Raumfahrt Das Weltraumjahr 2021: Außerirdische Höhepunkte

10. April 2024, 16:43 Uhr

Die Silvester-Raketen sind kaum verklungen, da nehmen bereits ihre großen Schwestern Aufstellung: Auf den Startrampen dieser Welt, in Cape Canaveral, Kasachstan und Kourou, laufen die Vorbereitungen für die Raumfahrtmissionen des neuen Jahres. Die Wissenschaftler auf dem Boden freuen sich jetzt schon auf neue Einsichten und Nahaufnahmen von Welten, "die nie ein Mensch zuvor gesehen hat". MDR WISSEN blickt voraus auf einige der außerirdischen Höhepunkte der kommenden zwölf Monate.

Die Internationale Raumstation schwebt in 400 Kilometern Höhe über der Erde. Das Bild wurde 20. Februar 2010 vom Spaceshuttle "Endeavour" aufgenommen.
Die ISS, unser Außenposten im All, wird 2021 erweitert. Bildrechte: NASA

"3 ... 2 ... 1 ... we have ignition and lift off of the Soyuz rocket…"

Der Sprecher der US-Raumfahrtbehörde NASA hatte nicht zu viel versprochen, an jenem 31. Oktober des Jahres 2000. Eine "permanente Anwesenheit von Menschen im All" versprach er damals, beim Start der ersten Mannschaft zur neuen Internationalen Raumstation ISS. Und genauso sollte es kommen: Seit zwei Jahrzehnten ist die ISS nun ununterbrochen bemannt. Und während die einen bereits über ihr Ende nachdenken, will Russland die Station erweitern.

Die Russen haben in der Tat noch Module, die sie planen hochzuschicken.

Gerhard Thiele, Astronaut

Warum nicht, sagt der ehemalige deutsche Astronaut Gerhard Thiele: "Wenn ein Partner eine Vorstellung hat, die ein echter Zugewinn für die Station wäre, dass dann auch die Station noch mit dem einen oder anderen Modul weiter wächst." Im April wollen die Russen – nach jahrelangen Verzögerungen – endlich ein Forschungsmodul namens Nauka (auf deutsch: Wissenschaft) an die Station koppeln.

Starliner muss sich noch beweisen

Das würde auch gerne der US-amerikanische Luft- und Raumfahrtkonzern Boeing. Nur: Beim unbemannten Jungfernflug seines Starliners 2020 hatte die Kapsel noch nicht einmal die ISS erreicht; von Koppeln ganz zu schweigen. Im neuen Jahr will Boeing einen neuen Anlauf wagen. Dann will die Firma das leisten, was SpaceX – das private Raumfahrtunternehmen von Elon Musk – bereits seit Monaten vormacht: die ISS nicht nur mit Nachschub zu versorgen, sondern auch mit Astronauten. Der frühere deutsche Astronaut Thomas Reiter, der heute für die ESA arbeitet, begrüßt das. 

Boeing CST-100 Starliner
Boeings Versuch, ins Geschäft mit der bemannten Raumfahrt einzusteigen: der Starliner Bildrechte: imago images/UPI Photo

Diese Vielfalt, die da entsteht, ist erst einmal eine gute Entwicklung. Es sind alles Firmen, die sehr solide sind, die technische Expertise haben.

Thomas Reiter, ESA

Auch Boeing stehe da außer Frage, so Reiter. Und SpaceX habe in der Vergangenheit sehr eindrucksvoll bewiesen, dass sie die Raumfahrt beherrschen. "Also die Entwicklung finde ich erst einmal gut."

Rückkehr der Raumgleiter

Den "Trend zur Vielfalt" möchte – neben SpaceX und Boeing – im neuen Jahr ein drittes Unternehmen fortsetzen: Die Sierra Nevada Corporation, ein weiteres privates Raumfahrtunternehmen mit Sitz in Nevada will erstmals ihren geflügelten Raumgleiter Dream Chaser zur ISS schicken. Am Projekt ist auch der Weltraumkonzern OHB System in München beteiligt ist.

Der Dream Chaser – wie der Name schon sagt – jagt einen Traum. Der Traum ist im Prinzip, einen Zugang zum All zu haben, der kommerziell bezahlbar ist. 'Zum All' heißt in den niedrigen Erdorbit, in dem sich momentan auch die ISS befindet.

Timo Stuffler, OHB München

Und auch die Europäische Weltraumagentur ESA hat etwas Neues geplant. Noch nicht die Ariane 6, deren Start eigentlich schon 2020 vorgesehen war, sondern die Vega C. Die Lastenrakete soll im zweiten Quartal 2021 zum ersten Mal starten kann. Ende des Jahres soll das neue James Webb-Teleskop vom europäischen Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana ins All starten. Das Teleskop ist ein gemeinsames Projekt von Nasa, Esa und der kanadischen Raumfahrtagentur CSA und Nachfolger des Hubble-Teleskops. Es soll das Verständnis der Entstehung von Galaxien, Sternen und Planeten erweitern.

