachhaltigen Sprit nur auf Basis erneuerbarer Energien geben dürfe. Dafür würden sich Wind- und Solaranlagen bestens eignen. Prof. Dr. Michael Sterner, Leiter der Forschungsstelle Energienetze und Energiespeicher FENES sagt:
Es gäbe genügend technisches Potenzial und Flächen, um bei uns in Deutschland eigene Wind- und Solarkraftstoffe herzustellen. Die Wertschöpfung bliebe im Lande, die Versorgungssicherheit wäre größer und der Transportaufwand geringer als beim Import dieser neuen Energieträger. Derzeit fehlt es aber am politischen Willen, diese Potenziale zu nutzen, was sich in Form von Abstandsregelungen für Windkraftanlagen und halbherziger Unterstützung für Solarstrom manifestiert.
Es hakt also zusätzlich bei der Politik. Auch Falko Ueckerdt sieht ohne deren Wohlwollen keine rosige Zukunft für die wasserstoffbasierten Brennstoffe; dabei hält auch er sie langfristig für sehr vielversprechend. Er glaubt, dass sie das Potenzial haben, eine Technologie zur Absicherung der um 2040-50 noch verbleibenden fossilen Brennstoffe zu sein. Zur kurzfristigen Erreichung der Klimaziele können sie allerdings nicht beitragen. Für eine deutliche Emissionsreduktion stünde die direkte Elektrifizierung an oberster stelle.
JeS/SMC
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