Leibniz-Forscher vermuten Schwarzmundgrundel sorgt für Vibrionen-Anstieg in der Ostsee
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20. November 2020, 08:46 Uhr
Der Fisch ist klein, invasiv und gilt als Winterreservoir für Vibrio-Bakterien. Leibniz-Forscher aus Warnemünde vermuten deshalb, dass die Schwarzmundgrundel für den gefährlichen Vibrionen-Anstieg im Sommer in der Ostsee mitverantwortlich ist.
Dass der Klimawandel die Bakterienflora in der Ostsee beeinflusst, sorgt in den Sommermonaten zunehmend für Schlagzeilen. Der Temperaturanstieg begünstigt die Vermehrung sogenannter Vibrionen. Das sind salzbedürftige Bakterien, die ganz normal in der Ostsee vorkommen, sich jedoch bei Temperaturen von über 20 Grad Celsius besonders stark vermehren. Und diese warmen Perioden nehmen ständig zu. So haben sich die Zeiträume, in denen Vibrionen in der Ostsee aktiv sind, seit den 1980er-Jahren bereits verdoppelt – auf 107 Tage etwa im Jahr 2018.
Infektionsgefahr steigt
Damit steigt allerdings auch die Infektionsgefahr für stark gefährdete Personengruppen. Denn drei der in der Ostsee vorkommenden Vibrionenarten gelten als pathogen, also als potentiell krankheitserregend. So drohen etwa immungeschwächten Menschen bei einer Infektion mit dem Bakterium Vibrio vulnificus im schlimmsten Falle schwere Wundinfektionen, Sepsis und gegebenenfalls ein Multiorganversagen. Zwar wurden seit 2003 erst 46 derartige Erkrankungen in Mecklenburg-Vorpommern registriert, allerdings endeten sieben davon tödlich.
Rückzugsgebiete von Vibrio-Bakterien
Umso wichtiger ist es vor diesem Hintergrund, genaueres über die Vibrionen-Reproduktion in Erfahrung zu bringen. Der Mikrobiologe Prof. Dr. Matthias Labrenz vom Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde und sein Team haben sich ausgiebig mit der Thematik beschäftigt. Sie wollten unter anderem auch wissen, wo die Bakterien an der Ostseeküste überwintern und wie es ihnen gelingt, sich im Sommer relativ schnell wieder zu vermehren. Neben dem bereits als Winter-Rückzugsgebiet von Vibrionen vermuteten Sediment, wiesen die Forscher auch Vibrio-Bakterien auf und in Fischen nach.
Schwarzmundgrundel als "ideales Habitat"
Ein Fisch erregte dabei die besondere Aufmerksamkeit der Leibniz-Forscher. Die Schwarzmundgrundel (Neogobius melanostomus), ein ursprünglich aus dem Schwarzen Meer eingeschleppter kleiner Speisefisch, scheint ein "Organismus [zu sein], den Vibrionen allgemein schätzen", wie Studienleiter Labrenz MDR WISSEN sagte. Im Vergleich zu Dorsch und Hering seien die Vibrio-Fallzahlen bei der Grundel auch im Winter sehr hoch gewesen, so der Mikrobiologe.
Grund dafür dürfte vor allem die Lebensweise der invasiven Fischart sein, die sich seit den 1990er-Jahren auch in Donau und Elbe und an den Küsten der Ostsee ausbreitet. Der maximal 22 Zentimeter lange Fisch lebt in der Ostsee küstennah am Meeresboden und zwischen Steinen. Er ist standorttreu und wandert nicht so weit. "Für Vibrio-Bakterien in ihrer Winterruhe ist die Schwarzmundgrundel als Bodenfisch, der sich viel in der Nähe des Sedimentes aufhält und dieses bei der Nahrungssuche auch aufnimmt, offenbar ein weiteres ideales Habitat“, erklärt Labrenz. Die Fische selbst würden allerdings nicht an dem Bakterium erkranken.
"Winterreservoir für Vibrionen"
"Was wir annehmen, ist dass die Grundel eine Art Winterreservoir für Vibrionen bietet, sodass die Zellzahl der Bakterien im Sommer insbesondere in Küstennähe relativ schnell wieder ansteigt", beschreibt Labrenz seine These.
Die Grundel wäre damit Teil eines fatalen sogenannten Plus-Plus-Effektes: Während die Erwärmung der Ostsee die Vibrionen in den immer länger und wärmer werdenden Sommerperioden prächtig gedeihen lässt, sorgt eine invasive Art wie die Grundel dafür, dass die Bakterien gut über den Winter und im Sommer in Küstennähe schnell zur Ausbreitung kommen. Tragischerweise genau dort, wo sich dann auch Badegäste und Wassersportler tummeln.
(dn)
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