Hirnforschung Misstrauen verstärkt Einsamkeit
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Einsamkeit ist ein bedrückendes Gefühl. Das einzige Mittel dagegen ist, Kontakt zu anderen Menschen zu suchen. Wer jedoch nicht vertrauen kann, hat es schwer, neue Verbindungen zu knüpfen und wird damit noch einsamer.
Einsamkeit ist kein Zustand. Einsamkeit ist eine Empfindung, ein Gefühl: das Gefühl, dass wir zu wenige soziale Beziehungen, zu wenig Miteinander mit anderen haben. Der einzige Weg aus dieser Misere ist, Kontakt zu anderen Menschen zu suchen, um unser natürliches Bedürfnis nach Kontakt und Nähe zu erfüllen. Doch was geschieht, wenn es dazu an Vertrauen mangelt? Und welche Therapiemöglichkeiten gibt es? Diesen Fragen gingen Forschende der Universitäten Bonn, Haifa (Israel) und Oldenburg nach.
Die Fähigkeit zu vertrauen stellt die Weichen
Jeder kennt Momente der Einsamkeit. Doch es gibt Menschen, die müssen dauerhaft mit diesem Gefühl leben und darunter leiden. Ein Grund dafür, dass die einen mehr und andere weniger stark betroffen sind, könnte mangelndes Vertrauen zu anderen sein, zieht Dr. Dirk Scheele von der Medizinischen Psychologie am Universitätsklinikum Bonn eine erste Bilanz aus der Studie. Gemeinsam mit Prof. Dr. Simone G. Shamay-Tsoory von der Universität Haifa (Israel) und Prof. Dr. Dr. René Hurlemann von der Universität Oldenburg untersuchte das Team genauer, welche Faktoren das Gefühl der Einsamkeit begünstigen. Dazu wählten sie 42 Betroffene aus, die jedoch nicht an einer psychischen Erkrankung litten, und 40 Personen als Kontrollgruppe, die sich nicht dauerhaft einsam fühlten.
Im Hirnscanner: Mangelndes Vertrauen kann man sehen
Die Wissenschaftler wollten wissen, wie das Hirn von Menschen arbeitet, die unter anhaltender Einsamkeit leiden und welche Rolle es dabei spielt, ob man vertrauen kann oder nicht. Um das herauszufinden, ließen sie die Studienteilnehmer im Hirnscanner ein Vertrauensspiel spielen: Sie bekamen zehn Euro Startkapital und mussten anhand von Porträtfotos entscheiden, wieviel von dem Geld sie jeweils mit den gezeigten Menschen zu teilen bereit waren. Ihnen war bekannt, dass ein Gewinn über das Startkapital hinaus nur dann möglich war, wenn sie ihr Startkapital mit anderen teilten. Gleichzeitig mussten sie jedoch auch darauf vertrauen, dass ihre Spielpartner das eingesetzte Geld nicht für sich behielten.
Teilnehmer mit ausgeprägten Einsamkeitsgefühlen teilten weniger mit anderen als die Kontrollgruppe.
Scheele und sein Team interpretierten das als ein geringeres Maß an Vertrauen. Außerdem zeigte sich, dass die Gehirnareale, die an der Vertrauensbildung beteiligt sind, bei den Einsamen anders arbeiteten. Vor allem die Inselrinde (anteriore Insula), war bei ihnen weniger aktiv und nicht so ausgeprägt mit anderen Gehirnarealen vernetzt wie bei der Kontrollgruppe.
Die Inselrinde sorgt dafür, dass wir eigene Körpersignale wie unseren Herzschlag wahrnehmen und interpretieren. Außerdem hilft sie dabei, die Reaktionen anderer Menschen richtig zu deuten, etwa die Mimik, die Stimmung oder die Vertrauenswürdigkeit.
Misstrauen schafft zusätzliche Distanz
In einem weiteren Experiment führte der Versuchsleiter mit den Testpersonen Einzelgespräche, immer mit positiven Inhalten: Was würden Sie mit einem Lottogewinn anfangen? Welche Hobbys haben Sie? Anschließend wurden die Teilnehmer nach ihrem Befinden befragt. Das Ergebnis: Die Stimmung der unter ihrer Einsamkeit leidenden Personen blieb weniger positiv als die bei der Kontrollgruppe. Auch das in Blut und Speichel gemessene Bindungshormon Oxytocin stieg bei den Einsamen kaum. Außerdem hielten sie während des Gesprächs eine größere Distanz zum Versuchsleiter.
Die Ergebnisse zeigen insgesamt über die verschiedenen Aufgaben hinweg, dass mit chronischer Einsamkeit ein reduziertes Vertrauen in Mitmenschen einhergeht.
So fasst Scheele die Studienergebnisse zusammen. Das könne dazu führen, dass man Interaktionen mit anderen als weniger positiv erlebt. Das wiederum erschwere den Kontakt zu anderen und verschärfe die Einsamkeitsspirale.
Wege aus dem Teufelskreis
In den Erkenntnissen der Studie sehen die Forschenden auch Ansatzpunkte, Betroffenen gezielter zu helfen. Man könne das geringe Vertrauen einsamer Menschen in der Therapie stärker in den Fokus nehmen, es überhaupt erst einmal besprechen und damit Bewusstsein dafür schaffen. Darüber hinaus könne man nach Wegen suchen, wie man das Vertrauen in andere wieder stärken könne. In einer aktuell am Universitätsklinikum Bonn laufenden Studie untersuchen die Wissenschaftler zusammen mit Kolleginnen und Kollegen aus Haifa und Oldenburg, ob das durch psychotherapeutische Gruppeninterventionen möglich ist. Wer aus der Bonner und Kölner Region teilnehmen möchte, kann sich hier melden: gif2-studie@uni-bonn.de
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