Fischerei Ostsee: Dorsch und Hering adé
Hauptinhalt
21. November 2020, 12:00 Uhr
Heringsbrötchen, Dorschfilet: Mögen viele gern auf dem Teller, ist aber bald vielleicht nicht mehr als eine leckere Erinnerung. Denn es steht schlecht um die Fische in der Ostsee.
Nach Jahrzehnten der hemmungslosen - und meist illegalen - Überfischung, nach andauernden Mahnungen der Experten, nach immer mehr angepassten Fangquoten, weiteren Studien, ist es nun soweit: Der Nachwuchs von Dorsch und Hering in der westlichen Ostsee ist nahezu zusammengebrochen. Es heißt, dass damit der gesamte noch verbliebene Bestand extrem gefährdet ist, bis hin zum Totalausfall der gesamten Populationen.
Auch der Klimawandel mit seinen viel zu warmen Wintern trägt zur Gesamtsituation bei. Schon im Jahr 2012 hatte Claus Ubl vom Deutschen Fischerei-Verband gewarnt:
Der Fischereiindustrie geht es so in Deutschland, dass sie mit dem Rücken zur Wand steht.
Die Überfischung in der westlichen Ostsee ist ein altes Problem. Es wurde zu viel Fisch zu lange nahezu ohne Kontrolle aus dem Meer geholt, zum Teil mit Schleppnetzen, die den Meeresboden aufrissen. Das mahnte auch Markus Knigge an, Sprecher von OCEAN 2012, einem Bund von über 160 NGOs, die die destruktiven Fischfangmethoden einstellen wollten. Er sagt, es sei nötig Fischereiaktivitäten kurzfristig zu reduzieren, wenn man langfristig wieder mehr fangen wolle. Auch wenn das zeitweise mit ökonomischen Einbußen einhergehe.
Ich glaube, eines der wesentlichen Probleme ist, dass Überfischung schon so lange stattgefunden hat, dass das fast als Status Quo akzeptiert wird.
Das "Dorschwunder" von 2015
2015 hieß es, die Herings- und Dorschbestände in der Ostsee hätten sich erholt. Christoph Zimmermann vom Johann Heinrich von Thünen-Institut, einem der vier Bundesforschungsinstitute für Ländliche Räume, Wald und Fischerei in Braunschweig, sprach damals für die Dorschbestände in der östlichen Ostsee von einem "Dorschwunder".
Dieser Bestand war viele Jahre schwer überfischt. Die Ursachen waren, dass das Fischereimanagement die Fangquoten grundsätzlich zu hoch festgesetzt hat und zusätzlich 35 bis 45 Prozent zu den eh schon zu hohen Fangquoten illegal entnommen wurden. Unter den Bedingungen hat sich der Dorschbestand nicht erholen können.
2016 Dorschfang-Menge halbiert
Dem Fischbestandswunder in der östlichen Ostsee, also um Rügen und den Darß herum, stand die Stagnation des Dorsch- und Heringsnachwuchses in der westlichen Ostsee, also vor Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern, entgegen. 2015 wuchsen die Populationen dort überhaupt nicht.
Im Jahr 2016 darauf sanken die Fänge um mehr als die Hälfte, genauer gesagt um 56 Prozent gegenüber denen des Vorjahres. Politiker beschlossen eine "schmerzhafte, aber angesichts der Bestandssituation erforderliche Quotenreduzierung". Dieser fast zehnjährige negative Trend ist nun für den Hering und Dorsch am Tiefpunkt angelangt. Prof. Thorsten Reusch vom GEOMAR-Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel:
Beide Bestände sind chronisch überfischt worden, obwohl jedes Jahr Quoten gesetzt wurden, die wahrscheinlich in der Rückschau zu hoch waren. Und jetzt haben wir die Situation, dass auch der Internationale Rat für Meeresforschung, der ICES, für den Hering Null-Fischfangquote empfiehlt, und für den westlichen Dorsch so in der Größenordnung von 5.000 Tonnen.
Beim Dorsch ist die Situation katastrophal, denn in den letzten fünf Jahren blieb der Nachwuchs aus, beim Hering lag der Nachwuchs in den letzten 15 Jahren so weit unter dem Populationsmittelwert, dass nunmehr der Bestand gefährdet ist. Doch damit nicht genug.
Unsere neuesten Untersuchungen bestätigen die Diagnose beim Nachwuchs für den Hering, aber auch beim Dorsch, weil die Nahrung für die Fischlarven fehlt. Aber weil wir außerdem gesehen haben, dass im Winter beide Bestände viel zu früh abgelaicht haben. Wenn sie zu früh ablaichen, dann kommt es zu einem sogenannten 'Miss-Match', das heißt, die Larven schlüpfen so früh, dass sie im Wasser keine Nahrung finden.
Die Ursache dieses verfrühten Ablaichens ist Reusch zufolge eine altbekannte, nämlich eine indirekte Folge des Klimawandels.
Dieser Winter war in der westlichen Ostsee sehr, sehr mild, einer der mildesten Winter der vergangenen Jahrzehnte, und das hat dazu geführt, dass die Elterntiere ihr Laichgeschäft zu früh begonnen haben.
Rippenqualle als Nahrungskonkurrent
Dazu kommt noch die aus Nordamerika eingeschleppte Rippenqualle, die auch "Meerwalnuss" genannt wird. Sie vermehrt sich massiv im warmen Wasser, und konkurriert nun mit den wenigen verbliebenen Dorsch- und Heringslarven um das Futter-Plankton. Alle Anzeichen deuten darum darauf hin, heißt es aus dem Geomar-Zentrum, dass es bei Dorsch und Hering in diesem Jahr keinen Nachwuchs geben wird.
Unsere Studien bestätigen also die Diagnose des Rats für Meeresforschung, allerdings würden wir auch für den Dorsch, statt den 5.000 Tonnen, jetzt für angezeigt halten, zu einem Moratorium zu kommen.
Für das kommende Jahr 2021 haben die EU-Agrarminister im Oktober 2020 eine um 50 Prozent geringere Fangquote als im Vorjahr für den westlichen Hering beschlossen. Schollen, Sprotten und der westliche Dorsch dürfen befischt werden, sogar um bis zu sechs Prozent mehr noch als zuvor. Was auch immer dann die Fischer aus dem Meer holen, Dorsch und Hering kann es dann nicht mehr sein.
Not Found
The requested URL /api/v1/talk/includes/html/20fe6b0b-0042-4f30-9d67-a3f7e3d102e7 was not found on this server.