NASA-Satelliten zeigen, wie der Mensch die Erde verändert hat
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27. September 2021, 11:56 Uhr
Der nächste Erdbeobachtungssatellit zur zivilen Nutzung soll am 27. September ins Weltall aufbrechen: Landsat-9. Seit 1972 ist die Satelliten-Reihe im Dienst und es ist das einzige amerikanische Programm, dass sich die globale Landveränderung durch den Eingriff des Menschen vom All aus anschaut.
Kennen Sie das Anthropozän? Es ist das Zeitalter des Menschen auf unserem Planeten. Kein Lebewesen zuvor hat die Erde je so verändert. 30 Billionen Tonnen menschengemachter Dinge gibt es auf ihr, haben Forschende vor ein paar Jahren errechnet. Sie nennen das die Technosphäre. Seit dem ersten Satellitenbild der Erde am 1. April 1960 können wir diese Veränderungen aus dem All beobachten. Kein Programm hat das genauer getan, als die Landsat-Satelliten der NASA.
Seit fast 50 Jahren beobachtet das Landsat-Programm die Veränderung der Erde vom Weltall aus. Welchen Vorteil die Daten bringen, erklärt unter anderem Donal Bisanzio gegenüber der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA anhand eines Beispiels, das dank Corona jeder versteht: "Mit Hilfe von Landsat-Bildern kann ein Epidemiologe dynamische Vorhersagemodelle erstellen, die plötzliche Umweltveränderungen berücksichtigen, die das Risiko einer Krankheitsausbreitung erhöhen können." Bisanzio ist der leitende Epidemiologe bei RTI International, einem unabhängigen Forschungs-Institut in North Carolina/USA.
Ein weiteres Beispiel bringt Doug Morton, der Leiter des Biospheric Sciences Lab am Goddard Space Flight Center, ebenfalls in den USA: "Ohne Landsat hätten wir nicht die Aufzeichnungen, die wir heute über die Entwaldung und die sich verändernde Landwirtschaft in einem riesigen und wichtigen Biotop haben."
Doch was ist Landsat überhaupt? Die US-Erdbeobachtungssatelliten der Landsat-Reihe wurden für Forschende, Unternehmen, aber auch Privatpersonen entworfen, die mittels der Satellitenbilder Veränderungen der Erde miterleben können.
Es geht um Küstenregionen, die jedes Jahr mehr Zentimeter Landmasse verlieren, aber auch um die kontinentalen Erdoberflächen. Der Mensch greift tagtäglich in die Natur ein, neue Gebäude werden gebaut, Wälder abgeholzt, neue Ackerflächen erschlossen – all das wird mit den Aufnahmen von Landsat festgehalten und der Öffentlichkeit kostenlos zur Verfügung gestellt. Der erste Landsat wurde 1972 ins All gebracht. Am 23. September soll der nächste Satellit starten: Landsat-9.
Wofür ist das Landsat-Programm gut?
Das Landsat-Programm ist das einzige US-Satellitensystem, das zur Beobachtung der globalen Landoberflächen entwickelt wurde. Dabei blickten die Satelliten sowohl auf die vom Menschen veränderten als auch auf die natürlich erhaltenen Landoberflächen herab. Die globale Veränderung der Landnutzung hat tiefgreifende Folgen für das Wetter, das Klima, ganze Ökosysteme und ihre Funktionen.
Hinzu kommt noch die Erkenntnis, die vorhandenen Ressourcen besser zu nutzen – denn die sind endlich, wie der "Earth Overshoot Day" der WWF jedes Jahr deutlicher zeigt. An diesem Tag hat der Mensch mehr Ressourcen verbraucht, als innerhalb eines Jahr nachwachsen können. Für dieses Jahr wurde der Zeitpunkt am 29. Juli erreicht. Für Deutschland bereits am 5. Mai.
Das alles hat wiederum Auswirkungen auf die Wirtschaft, die Gesellschaft und die menschliche Gesundheit. Die Bedeutung dieses Satelliten-Programms erklärte John Grunsfeld, ehemaliger stellvertretender NASA-Administrator für Wissenschaft, auf der Internetseite der NASA:
Die Fortführung der kritischen Beobachtungen durch die Landsat-Satelliten ist jetzt wichtig, und ihr Wert wird angesichts der langfristigen Umweltveränderungen, die wir auf dem Planeten Erde beobachten, in Zukunft noch zunehmen.
