Grünes Methanol als Treibstoff der Zukunft Energiewende: Wie der Wind in Ihren Tank kommt
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25. Juni 2020, 14:40 Uhr
Forschern aus Stralsund und Entwicklern aus Leipzig ist es jetzt gelungen: Sie können Wind in flüssiges Methanol verwandeln. Ein Durchbruch – für den Verkehr und die Speicherung von Windenergie.
Es wirkt fast wie ein Wunder, als ob Stroh zu Gold gesponnen würde. Wind wird eingefangen, umgewandelt und treibt schließlich als flüssiger Kraftstoff Maschinen an. Was wie ein modernes Märchen klingt, ist jetzt Wissenschaftlern der Hochschule Stralsund zusammen mit Entwicklern des Leipziger Unternehmens bse Engineering gelungen. Erstmals produzierten sie Methanol direkt aus Wasserstoff (H₂) und Kohlendioxid (CO₂) – ohne die sonst erforderliche aufwendige und kostspielige Pufferspeicherung.
Wasserstoff als Energieträger für die Wirtschaft
"Mit diesen Verfahren erschließen wir dem Wasserstoff als Energieträger ein neues Anwendungsfeld mit globalem Markt“, sagte Johannes Gulden, Leiter des Stralsunder Instituts für Regenerative EnergieSysteme (IRES). Weil jetzt bewiesen sei, dass die Umwandlung von Wasserstoff in Methanol keine Pufferspeicherung mehr benötige, sei dem "Einsatz von Wasserstoff als Energieträger im Transportsektor und anderen großen Wirtschaftsbereichen die größte Hürde genommen".
Umwandlung in hauseigener Methanol-Synthese-Anlage
Die Stralsunder Forscher wandelten den Wasserstoff in der hauseigenen Methanol-Synthese-Anlage mit einem thermochemischen Verfahren um. Zusammen mit den Leipziger Entwicklern gelang es, Windstrom in erneuerbares, regeneratives Methanol umzuwandeln. "Nach zwei Jahren Konstruktion und Bau läuft die Anlage jetzt. Das ist ein großer Schritt für diese Art der Energiespeicherung", erklärte IRES Ingenieur Andreas Sklarow. Mit der nun einwandfrei funktionierenden Anlage könne die Energiegewinnung und Energiespeicherung "direkt von der Elektrolyse auf die Synthese überführt werden".
Flüssiges Methanol als Kraftstoff für direkte Verbrennung
Diese Umwandlung von Wasserstoff in flüssiges Methanol gilt unter Experten als Baustein für einen Durchbruch in der Energiewende. Flüssiges Methanol lässt sich als Energieträger gefahrlos transportieren und lagern. Als zentrale Grundchemikalie der Industrie kann Methanol zudem als Kraftstoffzusatz heute schon für die direkte Verbrennung in Motoren eingesetzt werden und wird damit hochinteressant für die gesamte Industrie. "Deshalb ist die Umwandlungsmöglichkeit von H₂ zu Methanol so wichtig", schreiben die Forscher.
Niedrigere Investitionskosten
Es gibt noch einen entscheidenden Vorteil des Methanol-Verfahrens. Gegenüber der Umwandlung von Wasserstoff in Methan wird ein Wasserstoffatom weniger benötigt, damit ist es finanziell günstiger. "Power-to-Methanol hat im Vergleich zu Power-to-Methan ein besseres C-H-Verhältnis, denn immerhin wird auch ein Wasserstoffatom weniger benötigt. Dies reduziert die Investitionskosten bei der Elektrolyse um 25 Prozent", heißt es in der Mitteilung der Forscher.
Windenergie aus Mecklenburg-Vorpommern kann auch in Bayern genutzt werden
Doch was bedeutet die Fähigkeit, Wind in Methanol umzuwandeln, in der Praxis? Weil Methanol als "flüssiger Strom" problemlos transportiert werden kann, kann zukünftig in Mecklenburg-Vorpommern über Windanlagen produzierter Strom zum Beispiel nach Bayern transportiert werden. Eine Lösung für ein lange existierendes Problem.
