IPK Leibniz-Institut Gatersleben Endlich auch Roggen-Genom vollständig entschlüsselt
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19. März 2021, 15:00 Uhr
Wissenschaftler vom IPK Leibniz-Institut in Gatersleben in Sachsen-Anhalt haben das Erbgut des Roggens vollständig entschlüsselt. Die Sequenzierung war besonders schwierig, da das Roggen-Genom sehr groß und komplex ist. Die neuen Daten sind frei zugänglich und sollen die Züchtung resistenterer Roggen- und Weizensorten voranbringen.
Nach Weizen und Gerste steht nun auch der Gen-Pool der dritten für Deutschland und Europa wichtigen Getreideart Roggen (Secale cereale) der Wissenschaft zur Verfügung. Einem internationalen Forschungsteam unter Führung des Leibniz-Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben in Sachsen-Anhalt ist es nach mehreren Jahren gelungen, das Roggen-Genom nahezu vollständig zu entschlüsseln. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Wissenschaftler im Magazin Nature Genetics.
Weizen-Erbgut schon eher entschlüsselt
Bereits 2018 war die IPK-Arbeitsgruppe "Genomik Genetischer Ressourcen" unter Leitung von Prof. Dr. Nils Stein führend an der Entschlüsselung des Brotweizen-Erbguts beteiligt. Dessen nahezu vollständige Sequenzierung war wegen seiner besonderen Größe und Komplexität lange Zeit für unmöglich gehalten worden. Schließlich ist das Genom des Brotweizens (Triticum aestivum) mehr als fünfmal so groß wie das des Menschen und verfügt über 21 Chromosomen. Bei Gerste (Hordeum vulgare) und Roggen sind es nur sieben Chromosomen.
Wirtschaftliches Interesse bei Weizen größer
Warum aber das größere Weizen-Genom zweieinhalb Jahre eher sequenziert wurde als das scheinbar einfachere Roggen-Erbgut, erklärt Genomiker Stein unter anderem mit einem "viel größeren wirtschaftlichen Interesse". Tatsächlich ist Brotweizen mit etwa 220 Millionen Hektar Anbaufläche die weltweit am meisten genutzte Getreideart. Auf Platz zwei folgt Gerste mit knapp 52 Millionen Hektar, während der kälteresistentere Roggen weltweit nur auf rund 5,5 Millionen Hektar angebaut wird. Der Schwerpunkt des Roggen-Anbaus liegt übrigens in Mittel-, Ost- und Nordeuropa, wobei Deutschland mit jährlich über 3,2 Millionen Tonnen der größte Roggenproduzent der Welt ist.
"Große Komplexität" des Roggen-Erbguts
Allerdings lässt sich der Vorlauf bei der Entschlüsselung der Weizen- (2018) und Gersten-Genome (2017) nicht allein mit dem größeren wirtschaftlichen Interesse erklären. Der zweite, nicht weniger wichtige Grund ist laut Stein die "große Komplexität" des Roggen-Erbguts. Zwar hat Roggen genau wie Gerste nur sieben Chromosomen und auch die Anzahl der darin enthaltenen Gene ist in etwa vergleichbar. Jedoch ist das Roggen-Genom mit 7,9 Milliarden Basenpaaren deutlich größer als das Genom der Gerste mit seinen 5,1 Milliarden Basenpaaren.
Erbinformation auf drei Subgenomen
Noch größer als das Roggen-, ist jedoch das Weizen-Genom, das 16 Milliarden Basenpaare enthält. Allerdings ist Weizen ein "polyploider Organismus", dessen Erbgut sich im Laufe der Entwicklungsgeschichte durch artenübergreifende Befruchtung (Hybridisierung) vervielfacht hat. Die Erbinformation des heutigen Brotweizens verteilt sich deshalb auf drei Subgenome, von denen jedes sieben Chromosomen hat. Mit rund 5,3 Milliarden Basenpaaren ist jedes dieser Weizen-Subgenome etwa so groß wie ein Gersten-Genom.
"Repetitive DNA" sorgt für großes Genom
Nun fragt man sich allerdings, warum das Roggen-Genom bei einer etwa gleichen Anzahl "protein-kodierender Gene" deutlich größer ist als das Genom der Gerste und das Subgenom des Brotweizens? Der Grund dafür liegt in einer besonders großen Anzahl sich oft wiederholender DNA-Abschnitte beim Roggen, erklärt Stein. Bei dieser "repetitiven DNA" handle es sich um Bereiche, "die sich im Roggen-Genom autonom vervielfältigt und dazu geführt haben, dass die einzelnen Chromosomen größer wurden", so der Genomiker. Zwar sei die biologische Funktion dieser DNA-Sequenzen bis heute nicht vollständig geklärt. Jedoch wisse man, dass diese Genom-Informationen wesentlich "zur Regulierung der Gene und zur Variabilität" des Roggens beitragen.
Wiederkehrende DNA-Abschnitte sind das Problem
Aber gerade diese vielfach und teils sogar tausendfach wiederkehrenden DNA-Abschnitte sind eben auch maßgeblich für die sehr späte Entschlüsselung des Roggen-Erbguts verantwortlich. Um nämlich ein Genom sequenzieren zu können, muss man es erst einmal in kleine Stücke zerkleinern, die für eine molekularbiologische Entschlüsselung geeignet sind. Das Problem ist allerdings, dass man die Teilabschnitte der Genom-Sequenz anschließend vollständig und in der richtigen Reihenfolge wieder zusammensetzen muss, was durch die große Masse an "repetitiver DNA" natürlich besonders erschwert wird.
Esrtmals Erbinformation in linearer Anordnung
Zwar gelang es bereits 2017 einem Team von deutschen Wissenschaftlern, zu denen auch die IPK-Genomiker Dr. Martin Mascher und Dr. Uwe Scholz gehörten, ein Drittel der sequenzierten Genom-Information des Roggens wieder zusammenzusetzen. Aber bis zur jetzt erfolgten nahezu vollständigen Entschlüsselung des Roggen-Erbguts war es noch ein schwieriger Weg. Diesen hat das Forscherteam unter Führung von Professor Stein nun erfolgreich gemeistert. Zwar gebe es immer noch einige Lücken, so der Genomiker: "Aber was wir jetzt mit dieser Publikation erstmals vorliegen haben, ist die Erbinformation in ihrer linearen Anordnung."
"Referenzsequenz" weltweit frei zugänglich
Die unter Führung des IPK Leibniz-Institutes erstellte "Referenzsequenz" des Roggen-Genoms auf der Basis einer eigenen "Inzuchtlinie" ist für Forscher und Züchter weltweit frei zugänglich. Die IPK-Genomiker sind sich sicher, mit ihren Ergebnissen nicht nur die Roggen-, sondern auch die Weizenzüchtung weiter voran gebracht zu haben. Für Arbeitsgruppen-Leiter Stein reicht die Bedeutung der Studie "weit über Roggen hinaus". Durch die Kenntnis der "Referenzsequenz" des Roggen-Erbguts werde es einfacher, "positive Eigenschaften des Roggens wie Resistenzen auf Weizen zu übertragen". Mit dieser sowie einer gleichzeitig vorgelegten chinesischen Studie habe Roggen "endgültig zu Gerste und Weizen aufgeschlossen" und das "Zeitalter der Genomforschung" erreicht, freut sich Stein.
(dn)
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