Photovoltaik Neuer Solarzellen-Weltrekord: 29,8 Prozent Wirkungsgrad
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28. Juni 2022, 13:47 Uhr
Das Helmholtz-Zentrum Berlin hat ihn zurück: den Weltrekord für den höchsten Wirkungsgrad bei Tandem-Solarzellen. Diese könnten ein wichtiger Baustein auf dem Weg zur Energiewende werden.
Vor wenigen Tagen sprach Prof. Bernd Stannowski bei den "Freiberger Siliciumtagen" über den neuesten Stand seiner Forschung. Der Wissenschaftler untersucht am Helmholtz-Zentrum Berlin, wie sich bei der Nutzung von Photovoltaik der Wirkungsgrad steigern lässt – also wie viel eintreffende Sonnenenergie letztlich als Strom abfließt. An der Bergakademie referierte Stannowski besonders zur neuesten Entwicklung bei der industriellen Anwendbarkeit der Solarenergie. Denn das eine sind die Werte, die im Labor erreicht werden und das andere das, was am Ende auf dem Dach als Modul verbaut wird. Mit im Gepäck hatte der Experte einen neuen Rekord: Zusammen mit seinen Kollegen ist es ihm im November 2021 gelungen, den Wirkungsgrad von bestimmten Solarzellen auf 29,8 Prozent zu steigern. Zuvor hatte ihn das britische Forschungsinstitut Oxford PV mit 29,52 Prozent gehalten. Das Karlsruher Institut für Technologie vermeldete vor Kurzem ebenfalls den Wert von 29,8 Prozent als Rekord für sogenannte Perowskit/CIS-Tandem-Solarzellen.
Battle zwischen Berlin und Oxford
Die Steigerung beruht vor allem auf der Nutzung der Tandemtechnologie, wie Bernd Stannowski im Gespräch mit MDR WISSEN erklärt. Dabei wird auf eine konventionelle Siliziumzelle noch eine zweite platziert, sodass beide Zellen im Tandem das Licht besser in elektrische Energie umsetzen können. Für die zweite Zelle nutzen die Berliner das Mineral Perowskit, das mehrere wichtige Eigenschaften vereint: eine gute Verfügbarkeit, einen kostengünstigen Abbau sowie eine geeignete lichtelelektronische Charakteristik.
"30 Prozent Wirkungsgrad sind zum Greifen nah", betont Stannowski. Das hätten die Forschenden am Helmholtz-Zentrum auch schon gemessen, bei den notwendigen zertifizierten Messlaboren kam dann der Wert von 29,8 Prozent heraus. Mit der Tandemtechnologie sei ein Wirkungsgrad von bis zu 44 Prozent möglich, so der Experte. Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis der nächste Rekord aufgestellt wird, wobei Berlin und Oxford weltweit führend sind und sich salopp gesagt einen kleinen "Battle" um die Rekorde liefern, andererseits aber auch in der Forschung miteinander kooperieren. Von der Marktreife sind die Berliner Module derweil noch eine ganze Weile entfernt. Stannowski spricht von einem Zeitfenster von drei bis sieben Jahren, bis sie als Produkt erscheinen könnten.
Projekt "50 Prozent" will noch mehr Energie
Forscherinnen und Forschern am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg gehen sogar noch weiter. Ihr Projekt trägt den Namen "50 Prozent". Und damit ist das Ziel ihrer Energieausbeute bei Solarzellen definiert, dem sie sich immer weiter annähern. In einem Versuch mit einer sogenannten Vierfachsolarzelle (zwei Tandemzellen übereinander plus Antireflexionsschichten) unter konzentriertem Sonnenlicht erreichten sie damit Im Labor erst vor wenigen Wochen einen Wirkungsgrad von 47,6 Prozent – Weltrekord, wie das Team vermeldete. "Zu den Anwendungsmöglichkeiten solcher höchsteffizienten Tandemsolarzellen gehören Konzentrator-Photovoltaik-Systeme, die in sonnenreichen Ländern zur effizienten Energieerzeugung beitragen", sagt Prof. Dr. Stefan Glunz, Bereichsleiter Photovoltaik Forschung am Fraunhofer ISE.
Regionale Solar-Industrie wächst wieder
Die Weiterentwicklung der Solartechnik sei auch vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieg wichtig, wie Stannowski bestätigt, da die Photovoltaik ein wichtiger Baustein ist, um unabhängiger von russischem Öl und Gas zu werden. Aktuell stelle sie in Deutschland die preiswerteste Erneuerbare Energie dar – was aber auch daran liegt, dass die meisten Module billig in China produziert werden. Um auch vom ebenfalls autokratischen Reich der Mitte unabhängiger zu werden, soll nun die Produktion der Solarmodule wieder nach Europa verlagert werden. In Brüssel gebe es dazu aktuell viel Aktivität, so Stannowski. Allerdings müsse dafür erst wieder die ganze Wertschöpfungskette aufgebaut werden, denn derzeit stammen 85 Prozent der Module aus China. Immerhin ist ein Teil des Know-how in Europa verblieben, besonders im Bereich der zukunftsträchtigen Tandemtechnologie. "Das ist unsere große Chance", betont Bernd Stannowski.
Dadurch bieten sich auch Möglichkeiten für die regionale Wirtschaft, die bei der Produktion von Solarzellen schon einmal besonders um Bitterfeld-Wolfen und Freiberg stark war. So langsam kehre in die in ehemaligen Produktionshallen von Solar World in der Bergstadt die Produktion zurück, auch Q-Cells im früheren "Solar Valley" wächst wieder, allerdings vorerst nur in der Forschung. Ein Schweizer Unternehmen hat am Standort aber bereits 2021 die Produktion von Solarzellen aufgenommen, die dann in Freiberg in Sachsen zu Solarmodulen verarbeitet werden. Und auch die Forschung aus Oxford hat den Weg in die Praxis bereits gefunden, in einem Werk in Brandenburg an der Havel. Dazu heizen große geplante Solarparks, wie der südlich von Leipzig, die Nachfrage an.
Link zur Studie
Die Studie "Nano-optical designs enhance monolithic perovskite/silicon tandem solar cells toward 29.8% eciency" ist am 17. März 2022 als Preprint erschienen.
Mitteilung des Fraunhofer ISE über den Rekordversuch mit 47,6 Porzent Wirkungsgrad.
cdi