Testflug zum Mond

Für Flüge tiefer hinaus ins All ist nach wie vor die NASA zuständig. Und so soll im neuen Jahr erstmals die neue Riesenrakete SLS abheben. Das von NASA und Boeing gebaute Space Launch System werde eine unbemannte Orion-Raumkapsel auf einen Testflug einmal um den Mond herum schießen, sagt Kimberly Robinson vom Marshall Space Flight Center der NASA in Huntsville, Alabama.

Das Space Launch System wird es mit den Saturn-V-Raketen der 60er- und 70er-Jahre aufnehmen können. Das SLS wird auch so ähnlich aussehen. Nur werden wir es nicht schwarz-weiß anstreichen, sondern in seinen ursprünglichen Brauntönen belassen.

Kimberly Robinson, NASA

Das SLS sieht aus wie eine Saturn V mit zwei Zusatzraketen an den Seiten, erklärt Robinson. Und in Erinnerung an die 70er-Jahre hat die NASA sie auch mit dem alten Wurm-Logo versehen (siehe Youtube-Video). "Es wird die schubstärkste Rakete werden, die je gebaut wurde. Die Orion-Kapsel wird – bei späteren Flügen mit Astronauten – ganz oben auf der Rakete sitzen."

Eigentlich sollten SLS und Orion bis 2024 US-Amerikaner zurück auf die Mondoberfläche bringen. Das kann die NASA jetzt etwas relaxter angehen. Der neuen Biden-Administration reicht das auch noch bis 2028.

Bis dahin dürfte wohl auch endlich Indien auf dem Mond gelandet sein. Die Sonde Chandrayaan-1 hatte ihn bereits erfolgreich umkreist; 2020 sollte die Nachfolgemission Chandrayaan-2 dafür sorgen, dass Indien die  vierte Nation wird, die auf dem Mond landen kann – wurde sie aber nicht. Der Lander zerschellte beim Aufprall auf der Mondoberfläche. 2021 will Indien es erneut probieren: Wahrscheinlich im März soll Chandrayaan-3 starten und noch einmal versuchen, heil auf dem Mond aufzusetzen.

Und auch Russland will zurück zum Mond. Der Chef der Raumfahrtbehörde Roskosmos, Dmitri Rogosin, kündigte an, mit den Plänen etwa für Russlands Mond-Programm durchzustarten. Dazu soll im Herbst 2021 erstmals seit 45 Jahren wieder eine Mondmission – die Raumsonde "Luna 25" – starten. In Etappen will Russland bis 2040 auf dem Erdtrabanten eine Raumstation errichten.

ISS – wir kommen

Astronaut Matthias Maurer
2021 wird sein Jahr: Astronaut Matthias Maurer soll zur ISS fliegen Bildrechte: ESA/Sabine Grothues

Und das sind nur einige der Starts, die anstehen. Auch Europa wird 2021 wieder Astronauten ins All schicken.  Der Franzose Thomas Pesquet und der Deutsche Matthias Maurer sollen zur ISS fliegen. Der Franzose soll bereits im Frühjahr ins All starten, der Saarländer im Herbst. "Cosmic Kiss", kosmischer Kuss, heißt Maurers Mission. Der ungewöhnliche Name ist der Europäischen Weltraumorganisation Esa zufolge eine Liebeserklärung an den Kosmos. Ein halbes Jahr lang soll Maurer auf der Internationalen Raumstation leben und arbeiten.

Und die ISS wird Ende 2021 auch wieder einen Weltraumtouristen begrüßen. Seit der ersten Reise des US-Amerikaners Dennis Tito 2001 hat Russland insgesamt sieben Touristen zur ISS gebracht, den letzten 2009. Die Kosten einer solchen Reise werden auf 50 Millionen Dollar geschätzt.

Starten sollen zudem die Arbeiten an einem Spielfilm des Regisseurs Klim Schipenko, von dem Teile im Kosmos gedreht werden. Der Streifen mit dem Arbeitstitel "Wysow" (Herausforderung) hat das Ziel, den Beruf des Kosmonauten heroisch darzustellen, wie Angaben Rogosins und des staatlichen TV-Sender Perwy Kanal schließen lassen. Auch die USA planen einen Dreh in der ISS. Hollywood-Star Tom Cruise soll eine der Hauptrollen übernehmen.

Mars macht mobil

Doch einige der größten Astro-Highlights 2021 gibt es bereits im Februar, wenn sich alle Augen auf den Mars richten. Dann soll der NASA Rover Perseverance dort eintreffen, der mit Ingenuity einen Helikopter an Bord hat und Technik aus Jena.

Mars Helicopter Ingenuity 1 min
Bildrechte: NASA

Auch die chinesische Raumsonde Tianwen-1 wird dann unseren Nachbarplanten erreichen und soll nach gründlichem Studium im Mai ebenfalls einen Rover auf dem roten Planeten absetzen. Die dritte Sonde, die nach derzeitigem Plan am 9. Februar ankommen wird, stammt von den Vereinigten Arabischen Emiraten (UAE). Es ist die Hope Mars Mission, die den Planeten umkreisen und aus dem All erkunden soll.  "Hope" soll helfen, das erste vollständige Bild des Mars-Klimas über ein komplettes Mars-Jahr zu erfassen.

Viel los also im Sonnensystem, im neuen Weltraumjahr 2021.

(gm/gp)