Studie des MPI für chemische Ökologie Jena Umstrittenes Pflanzenschutzmittel Glyphosat schadet auch Insekten
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11. Mai 2021, 11:52 Uhr
Egal wie man zu den krabbelnden, summenden oder brummenden Lebewesen stehen mag: Dass das Insektensterben ein ernsthaftes Problem für uns alle ist, dürfte mittlerweile klar sein. Dafür gibt es viele Gründe. Ein Verdächtiger: Glyphosat, eines der umstrittensten Unkrautvernichtungsmittel überhaupt. Bisher nahm man an, dass das Pestizid sich eher indirekt auf Insekten auswirkt, weil es ihnen den Lebensraum nimmt. Aber offenbar kann es sie doch schädigen – wenn auch über einen Umweg.
Glyphosat ist noch immer eines der am häufigsten eingesetzten Pflanzenschutzmittel in der Landwirtschaft. So beliebt wurde es, weil man lange Zeit annahm, dass es nicht auf Tiere wirken kann, erklärt Tobias Engl vom Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena. Grund dafür war der Wirkmechanismus des Pestizids:
Glyphosat wirkt auf den sogenannten Shikimat-Stoffwechselweg. Das ist ein Stoffwechselweg, der in Pflanzen und Bakterien codiert ist.
Bei Trockenheit wird Außenskelett dünner
Tiere haben diesen Signalweg nicht. Doch das Forschungsteam aus Jena zeigt jetzt: Insekten nutzen ihn trotzdem. Sie gehen dafür wechselseitige Symbiosen mit Bakterien ein. So wie der Getreideplattkäfer, erläutert Engl. Der bekommt von seinem bakteriellen Partner Bausteine für sein Außenskelett, das ihn vor Trockenheit und Feinden schützt. Fehlen die Bakterien, ist es viel dünner.
Die ist auch nicht nur dünner, sondern auch weniger stark quervernetzt – also ein bisschen weicher – und ein bisschen weniger stark gefärbt. Diese Quervernetzung und Färbung haben nicht nur diesen Effekt, sondern dass die Kutikula durchlässiger ist für Feuchte. Das heißt, die Tiere trocknen leichter aus und sie sind auch noch anfälliger gegenüber Räubern und Pathogenen.
Modellinsekt Getreideplattkäfer
Prinzipiell könnten wohl einige der Käfer auch ohne das Bakterium überleben, aber es geht ihnen wesentlich schlechter. Und dafür sorgt Glyphosat: Es lähmt den Signalweg im Bakterium und dadurch kann der Getreideplattkäfer es nicht nutzen. Das Pestizid schädigt also über den Umweg des Bakteriums indirekt auch die Insekten. Dadurch dürfte Glyphosat auch zu deren massenhaftem Sterben beitragen, schlussfolgert das Team. Denn der Getreideplattkäfer ist kein Spezialfall, sagt Engl, sondern eher ein Modell-Insekt. Was für ihn gilt, gilt auch für andere:
Wir haben vor allem auch herausgefunden, dass es nicht das einzige Tier ist, in dem das Ganze passiert. Es gibt auch noch andere Käfer, aber auch ein paar Ameisen, die Bakterien enthalten, die auf einen ähnlichen Zustand reduziert sind, die aber in eine ganz andere Bakteriengruppe fallen. Das heißt, es ist anscheinend ein extrem wichtiger Effekt in der Umwelt, dass es allein schon zufälligerweise zwei Mal entstanden ist.
Insgesamt, schätzt Engl, müssten zwischen 40 und 60 Prozent aller Insekten von diesem Effekt betroffen sein. Sie haben also existenziell wichtige Beziehungen mit Bakterien, die durch Glyphosat geschädigt werden. Doch damit nicht genug.
Fast alle Insekten werden Darmbakterien enthalten, die auch notwendig sind für deren Entwicklung und viele der Darmbakterien werden anfällig dafür sein. Das heißt, ich vermute, dass ein Großteil – also wahrscheinlich so 70, 80 Prozent der Insekten – in irgendeiner Art und Weise von Glyphosat betroffen sein könnten, was natürlich in den Mengen, in denen Glyphosat verwendet wird, eine schreckenerregende Anzahl ist.
Da beruhigt es auch nur auf den ersten Blick, dass das Ende von Glyphosat in Deutschland schon beschlossen ist: In drei Jahren wird der Einsatz komplett verboten sein. Doch damit ist das Problem nicht gelöst. Denn auch die Alternativen zu Glyphosat wirken ähnlich: Alle bekannten Mittel schädigen diese Bakterien und gelangen in die Umwelt, sagt Engl. Am besten für die Insekten wäre deshalb wohl eine bedachte, nachhaltige Landwirtschaft ganz ohne Pestizide.
Link zur Studie
Die Studie "Inhibition of a nutritional endosymbiont by glyphosate abolishes mutualistic benefit on cuticle synthesis in Oryzaephilus surinamensis" ist in Communications Biology veröffentlicht worden.
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