Leere Tablettenverpackung
Gibt es zukünftig auch bei uns Tabletten mit halluzinogenen Substanzen? Bildrechte: IMAGO / imagebroker

Rauschmittel und Psychotherapie In Australien jetzt zugelassen - wie ist es bei uns?

19. August 2023, 18:33 Uhr

Wenn herkömmliche Therapiemethoden ausgeschöpft sind, bleibt Patienten nur die Hoffnung auf alternative Mittel. Bei psychischen Erkrankungen können das halluzinogene Substanzen sein: So das Amphetaminpräparat MDMA, das auch in Ectasy enthalten ist und bei posttraumatische Belastungsstörungen helfen kann, und Psilocybin, das gegen hartnäckige Depressionen Besserung verspricht. In Australien sind jetzt beide Wirkstoffe zugelassen worden. Doch wie sieht es in Deutschland aus?

Als erstes Land der Welt hat Australien jetzt Wirkstoffe von Rauschmitteln zur Therapie von Depressionen und posttraumatischen Belastungsstörungen zugelassen: Das synthetische Amphetaminderivat MDMA, das auch Bestandteil der Partydroge Ecstasy ist und Psilocybin, einem Wirkstoff aus bestimmten Pilzarten, den "Magic Mushrooms“, Zauberpilzen.

Die Genehmigung begründete die Australische Arzneimittelbehörde (TGA) unter anderem damit, dass die Vorteile einer Behandlung mit diesen Substanzen unter fachlicher Aufsicht eines Psychiaters möglichen Nachteile überwögen. Schließlich sei dieser Weg zum Beispiel für Menschen mit Depressionen die einzige Chance, wenn alle herkömmlichen Therapien erfolglos blieben. Für die Vergabe der nötigen Erlaubnis zur Anwendung gelten zudem strenge Vorschriften. So müssen Fachärzte, die Wirkstoffe als Medikamente einsetzen wollen, die Genehmigung der TGA einholen, die zur Prüfung eine Ethik-Kommission heranzieht.

Schnelle Zulassung in Australien umstritten

Dennoch sehen Psychologen und Neurowissenschaftler die Entscheidung kritisch. Die Behörde habe dem Druck nachgegeben, der von der Öffentlichkeit und von Lobbygruppen aufgebaut worden war. Es gebe noch keine ausreichenden Beweise für die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit, um einen umfassenden Zugang zu den Substanzen zu rechtfertigen, schrieb eine Forschungsgruppe im Australian & New Zealand Journal of Psychiatry. Zwar gäbe es inzwischen zahlreiche Studien mit vielversprechenden Ergebnissen, dennoch blieben viele Fragen offen. Zudem forderten sie, dass die Behandlung mit MDMA oder Psilocybin psychotherapeutisch begleitet werden müsse. Die Forschung zu dieser Kombination aus Therapien stecke jedoch noch in den Kinderschuhen. Außerdem warnen sie vor möglichen Psychosen infolge von bewusstseinserweiternden Drogen.

Wann kommt die Zulassung in Deutschland?

Frühestens in etwa fünf bis sieben Jahren, schätzte Psychiater Gerhard Gründer im Oktober 2022 gegenüber dem Deutschlandfunk ein. Denn es fehlen nach wie vor abschließende Untersuchungen dazu. Er leitet aktuell selbst am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim eine Psilocybin-Studie in Phase II. 144 Patienten nehmen daran teil, denen herkömmliche Therapien nicht helfen konnten. Die Fragestellung ist, ob bei schweren, behandlungsresistenten Depressionen durch eine Kombination aus Psychotherapie und dem Wirkstoff Besserung eintritt.

Ist diese Untersuchung abgeschlossen und belegt eine Wirksamkeit, ist vor der Zulassung eine weitere Hürde zu nehmen: Studienphase III, deutlich größer angelegt und mit einer Kontrollgruppe, die ein anderes Medikament erhält. Sie muss erneut beweisen, dass die Therapie wirksam und sicher ist, bevor eine Genehmigung erteilt wird. Dafür ist mit fünfzig bis einhundert Millionen Euro Budget zu rechnen. Und es dürfte eine große Herausforderung sein, solche Beträge ohne Unterstützung durch die Pharmaindustrie zu akquirieren.

Hinzu kommt der enorme Arbeitsaufwand, fügt Gründer hinzu. Allein die Vorbereitungen haben eineinhalb Jahre und etwa eintausend Arbeitsstunden in Anspruch genommen: Zum einen die Genehmigung durch eine Ethikkommission und durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte zu bekommen. Zum anderen die ausreichend geeigneten Probanden auszuwählen. In Frage kamen dafür nur Menschen, die unter therapieresistenten Depressionen leiden, also auf mindestens zwei Standard-Antidepressiva, die sie über mindestens sechs Wochen in ausreichender Dosierung eingenommen haben, nicht zufriedenstellend angesprochen haben. Darüber hinaus dürfen sie keine Psychosen haben, auch nicht in der Vergangenheit und nicht mit Menschen mit Psychosen eng verwandt sein, um mögliche Veranlagungen dazu auszuschließen. "Die größte Hürde war die Beschaffung der Substanz. Das hat sehr viel Zeit gekostet. Zeit und Nerven.“, blickt Gründer zurück. Das Psilocybin muss gewissen Standards genügen, damit die Substanz keine Verunreinigungen enthält. Nur wenige Firmen können die Droge unter diesen Bedingungen liefern.

Eine besondere Herausforderung: Es soll nicht der Wirkstoff allein genehmigt werden, sondern Psilocybin in Kombination mit Psychotherapie. Denn, so Gerhard Gründer: "Die Substanz ist ein Katalysator und nicht die Pille, die Sie morgen als anderen Menschen aufwachen lässt. Das ist immer noch Arbeit.“ Und für diese Behandlungsform hat sich noch kein Zulassungsverfahren etabliert. Bleibt dann noch die letzte und sicher größte Hürde: Die Studie Phase III. Solange diese nicht abgeschlossen ist, ist eine Zulassung von Psilocybin in Deutschland ausgeschlossen. Ecstasy und Magic Mushrooms bleiben durch das Betäubungsmittelgesetz illegale Drogen.

Links/Studien

  • Hoffnungsschimmer Zauberpilz: Wie Magic Mushrooms gegen Depressionen helfen können, lesen Sie hier.
  • Dieses Video zeigt, wie Psychedelika die Psychotherapie unterstützen können und welche Erkenntnisse es darüber bereits gibt.
  • Und das ist der Stand der Forschung in Deutschland.

krm