Impfung oder Antikörper? Impfung oder Antikörper gegen RS-Virus: Welche Therapie hat welchen Effekt?
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24. September 2023, 14:49 Uhr
Das RS-Virus kann bei Kleinkindern mit einem schwachen Immunsystem schwere Lungenentzündungen auslösen. Können neue Impfungen und Medikamente helfen? Drei Expertenmeinungen.
Schnupfen, Husten und Niesen: Bei den meisten Menschen verursacht das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) eine lästige Erkältung, mehr nicht. Für Neugeborene aber kann das Virus richtig gefährlich werden, besonders, wenn Kinder wegen angeborener Herzfehler Medikamente nehmen müssen, die das Immunsystem drosseln. Infizieren sie sich mit RSV, kann das in einer Lungenentzündung münden, die auf einer Kinderintensivstation behandelt werden muss und bei der im Zweifelsfall auch eine zusätzliche Versorgung mit Sauerstoff notwendig ist. Besser wäre es, die Babys könnten durch eine Impfung geschützt werde. Doch das ist in den ersten Lebensmonaten noch kaum möglich, weshalb Ärzte andere Lösungen suchen müssen.
Monoklonale Antikörper: Bisher müssen sie regelmäßig gespritzt werden
Eine dieser Lösungen heiß Palivizumab und ist ein sogenannter monoklonaler Antikörper, also ein kleines Eiweiß, das so ähnlich funktioniert wie vom Immunsystem selbst hergestellte Antikörper: Das Protein verklebt die Andockeiweiße des Virus, das sogenannte F-Protein, und verhindert so, dass sich die Erreger an eine Wirtszelle heften und sie kapern können.
Palivizumab, Markenname "Synagis", ist bereits seit 1999 in Deutschland zugelassen und wird auf Kinderintensivstationen eingesetzt, wenn Kinder hohe Risiken mitbringen, etwa einen Herzfehler oder eine schwere Lungenerkrankung. "Die Antikörper wirken und schützen gut, aber nur, wenn man sie während der RSV-Saison regelmäßig spritzt", sagt Folke Brinkmann, Leiterin des Bereichs Kinder-Lungenmedizin am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein. Regelmäßig bedeutet in dem Fall: Zwischen Oktober und April alle vier Wochen. "Man muss ihn entsprechend des Körpergewichts dosieren und diese Behandlung ist für die Familien natürlich eine Belastung."
Wie wirkt sich passive Immunisierung auf das Krankheitsrisiko ein Jahr später aus?
Die Verabreichung von Antikörpern wird auch passive Immunisierung genannt. Passiv, weil der Körper nicht selbst lernt, eigene Verteidigungs-Eiweiße herzustellen, sondern von den künstlich hergestellten abhängt. Allerdings kann das bereits ausreichen, um ein Baby sicher über die schwierigen ersten Lebensmonate zu bringen.
Bernhard Resch, stellvertretender Leiter der Geburtsmedizin an der Medizinischen Universität in Graz, Österreich, sagt, dass es zwar noch keine Daten dazu gibt, wie gut Kinder durch eine zweite RSV-Saison kommen, wenn sie in der ersten durch monoklonale Antikörper passiv geschützt waren und keine eigene Immunität aufgebaut haben. "Prinzipiell sollte es aber so sein, dass die älteren Kinder mit der Infektion besser klarkommen und dass sie es mit der Überbrückung des ersten Winters geschafft haben."
Maternale Impfung: Mütter geben nach Impfung Nestschutz an Kinder weiter
Eine Alternative wäre, die Kinder bekämen einen Nestschutz von ihren Müttern. Das geht, indem Frauen während der Schwangerschaft geimpft werden. Bildet ihr Immunsystem dann Antikörper, werden diese an die Kinder weitergeben und schützen sie in der Regel in den ersten drei bis sechs Monaten des Lebens. Bei der Grippe (Influenza) oder beim Keuchhusten (Pertussis) funktioniere das bereits sehr gut, sagt Folke Brinkmann.