Die Energiewende kann uns gelingen, wenn wir die vorhandenen und teilweise ungenutzten Ressourcen Strom und Kohlendioxid dazu verwenden, in der vorhandenen Infrastruktur fossile Energieträger zu ersetzen.
Verfahren eignet sich auch auf Rückverstromung
Das in Stralsund entwickelte Verfahren funktioniert auch umgedreht. Überschüssig produziertes Methanol kann mit der Rückverstromung direkt wieder in Elektrizität (und Wärme) verwandelt werden, erklärten die Forscher. Eine Anpassung der Infrastruktur in der Energiebranche sei indes nicht notwendig, "da Methanol als etablierter Energieträger bereits umfangreich zum Einsatz kommt".
Viel Windenergie wird nicht genutzt
Bislang bleibt die Windenergie oft ungenutzt. Bei starkem Wind und ausreichender Stromproduktion werden die Anlagen ausgeschaltet, obwohl man weiter Strom gewinnen könnte. Das Problem: Der Strom kann schlecht gespeichert und transportiert werden, gegen Hochspannungsleitungen gibt es Proteste. Zudem reicht die Nachfrage zum Beispiel im Verkehr nicht. Zu viel grüner Strom flutet den Markt, doch zu wenige Autos nehmen beispielsweise den Strom ab. "Hier dominiert noch immer die Vorliebe zum Verbrenner", erklärt Christian Schweizer, bse-Geschäftsführer. Weil die Klimaziele im Transportsektor noch nicht erreicht worden sind, habe es dort viele Initiativen gegeben.
Methanol als potenzielles neues Benzin
Er selbst habe mit den Stralsunder Forschern vor sechs Jahren angefangen nachzudenken, wie man Strom transportieren und in den Transportsektor integrieren kann – ohne neue Infrastruktur. Schon heute wird fossiles Methanol im Benzin als Zusatz verwendet. "Dieser Anteil könnte durch regeneratives Methanol ersetzt werden", erklärt Schweizer. Zudem gebe es schon Trends und Forschung, um Methanol direkt als Treibstoff zu verwenden. Dazu müssten z.B. die Otto-Motoren technisch leicht angepasst werden.
Wo liegt das Potenzial?
Regeneratives Methanol verspricht nicht nur im Treibstoff-Bereich an Land viel Potenzial, auch in der Schifffahrt könnte es zu einer ökologischen Revolution führen. "Die Schifffahrt lässt sich nicht elektrifizieren", erklärt Schweizer. Schon jetzt gebe es Ideen, regeneratives Methanol als Treibstoff für Containerschiffe zu nutzen und zukünftige Kreuzfahrtschiffe komplett mit Methanol zu fahren. Eine erste mit Methanol betriebene Fährlinie fahre bereits zwischen Kiel nach Göteburg. "Der Vorteil ist: Methanol steht in jedem Hafen", erklärt Schweizer. Die Forschung zur Anwendung in der Industrie sei noch ausbaufähig, es gebe viele Möglichkeiten. Theoretisch könnten auch die Gasturbinen der Stadtwerke auf Methanol umgerüstet werden.
Methanol-Umwandlungsverfahren kann in Biomassekraftwerken verwendet werden
Laut bse-Geschäftsführer Schweizer seien die Entwickler bereits im Gespräch, um nach dem Test am Stralsunder Institut industrielle Anlagen zu entwickeln. Derzeit würden dezentrale Anlagen (10 Megawatt bis 100 Megawatt) im Kontext mit Papierfabriken, Biomassekraftwerken, Windparkbetreibern und Müllverbrennungsanlagen geplant – überall dort, wo es Wasser-und Kohlenstoff als Rohstoffe gibt.
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