Mehr Schatten als Licht Forscher sehen 49-Euro-Ticket kritisch

03. November 2022, 14:57 Uhr

Auf das 9-Euro-Ticket vom Sommer soll ein 49-Euro-Ticket für den bundesweiten Nahverkehr folgen. Darauf haben sich Bund und Länder geeinigt. Forscher sehen die Entscheidung auch kritisch, denn es blieben viele Fragen offen und es sei nur ein kleiner Schritt in die richtige Richtung.

"Der Schwung aus dem Sommer konnte nicht mitgenommen werden", so kommentiert Mobilitätsforscher Andreas Knie die Entscheidung gegenüber dem Science Media Center. Knie ist Professor am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung und leitet dort die Forschungsgruppe Digitale Mobilität und gesellschaftliche Differenzierung. Er sieht das Deutschlandticket für 49 Euro nur als kleinen Schritt in die richtige Richtung. Ein bundesweit einheitlicher Tarif sei zwar gut, so der Forscher. Aber jetzt stelle sich die Frage: "Wofür brauchen wir dann noch die Verkehrsverbünde?" Ein Monatspreis von 29 Euro wäre besser gewesen und das aus mehreren Gründen. Zum einen sind 49 Euro gegenüber einer Reihe von bestehenden Angeboten nicht deutlich billiger, so Knie. Außerdem fehle die erste und letzte Meile, "also die Wege zu und von den Haltestellen – sowie der Fernverkehr".

Das Deutschlandticket für 49 Euro ist nur ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, der Schwung aus dem Sommer konnte nicht mitgenommen werden.

Prof. Andreas Knie, Mobilitätsforscher

Umfragen zeigen: 49 Euro sind akzeptabel

49 Euro liegen als Preis allerdings in dem Bereich, den Verkehrsforscher bei Umfragen als akzeptabel ermittelt haben, so Dr. Jan Schlüter von der TU Dresden. Der Leiter der Forschungsgruppe "Flexible Transport Systems and Complex Urban Dynamics" hält die Entscheidung daher für einen ausgewogenen Kompromiss. Doch diese Ergebnisse müssten mittelfristig erneut überprüft werden, da "diese erfragten Preise im Rahmen steigender Energie- und Transportkosten ermittelt worden sind", so der Forscher. Dennoch sieht er das Deutschlandticket als "einen wegweisenden Schritt zur vereinfachten, nachhaltigen und sozial gerechten Mobilitätswende".

Geld für Infrastruktur fehlt

Noch seien nicht alle Details klar, so Dr. Christian Böttger von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. Der Professor am Fachbereich Wirtschaftsingenieurwesen sieht dennoch "mehr Schatten als Licht". Die Unterstützung der Politik für den öffentlichen Verkehr sei natürlich zu begrüßen, aber in dieser Form nicht zielgerichtet. Böttger: "Für viele Nutzer in den Städten wird sich wenig ändern – der Preis liegt im Bereich heutiger Abopreise in den Städten. Große Profiteure sind Fahrgäste im 'Speckgürtel', die lange Strecken pendeln und eher nicht zu den sozial Benachteiligten gehören. Ihre Fahrpreise sinken deutlich."

Neben der Frage, wie das Modell umgesetzt wird, etwa monatsweise oder nur im Abo, sieht Böttger auch bei der Finanzierung "große Fragezeichen", vor allem, da keine Mittel in Sicht seien, "um Kapazität und Qualität des öffentlichen Verkehrs auszubauen". Der Sommer habe gezeigt, dass auf vielen Strecken die Kapazität der Eisenbahn erschöpft sei. "Leider ist es ein gängiges Muster der Politik, die Wähler lieber kurzfristig mit konsumptiven Subventionen zu erfreuen, als Geld in den Ausbau der Infrastruktur zu investieren."

smc/gp