Auch bei RSV seien die Daten aus den klinischen Versuchen zu einem neuen Vakzin von Pfizer mit 3500 Schwangeren sehr vielversprechend. "Für die ersten drei Monate waren etwas über 70 Prozent der Kinder sehr gut geschützt. Nach einem halben Jahr hat das etwas nachgelassen, da waren es noch 57 Prozent, die vor schweren Infektionen geschützt waren", sagt Brinkmann. Allerdings: Die Quote der Ansteckungen und leichten Erkrankungen lag höher, der Schutz vor jeglicher Erkrankung, wie er in der Fachsprache heißt, also etwas niedriger.
Keine Stiko-Empfehlung für RSV-Impfstoff im Winter 2023/24
Zugelassen ist der Impfstoff mit dem Markennamen Abryvso in Europa zwar schon. Allerdings liegt noch keine Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) vor, weshalb auch die Krankenkassen keine Kosten übernehmen. Stiko-Mitglied Klaus Überla, Direktor des Virologischen Instituts am Universitätsklinikum in Erlangen, findet die Daten zur Wirksamkeit überzeugend. "Das hätte ich in dem Ausmaß nicht erwartet und ich hoffe, wir finden gute Einsatzmöglichkeiten", sagt er.
Allerdings: Eine Entscheidung der Stiko noch in der jetzt anlaufenden RSV-Saison ist eher unwahrscheinlich. Die Experten wollen zunächst weitere Daten abwarten dazu, wie sicher die Impfung in der Praxis ist. Denn bei der bereits zugelassenen Impfung Arexvy von Glaxo-Smith-Kline gibt es vorsichtige Hinweise darauf, dass die Impfung von Schwangeren das Risiko leicht erhöhen könnte, dass die Kinder zu früh auf die Welt kommen. "Diese Frühgeburtlichkeit findet sich tendenziell auch wieder bei Abrysvo. Auch dort gibt es in der Studiengruppe etwas mehr Frühgeburten als in der Kontrollgruppe, auch wenn das statistisch nicht signifikant ist."
RSV-Impfstoff: Wie kam es zu den Frühgeburten in der Studiengruppe?
Wie es zu dieser Nebenwirkung kommt, ist noch nicht klar. Sie könnte mit demografischen Eigenschaften der Teilnehmenden der klinischen Versuche zusammenhängen. "Das Sicherheitssignal trat bei der ersten Studie nur mit Low- und Middle-Income-Ländern aus, nicht jedoch bei den Teilnehmenden aus Nordamerika und Europa", sagt Überla. Aber es gebe keine Erklärung, warum diese Nebenwirkung beobachtet wurde. "Das macht es schwierig, diesen Impfstoff generell für alle Schwangeren zu empfehlen."
Der Wirkmechanismus beider Impfungen ist auch von anderen Impfstoffen bekannt und bereits viele Jahre etabliert. Beide, sowohl der von GSK als auch der von Pfizer, sind sogenannte Protein-Impfstoffe. Hier werden im Labor die F-Proteine des Virus erzeugt und zusammen mit einem Wirkverstärker (Adjuvans) verabreicht. Das Immunsystem bildet dann Antikörper gegen die F-Proteine. Der Pfizer Impfstoff ist zudem bivalent. Er enthält F-Proteine der beiden RSV-Stämme A und B und deckt so eine möglichst große Bandbreite verschiedener Virusvarianten ab.
Nasenspray und Inhalation bei Krankheit – Maske tragen und Händewaschen zur Vorbeugung
Solange die Impfungen nicht verfügbar sind oder nicht empfohlen werden, können Kinderärzte bei schwer erkrankten Kindern nur die Symptome behandeln: Ein Nasenspray geben, um die Schleimhäute in der Nase abschwellen zu lassen oder eine Inhalation verordnen, sagt die Kinderpneumologin Folke Brinkmann. Im schlimmsten Fall müsse ein Kind mit zusätzlichem Sauerstoff versorgt werden.
Bei einer sehr starken Erkältungswelle könnten auch FFP2-Masken schützen, aber die will der Grazer Geburtsmediziner Bernhard Resch nicht mehr ausdrücklich empfehlen. "Das Tragen von Masken ist leider ein Stigma geworden und nicht mehr beliebt in der Bevölkerung. Viele Menschen würden panisch reagieren, wenn wir kleinen Kindern und Erwachsen Masken empfehlen würden. Aber sinnvoll wäre es, genau wie Hände waschen."
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 25. August 0023 | 17:36 Uhr
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