Die Landsat-Ära
Seine Anfänge hatte das amerikanische Programm bereits während der Apollo-Ära. Der Landsat 1 hieß damals noch "Earth Resources Technology Satellite-1 (ERTS-1)", wurde aber drei Jahre nach seinem Start (1972) umbenannt. Er war bis 1978 in Betrieb und arbeitete parallel zum Landsat-2, der zwischen 1975 und 1983 die Erde beobachtete. Landsat-3 war zwischen 1978 und 1983 im Einsatz und Landsat-4 sendete zwischen 1982 und 1987 Daten zur Erde.
Mit 29 Jahren aktivem Einsatz im All ist Landsat-5 der Rekordhalter. Er wurde 1984 gestartet und bekam 2013 sein letztes Kommando. Der Landsat-6 Erdbeobachtungssatellit wurde dagegen beim Start im Jahr 1993 zerstört. Landsat-7 ist seit 1999 in Betrieb, seine Bilder weisen seit Ende 2003 aber eine schlechtere Qualität auf, da einer seiner Sensoren ausfiel. 2013 ist dann Landsat-8 gestartet. Laut der NASA fügte dieser Satellit über sieben Jahre lang mehr als 1,86 Millionen Bilder dem Archiv hinzu. Das entspricht fast 20 Prozent des gesamten Archivbestands.
Doch ohne eine besondere Frau wäre das ganze Programm vielleicht nie erfolgreich gestartet, erinnert sich Jeffrey Masek, NASA-Wissenschaftler am Landsat-9-Projekt: "Virginia Norwood hat den Weg für eine ganze Generation von Erdbeobachtungsinstrumenten geebnet."
Die Mutter des Landsat-Programms
Virginia Norwood gehörte zu denjenigen, die eine der wichtigen Komponente von Landsat entwickelten. "Zum Beispiel hat [der Landsat 9-Scanner] Tausende von Detektoren, die in einem 'Besenstiel'-Array [aufgereiht sind]. Ursprünglich hätte ich [den ersten Scanner] gerne auf diese Weise gebaut, aber ich hatte keine Chance, weil die [Schlüssel-]Technologie nicht verfügbar war", erzählte sie gegenüber Science Magazine.
Norwood wusste, dass die NASA dank der Anregung des Innenministeriums daran interessiert war, multispektrale Bilder der Erde aus dem Weltraum zu erfassen:
Ich habe versucht, eine Schnittmenge ihrer Bedürfnisse zu finden und die optimalen Spezifikationen für den Scanner selbst zu erstellen, die ein möglichst breites Spektrum an Anforderungen erfüllen.
Das Problem war, dass sie einen Scanner und keine Kamera entwerfen musste, was für die 1969er-Jahre ganz neue Herausforderungen mit sich brachte. Letztendlich gelang es ihr und der Sensor von Landsat-1 war ein Erfolg. Sowohl geometrisch als auch radiometrisch erfüllte der Sensor die Vorhersagen von Norwood und ihrem Team.
Umkreisung der Erde in schwindelerregender Höhe
Am 27. September wird Norwood in der ersten Reihe sitzen, wenn Landsat-9 von der Vandenberg Space Force Base um 20.11 Uhr (MESZ) abheben soll. Zu den Feierlichkeiten in der nahe gelegenen Stadt Lompoc, Kalifornien, gehört eine Veranstaltung unter dem Motto "Ladies of Landsat", bei der Pionierinnen wie Norwood ihre Geschichten erzählen werden.
Die NASA überträgt den Start live
Der Satellit wird dann in eine Höhe von 705 Kilometern über dem Meeresspiegel gebracht. In dieser Höhe befinden und befanden sich auch die anderen Satelliten der Landsat-Reihe. Nur Landsat eins bis drei umkreisten die Erde in einer Höhe von 907 bis 913 Kilometern.
Zum Vergleich: Die Internationale Raumstation ISS fliegt in einer Höhe von 408 Kilometern und das Hubble-Weltraumteleskop umkreist die Erde in circa 550 Kilometern über dem Meeresspiegel.
Das europäische Pendant zur Landsat
Ein ähnliches Programm wird von der europäischen Raumfahrtbehörde ESA seit 1998 geleitet: das Copernicus-Programm. Es sammelt Daten über Landoberflächen, Ozeane, die Atmosphäre und den Klimawandel. Einer dieser Satelliten ist der Sentinel-6 Michael Freilich. Er wurde am 21. November 2020 gestartet.
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