Studie Forschung gut und schön: Warum wir trotzdem glauben, was wir wollen
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07. Oktober 2021, 14:56 Uhr
Haben Sie noch einen Überblick, welche Corona-Regeln eigentlich wo gelten? Mit Maske oder ohne, 3G, 2G und so weiter… ganz schön schwierig, den Überblick zu behalten. Noch schwerer ist es wohl, zu entscheiden, wie sinnvoll welche Regel ist. Wäre es nicht hilfreich, wenn alle den Stand der Forschung verstehen und danach handeln würden? Doch das klappt leider nicht so ganz, zeigt eine aktuelle Untersuchung. Wir glauben nämlich lieber einfach das, was wir glauben wollen.
Die Corona-Pandemie ist in der Wissenschaft natürlich DAS Thema. Jeden Tag erscheinen zahlreiche Studien, und die lesen auch Menschen, die sich sonst kaum mit Forschung beschäftigen. Das birgt Konfliktpotential, meint der Kommunikationspsychologe Fabian Hutmacher von der Universität Würzburg. Warum? Teilweise werde dieselbe Studie völlig gegensätzlich interpretiert. Man hat eine Studie und zwei grundsätzlich verschiedene Schlussfolgerungen: "Diese Widersprüche aufzulösen und aus einer psychologischen Sicht zu analysieren, was da dahintersteckt und was vielleicht ein Ausweg aus solchen Debatten sein könnte - das war das ursprüngliche Forschungsinteresse."
Wie lesen Menschen Studien? Getestet am Thema Maskenpflicht
Das Forschungsteam hat für die Untersuchung ein besonders kontrovers diskutiertes Thema ausgewählt: die Maskenpflicht. Sie haben dafür mehr als 400 Personen eine Aufgabe gestellt, vom strikten Maskenverweigerer bis hin zum Maskenbefürworter. Die Versuchspersonen mussten zwei von den Forschenden manipulierte Studien zur Wirksamkeit des Maskentragens in der Schule bewerten. Die Zahlen der einen belegten, dass Masken die Infektionen wirksam eindämmen, die andere Studie sagte das Gegenteil.
Dr. Fabian Hutmacher schildert die Ergebnisse: "Aus der Antwort der Versuchspersonen auf diese beiden Studien konnten wir schließen, wie richtig oder wie objektiv die Versuchspersonen diese Studien verarbeitet und interpretiert haben." Dann schauten sich die Forschenden an, ob die richtige oder falsche Interpretation auch mit der Einstellung zur Maskenpflicht im Allgemeinen zusammenhängt. Das Ergebnis: Die Versuchspersonen haben die Informationen über die Pandemie nicht objektiv und rational verarbeitet, sondern ihre Bewertung war von der jeweiligen Einstellung maßgeblich beeinflusst. "Motiviertes Schlussfolgern" nennt man diesen Effekt in der Psychologie, erläutert Fabian Hutmacher. "Das heißt, Personen, die generell für eine Maskenpflicht sind, überschätzen die Evidenz und Leute, die gegen eine Maskenpflicht sind, unterschätzen die Evidenz. Unsere Informationsverarbeitung ist also immer beeinflusst von unseren Motiven, Zielen und Einstellungen."
Rationalität und bessere Statistik-Kenntnisse helfen
Oder anders gesagt: Wir neigen dazu, zu den Schlussfolgerungen zu gelangen, zu denen wir gerne kommen wollen. Im Falle der Pandemie wäre es aber besser, wenn wir uns rational verhalten und entscheiden würden, gibt Hutmacher zu bedenken. Trotzdem ist er optimistisch, denn die Studie habe auch gezeigt, dass diese verzerrte Informationsaufnahme sich ändern lasse: "Wir haben bei den Versuchspersonen noch erfasst, wie ausgeprägt ihre Fähigkeiten sind mit Zahlen und Statistiken umzugehen und je besser die Fähigkeiten sind, desto geringer ausgeprägt ist dieses Muster. Wer sich besser mit Zahlen und Statistiken auskennt, verarbeitet diese Informationen oder Studien objektiver und rationaler." Was also hilft, ist Wissen darüber, wie man Statistiken richtig lesen und interpretieren kann. Deshalb müsse langfristig versucht werden, die Ausbildung beim dem Thema zu verbessern, so dass möglichst viele Menschen in die Lage versetzt werden, diese Informationen möglichst rational verarbeiten zu können. Das sei aber ein langfristiges Projekt, räumt Hutmacher ein. Kurzfristig helfe wohl erst einmal nur, Forschungsergebnisse so verständlich wie möglich zu kommunizieren.