Recycling Goldgrube Elektroschrott – Macht ein Pfandsystem für Smartphones Sinn?
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05. Juli 2021, 10:23 Uhr
2019 sind weltweit 54 Millionen Tonnen Elektroschrott angefallen. In diesem vermeintlichen Müll befinden sind viele Ressourcen und Rohstoffe, die durch gutes Recycling in den Wertstoffkreislauf zurückgeführt werden könnten. Doch in Deutschland schlummern allein 200 Millionen alte Mobiltelefone in Schubladen. Ein Pfandsystem könnte Anreiz geben, diese wiederzuverwerten.
Jedes Jahr ein neues Handy, eine bessere Smartwatch und vielleicht auch noch eine neue Kaffeemaschine – die alte geht zwar noch, aber die neue geht noch besser. An neue Geräte ranzukommen ist gar kein Problem, jeder Discounter hat sie im Angebot, sie kosten nicht viel und wenn doch – was soll's, man gönnt sich ja sonst nichts. Und was passiert mit den alten Geräten? Ab in die Tonne oder die Abstellkammer.
Diese Ex- und Hopp-Mentalität ist ein Teufelskreis; sie wird über kurz oder lang unseren Planeten ruinieren.
Elektroschrott ist ein unglaublich großes Problem für die Umwelt. Im Jahr 2019 gab es davon laut Deutschen Bundesstiftung Umwelt weltweit fast 54 Millionen Tonnen. Um das verständlich zu machen – es handelt sich dabei um den Elektroschrott eines einzigen Jahres und dieser wiegt genauso viel wie 350 Kreuzfahrtschiffe! Pro Kopf sind das übrigens global gesehen etwa 7,3 Kilogramm. Und allein in Deutschland sogar 10,3 Kilogramm.
Millionen Schätze in der Schublade
Um diese Menge an Elektrogeräten zu produzieren werden enorm viele Ressourcen verbraucht und wertvolle und seltene Rohstoffe benötigt. Die Gewinnung dieser Primärrohstoffe ist immer mit einem empfindlichen Eingriff in Ökosysteme verbunden und nicht selten werden umweltgefährdende Substanzen freigesetzt. Beim Goldabbau gelangen zum Beispiel Quecksilber und Zyanid in umliegende Flüsse. Und Gold ist nur ein Bestandteil von vielen in Elektrogeräten wie Smartphones. Diese bestehen zum Beispiel aus ungefähr 60 verschiedenen Stoffen, 30 davon sind Metalle wie Kupfer, Aluminium oder Eisen. Aber auch Kobalt, Gallium, Indium, Niob, Wolfram und Seltene Erden sind in den Geräten enthalten. Sie zählen laut EU Kommission zu den kritischen Rohstoffen, also Rohstoffen, die eine entscheidende wirtschaftliche Bedeutung haben, aber nicht zuverlässig in der EU abgebaut werden können und deshalb importiert werden müssen.
Dabei liegen unglaublich viele dieser Rohstoffe einfach ungenutzt in unseren Schubladen herum. Laut Digitalverband Bitkom sind das in Deutschland fast 200 Millionen verstaubende Mobiltelefone. Dabei ist es eigentlich ganz einfach. Ungenutzte, alte oder kaputte Handys können problemlos beim Mobilfunkanbieter oder bei jedem größeren Elektrofachhandel abgegeben werden. Aber das machen die Wenigsten. Warum? Weil der Anreiz fehlt.
Ein Pfandsystem für Handys wäre deshalb gar keine schlechte Idee, um dieses Sammelsurium an wertvollen Rohstoffen wieder zurück in den Wertstoffkreislauf zu bringen. Laut einer forsa-Erhebung für DBU-Umweltmonitor Circular Economy halten 87 Prozent der Befragten ein solches Pfandsystem für sinnvoll.
1 wiederverwendetes Smartphone spart 14 Kilogramm Ressourcen
Sind die Handys fachgerecht entsorgt, kann untersucht werden, welche nach einer Reparatur wiederverwendet werden könnten. Dabei spart ein professionell wiederaufgearbeitetes Smartphone, laut Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT, 14 Kilogramm Primärressourcen. Das ist enorm viel, auch gemessen daran, wie viel das neu produzierte Telefon schlussendlich wiegt. Ein zweites Leben für das Gerät freut also nicht nur den neuen Besitzer, sondern auch die Umwelt.
Der Rest wird mechanisch weiterverarbeitet. Erst wird er sortiert, die Schadstoffe werden entzogen, Wertstoffe wie Leiterplatten und Grafikkarten werden demontiert. Auf denen befinden sich besonders viele Wertmetalle, wie etwa Gold. Der Rest wird geschreddert, auf einem Magnetband werden die Eisenteile herausgezogen, im Wirbelstromabscheider werden Kupfer und Aluminiumteile herausgefiltert. Am Ende der Kette steht eine Fraktion mit Schredderrückständen. Und obwohl darin immer noch relativ viele Metalle enthalten sind, landen diese aktuell hauptsächlich in der Müllverbrennungsanlage, denn ein weiterer mechanischer Aufbereitungsprozess lohnt sich nicht.
