Zwei Gehirne sitzen in einem Kino auf stühlen. Ihr stilisierten Augen blicken auf eine Leinwand, auf der nur ein Fragezeichen zu sehen ist.
Bildrechte: Benjamin de Haas

Wissen-News Das Gehirn im Kino: Wie wir sehen, bestimmt, was wir sehen

04. September 2024, 16:21 Uhr

Die Art, wie sich Menschen etwas ansehen, beeinflusst, was sie sehen. So führen individuelle Blickbewegungen beispielsweise beim Filmschauen zu ganz unterschiedlichen Wahrnehmungen und Gehirnaktivitäten.

Wie wir die Welt sehen, scheint sich zwischen den Menschen mehr voneinander zu unterscheiden, als bisher gedacht. Während lange angenommen wurde, dass unterschiedliche Blickwinkel und Fokusse zu einer vergleichbaren Abbildung im Gehirn führen, widersprechen Forscher von der Universität Gießen jetzt dieser These. Wie wir auf etwas blicken, verändert, was wir sehen. Beispielsweise können Menschen das gleiche Video anschauen, sehen es aber komplett anders. In einer Studie ließen die beiden Psychologen Petra Borovska und Ben de Haas 19 Freiwillige denselben Film betrachten – entweder frei oder mit der Anweisung, passiv auf die Mitte des Bildschirms zu blicken. Freie Bewegungen führten zu einer stärkeren Aktivierung in den visuellen Zentren im Hirn. Von Mensch zu Mensch ließen sie sich allerdings nur schwer vergleichen.

"Einzigartige Welt in den Köpfen der Menschen"

Dass komplexe, sich je nach Mensch interindividuell stark unterschiedliche Muster in Gehirnen vergleichen lassen, ist eine recht neue Entwicklung. Mittels funktionaler Magnetresonanztomographie und maschinellem Lernen ist dies seit etwa zehn Jahren überhaupt erst möglich. De Haas und Borovska haben untersucht, wie sich Blickbewegungen auf die bildliche Verarbeitung im Gehirn auswirken und wie sich diese zwischen Personen unterscheiden. "Blickbewegungen galten traditionell als einfache Reaktion auf das, was vor unseren Augen geschieht", erklärt de Haas. "Aber inzwischen wissen wir, dass das nicht alles ist. Blickbewegungen sind so individuell wie Persönlichkeitsmerkmale. Einige Menschen fokussieren mehr auf Gesichter, andere auf Text oder andere Details." Diese sehr speziellen Muster und Vorlieben führen, darauf deuten die Ergebnisse der Psychologen, zu "einer einzigartigen Welt in den Köpfen der Menschen."

Frauenhand hält Handy über Weltkarte auf Tisch. Darauf eine Karte in Robinson-Prokektion mit Süden nach oben und Fragezeichen. Alte Spiegelreflexkamera an Seite. 3 min
Bildrechte: imago/Pond 5 (M), FlexProjector (M), MDR WISSEN

Doch die Erkenntnisse gehen noch weiter, sagt Petra Borovska: "Wir konnten sogar vorhersagen, wie sehr sich die Gehirnaktivitätsmuster zwischen zwei Menschen unterscheiden, wenn wir die Ähnlichkeit ihrer Blickbewegungen in einem separaten Experiment erfasst haben, mit mehreren Tagen Abstand. Es ist erstaunlich, dass Blickbewegungen zu stärkerer neuronaler Aktivität führen, diese Aktivitätsmuster jedoch gleichzeitig weniger vergleichbar machen. Normalerweise bedeutet ein stärkeres Signal klarere Daten, aber hier ist das Signal – also die neuronale Repräsentation des Films – eben verschieden, eine Art director’s cut des individuellen Hirns."

Link zur Studie

Die Arbeit Individual gaze shapes diverging neural representations ist in der Zeitschrift "Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)" publiziert worden.

idw/jar

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | MDR Kultur am Mittag | 28. August 2024 | 15:15 Uhr

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