Familienministerin Franziska Giffey, Michelle-Jasmin Müntefering, Dr. Katarina Barley, Bundesministerin der Justiz , SPD, Deutschland, Berlin, Feierstunde im Deutschen Bundestag zu 100 Jahren Frauenwahlrecht
Im Deutschen Bundestag (hier ein Bild von den Feierlichkeiten zu 100 Jahren Frauenwahlrecht 2019) sind Frauen mit 35 Prozent noch immer in der Minderheit. Damit liegt Deutschland im weltweiten Ranking der Interparlamentarischen Union IPU (Stand Oktober 2021) auf Platz 42 von 188. Bildrechte: IMAGO / Metodi Popow

Genderpsychologie Sind Frauen die besseren Politiker?

29. Mai 2023, 05:00 Uhr

Was macht einen guten Politiker aus? Unter anderem, dass er weiß, wo der Schuh drückt. Gebildete Frauen haben dafür ein besseres Gespür, und dieses Gespür sei wichtiger als jedes politische Engagement, will man andere verstehen, sagen Wissenschaftler der Universität Bath in Großbritannien.

Dazu untersuchte ein Team von Psychologen 4.000 Menschen aus dem gesamten Vereinigten Königreich daraufhin, ob und wie sehr sie sich in andere hineinversetzen können. Die Voraussetzung dafür ist, subtile Hinweise auf Gedanken, Gefühle, Absichten, Meinungen und Erwartungen des anderen wahrzunehmen, einzuordnen und sie mit dem eigenen Erleben und Empfinden abzugleichen, also sich selbst zu reflektieren. Dieses Phänomen ist in der Psychologie als "Theory of Mind" bekannt: Es beschreibt das Vermögen, mentale Zustände als mögliche Ursache eines Verhaltens zu verstehen, um Handlungen erklären und auch vorhersagen zu können.

Empathie-Spitzenreiter: weiblich und gebildet

Bereits 2021 hatte das Forscherteam einen speziellen Test entwickelt, um herauszufinden, wie gut die Studienteilnehmer sich in ihr Gegenüber hineinversetzen können. Dazu werden einfache Aussagen abgefragt, wie zum Beispiel: "Normalerweise kann ich den Standpunkt einer anderen Person verstehen, auch wenn er von meinem eigenen abweicht"; und "Es fällt mir leicht, mich in die Lage eines anderen zu versetzen."

Zugleich wurden für die Studie Faktoren wie Geschlecht, Bildungsstand, Alter und politisches Engagement erfasst. Das Ergebnis: das Geschlecht verbunden mit dem Bildungsgrad hat den größten Einfluss auf die Fähigkeit, die Gedanken und Bedürfnisse andere wahrzunehmen und zu verstehen. Die Tatsache, dass Frauen das besser können als Männer, ist nicht neu.

Neu ist jedoch die Erkenntnis, dass das politisches Interesse und Engagement allein offenbar keine so große Rolle dabei spielt, ob jemand wahrnimmt, wo anderen "der Schuh drückt". "Unsere Studie hat erstmals so viele Faktoren – wie Geschlecht, Bildung, Alter und Politik – gleichzeitig berücksichtigt, anstatt sie, wie es oft der Fall ist, getrennt zu betrachten", zieht die Psychologin Dr. Rachel Clutterbuck Resümee.

Das Ergebnis verdeutlicht die Komplexität des sozialen Lebens und erinnert uns daran, die verschiedenen Faktoren im Auge zu behalten, die Einfluss haben auf unser gegenseitiges Verständnis.

Dr. Rachel Clutterbuck, Psychologin

Dr. Punit Shah, leitender Autor, außerordentlicher Professor und führender Experte für soziale Kognition an der University of Bath, sieht in den Studienergebnissen einen weiteren Beleg für einen Wandel: "Historisch gesehen wurden männliche Perspektiven in der Gesellschaft priorisiert. Dieses Narrativ nimmt seit einiger Zeit ab."

Untersuchungen wie unsere liefern zusätzliche Beweise dafür, wie wichtig die Rolle von Frauen und Bildung für soziales Verständnis und Zusammenhalt in der Gesellschaft sind. Weitaus wichtiger als die Politik.

Dr. Punit Shah, Studienleiter

Die Studienergebnisse wurde in der Zeitschrift PLOS One veröffentlicht.

krm

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | SACHSENSPIEGEL | 04. März 2023 | 19:00 Uhr