Das Problem bei den Smartphones ist die voranschreitende Miniaturisierung. Da sind sehr viele Metalle, sehr viele Rohstoffe auf engstem Raum zusammen. Und sie kommen nicht als Einzelbauteile vor, sondern sind Legierungen und Mischmetalle. Dadurch haben sie die hohe Funktionalität. Das aber mechanisch wieder herauszuholen, ist sehr schwierig.
Allerdings hat sich Fraunhofer UMSICHT natürlich auch darüber schon Gedanken gemacht. Die Forschenden haben einen thermochemischen Prozess entwickelt. So werden Kunststoffe der Schredderrückstände degradiert, in Öl und Gas umgewandelt und die Metalle in Koks angereichert. Der Koks kann dann in integrierten Kupferhütten eingesetzt werden um die restlichen Metalle herauszuziehen. Das Verfahren soll jetzt auf dem Markt etabliert werden. Von der Qualität her sind diese Metalle übrigens genauso hochwertig wie Primärrohstoffe.
Lohnt sich der Aufwand?
Bei so einer langen Reihe von Arbeitsschritten stellt sich die Frage, ob sich der Aufwand überhaupt lohnt. Michael Peer sagt ganz klar: Ja.
Es sind zwar viel Schritte, aber da greift die Economy of Scale. Es sind riesige Betriebe, die die Metalle raffinieren, deshalb sind die Prozesskosten relativ gering.
Außerdem ist es so, ergänzt Peer, dass der Metallgehalt in Elektoschrott wesentlich höher ist als in Minen und Erzen. Denn es hört sich nur einfach an: Erze abbauen und einfach in einer Hütte zu Metall verarbeiten. So funktioniert das aber nicht. Laut Peer müssen die Erze nach dem Abbau aufkonzentriert werden, damit es sich überhaupt lohnt, sie in einer Hütte aufzubereiten. Außerdem fallen viele Reststoffe an, die dann wieder abgeladen werden müssen.
Das Recycling von Elektroschrott ist also lohnenswert und nötig. Allerdings ist da technologisch noch Luft nach oben, denn in einem Smartphone sind auch viele kritische Metalle verbaut, die aktuell sehr schwer herauszuziehen und wiederzuverwerten sind.
Konzerne in der Verantwortung
Laut Michael Peer müssten auch die Konzerne ihren Beitrag leisten, um das globale Elektroschrottproblem anzugehen. Zum einen müssten sie Geräte so entwickeln, dass sie repariert und schadhafte Teile ausgetauscht werden können. Zum anderen müssten sie selbst Geld in die Hand nehmen und an Recycling-Möglichkeiten forschen oder zumindest Forschungskooperationen eingehen.
Ich habe so das Gefühl, dass sich zehn Köpfe Gedanken darüber machen, wie ein Smartphone noch besser funktionieren könnte und ein halber Kopf muss sich dann Gedanken machen, wie man das am Ende recycelt.
Und Zeit spielt dabei auch eine sehr große Rolle, denn eigentlich müsste die Recycling-Technologie kontinuierlich an die Technologie der Elektrogeräte angepasst werden. Bei dem Tempo, dass die Konzerne mit ihren Produkten an den Tag legen, ist das nach Ansicht von Michael Peer nicht machbar.
Pfandsystem sinnvoll
Und obwohl Forschungseinrichtungen wie das Fraunhofer UMSICHT in Sachen Recycling noch vor großen Herausforderung stehen und vermutlich immer stehen werden, findet Michael Peer ein Pfandsystem für Elektroschrott sehr sinnvoll. Denn damit bleiben die Rohstoffe im Land. Doch eine wichtige Voraussetzung muss erfüllt sein: Das Recycling des Elektroschrotts muss in einem hochentwickelten Land passieren, weil dort die Schadstoffentfrachtung sicher abläuft.
Peer erklärt das am Beispiel eines Fernsehers. Das Leuchtmittel darin enthält Quecksilber. In Deutschland wird das Gerät in eine Kammer eingelegt, der Bildschirm wird herausgefräst, das Leuchtmittel fachgerecht entsorgt. Gleichzeitig wird die Kammer abgesaugt, so dass für die Beschäftigten die geringstmögliche Belastung entsteht.
Landet so ein Fernseher in Ghana und wird mit dem Hammer zertrümmert, um die wertvolle Leiterplatte zu entnehmen, geht unweigerlich das Leuchtmittel kaputt und Quecksilber entweicht. Die Arbeiter:innen wissen vermutlich, dass das unglaublich schädlich ist, aber sie haben leider keine andere Alternative.
Recycling von Elektroschrott ist also sowohl für die Wirtschaft als auch für die Umwelt sehr sinnvoll und die Einführung eines Pfandsystems für Elektrogeräte würde dem auch zu Gute kommen. Aber damit alles reibungslos funktioniert, muss an vielen Stellschrauben gedreht werden. Ohne eine gute Zusammenarbeit von Forschung, Politik und Wirtschaft könnte viel vorhandenes Potenzial verloren gehen.
JeS
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