Partnerschaft Rosarote Brille? Gestresste Menschen sehen Partnerin oder Partner in einem negativeren Licht
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26. September 2022, 18:42 Uhr
Wenn Stress zu einem Dauerzustand wird, wirkt sich das auch auf die Beziehung aus. Gestresste Menschen verlieren offenbar den Blick fürs große Ganze und konzentrieren sich auf die negativen Seiten einer Partnerin oder eines Partners. Besonders in Pandemie-Zeiten ist das ein Problem.
Gut: Anständige Partnerinnen und Partner wissen, wie sie sich gegenüber ihrem Herzblatt zu verhalten haben: dann, wenn’s auf der Arbeit mal wieder unanständig stressig ist. Zum Beispiel ist es hilfreich, den beruflichen Druck nicht in die Beziehung einzubringen. Ratsam, aber nicht immer so einfach. Erst recht nicht so einfach ist das, was unter der Gemütsschale passiert: also wie wir unsere Partnerin oder unseren Partner überhaupt wahrnehmen, wenn es uns nicht so gut geht.
Wenn es im Leben stressig läuft, ändert das offenbar die Art und Weise, wie wir die Liebste oder den Liebsten sehen – und welche negativen Eigenschaften dieser Person uns besonders ins Auge springen. Das legen Daten einer aktuellen Studie der University of Texas in Austin nahe. "Wir haben herausgefunden, dass Personen, die von stressigeren Lebensereignissen außerhalb ihrer Beziehung berichteten, wie zum Beispiel Probleme bei der Arbeit, besonders wahrscheinich bemerkten, wenn ihre Partnerin oder ihr Partner sich rücksichtslos verhielt", so Hauptautorin Lisa Neff. Zu solchem Verhalten zählen das Brechen eines Versprechens, das Zeigen von Wut oder Ungeduld oder das Kritisieren des Ehepartners oder der Ehepartnerin.
Fokus auf junge Eheleute
Eventuell heißt das: Wenn Sie die Chefin rundgemacht hat und der Partner beim Abendessen das Glas mit Tomatenaufstrich entleert, obwohl Sie auch noch gern etwas aufs Brot gehabt hätten, ist dieser Umstand an diesem Tag besonders schlimm – unabhängig davon, ob Ihr Partner Sie zur Begrüßung fest umarmt und ein Küsschen auf den Mund gegeben hat. Oder wie? Nun, ganz so einfach ist’s dann doch nicht.
Der Reihe nach: Die Studienteilnehmenden mussten zunächst über belastende Ereignisse in ihrem Leben berichten und anschließend anderthalb Wochen lang jede Nacht einen Fragebogen ausfüllen. Dort wurde das eigene Verhalten dokumentiert – und das der Partnerin oder des Partners. An der Studie nahmen 79 Paare teil – allesamt heterosexuell und frisch verheiratet. Dass die Paare frisch vermählt waren, mache die Untersuchung besonders interessant, so Lisa Neff. Während der "Flitterwochen" würden sich Paare nämlich häufig auf das positive Verhalten der oder des anderen konzentrieren und negative Handlungen übersehen.
Pandemie-Stress wirkt noch nach
Allerdings, und das ist der springende Punkt, reicht es nicht, wie im Beispiel oben mal eben einen schlechten Tag gehabt zu haben, um die negativen Handlungen der Partnerin oder des Partners so deutlich vor Augen geführt zu bekommen. Es ist vielmehr der latente oder chronische Stress: "Für viele Menschen waren die letzten Jahre schwierig - und der Stress der Pandemie wirkt noch nach", so Neff. "Wenn der Stress die Aufmerksamkeit des Einzelnen auf das rücksichtslosere Verhalten seiner Partnerin oder seines Partners lenkt, kann dies die Beziehung belasten." So könne eine längere Anhäufung von stressigen Lebensumständen die Verschiebung des Fokus bewirken.
Die Ergebnisse empfehlen sich für allerhand weiterführende Forschungen: Zum Beispiel, ob die Auswirkungen von Stress bei weniger Frischvermählten noch drastischer sind. Helfen könnte, so die Forschenden, das eigene Verhalten und den Stress als Paar zu reflektieren, das Verhalten zu ändern und Schaden für die Beziehung abzuwenden. Inwieweit das tatsächlich gelingt, müssen ebenfalls Folgeuntersuchungen zeigen. Bis dahin ist es ratsam – so als Pro-Tipp – sich in taffen Zeiten einfach mal den stressreduzierenden Teil einer Beziehung zu Nutze machen. Soll heißen: Köpfchen auf den Schoß und kraulen lassen.
flo
Links/Studien
Die Studie When Rose-Colored Glasses Turn Cloudy: Stressful Life Circumstances and Perceptions of Partner Behavior in Newlywed Marriage erschien am 26.9. im Fachjournal Social Psychological and Personality Science.
DOI: 10.1177/19485506221125411
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