Überraschender Heilungserfolg Gentherapie lässt gelähmte Mäuse wieder laufen
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21. Januar 2021, 16:54 Uhr
Wird das Rückenmark durchtrennt oder schwer geschädigt – zum Beispiel durch einen Unfall – ist das normalerweise irreparabel. Die Betroffenen sind dann querschnittsgelähmt. Anders als andere Gewebe wachsen die Nervenfortsätze des zentralen Nervensystems nicht nach. Forschenden der Ruhr-Universität Bochum ist nun das Unglaubliche gelungen: Mit einem neuen Ansatz haben sie querschnittsgelähmte Mäuse wieder zum Laufen gebracht.
Wenn unser Gehirn unseren Muskeln Anweisungen geben will, muss ein Signal durch den Körper kommuniziert werden. Dafür ist unser Nervensystem zuständig. Ganz zentral ist dabei das Rückenmark: Es transportiert die Kommandos in Form elektrischer Signale vom Gehirn zu den Nerven, die es dann an die Muskeln weiterleiten – und umgekehrt. Wird das Rückenmark also durchtrennt, ist die Kommunikation zwischen Gehirn und Muskel gekappt. Die Folge ist eine Lähmung. Und bisher konnte die noch nie geheilt werden. Bisher – denn Forschenden der Ruhr-Universität Bochum ist genau das jetzt bei Mäusen gelungen, erzählt Professor Dietmar Fischer:
Dieses Ergebnis war auch für uns am Anfang sehr überraschend. Wir wollten eigentlich nur einen ganz bestimmten Strang im Rückenmark hinsichtlich der Nervenregeneration untersuchen. Dann kam mein Mitarbeiter und sagte, dass die Tiere wieder die Füße aufsetzen könnten und wenige Tage später, dass die Tiere wieder anfingen zu laufen.
Der Prozess hinter der verblüffenden Heilung
Eigentlich wollten sie also nur einen der vielen Trakte im Rückenmark dazu bringen, sich zu erneuern. Dass das prinzipiell möglich ist, hatte Fischer in jahrelanger Arbeit bereits bei Nerven im Auge gezeigt. Der Hoffnungsträger ist das Designer-Eiweiß Hyper-Interleukutin-6:
Dieses Eiweiß-Molekül, das wir verwendet haben, ist quasi ein 'aufgemotztes Zytokin', das es so in der Natur nicht gibt.
Dieses Eiweiß sorgt dafür, dass die Nervenzellen ihre eigene Medizin bilden können. In ihren Experimenten haben die Forschenden gelähmten Mäusen Viren in einen ganz bestimmten, gut zugänglichen Bereich des Gehirns gespritzt. Darin steckte der Bauplan für das Eiweiß. Den schleusten die Viren ins Innere der Nervenzellen. Und die konnten das heilende Eiweiß dann einfach selbst herstellen, sagt der Wissenschaftler:
Das wird dann freigesetzt von den Nervenzellen und kann dann wieder sofort an die Außenhaut – also an die Außenmembran binden, an bestimmte Rezeptoren. Dann werden bestimmte Schalter in der Nervenzelle umgelegt und dann kann sie regenerieren.
Das hat nicht nur bei dem Teil des Rückenmarks geklappt, das die Forschenden im Visier hatten, sondern gleich in mehreren verletzten Bereichen. Das habe sie selbst stutzen lassen, erzählt Fischer. Doch dann fanden sie heraus, was passiert war: Die Zellen stellten das Eiweiß nicht nur für sich selbst her, sondern transportierten es auch entlang der Nervenfasern zu anderen durch die Rückenmarksschädigung verletzten Nervenzellen. Die wurden so auch mit dem Eiweiß versorgt:
Was vorher nicht bekannt war, ist, dass diese Fasern Seitenäste haben, die zu anderen Nervenzellen projizieren, die ganz tief im Hirnstamm sitzen, die sonst auch nur sehr schwer zu erreichen sind. (…) Deshalb sind gleich verschiedene Populationen von Nervenzellen regeneriert. Das hat letztlich dazu geführt, dass die Maus wieder laufen kann.
Funktioniert das auch beim Menschen?
Die Forschenden prüfen jetzt, ob es diesen Effekt auch gibt, wenn die Verletzung des Rückenmarks schon etwas länger zurück liegt. Aber könnte das auch beim Menschen klappen? Auf diese Frage hat Fischer noch keine Antwort. Zunächst haben er und sein Team erst einmal zeigen können, dass es überhaupt bei Säugetieren funktioniert. Bis diese Gentherapie aber vielleicht irgendwann einmal beim Menschen gemacht werden könnte, braucht es noch jahrelange zusätzliche Forschungsarbeit.
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