Internationale Raumfahrt und Corona Weltraumprogramme zwischen Weitermachen und Abwarten

23. März 2020, 10:15 Uhr

Riesengroße Raketen heben mit tosendem Donnern ab in Richtung Weltraum. An Bord befinden sich Experimente, Satelliten, Fracht und Menschen. Macht ein Virus der ganzen Industrie nun einen Strich durch die Rechnung? Wie steht es um die Raumfahrt in Zeiten von Corona wirklich?

Fast zwei Monate lag das öffentliche Leben in China still. Städte und ganze Provinzen waren abgeriegelt. Verblüffender Weise, hatte dies kaum Auswirkungen auf die chinesische Raumfahrtindustrie. Dieses Jahr hatte sie bereits fünf Raketenstarts und die Programme laufen weiter wie geplant. Doch der Launch ihrer Vorzeigerakete Langer Marsch 7 missglückte am Montag, den 16. März.

Russisch Roulette?

Der Raketenbauer Arianespace hält ebenfalls an seinen Plänen fest. Am 21. März wurden vom Weltraumbahnhof Baikonur (Kazakhstan) die nächsten OneWeb-Satelliten in den Orbit befördert. Als Trägerrakete kam eine russische Sojus-Rakete zum Einsatz. Die Internetsatelliten werden in den nahen Polarkreis-Orbit in Höhe von 450 Kilometern gebracht – die Internationale Raumstation ISS befindet sich auf 400 Kilometer Höhe.

Die russische Raumfahrtbehörde Roskosmos wird weiterhin am bemannten Raketenstart zur ISS am 9. April festhalten. Roskosmos will diesmal aber auf ein Medienspektakel verzichten, wie die Behörde in einer Pressemeldung bekannt gab. Der Start wird jedoch via Live-Stream übertragen.

The american way

Beim Launch zur ISS wird unter anderem der US-amerikanische NASA-Astronaut Chris Cassidy an Bord der Sojus-Rakete sein. Auch der Flugbetrieb von Cape Canaveral ist bisweilen nicht eingestellt. Ebenso wird an den Projekten "Mars 2020" und der Mond-Mission "Artemis" festgehalten.

Atlas V Rakete auf Startrampe, 2011
Eine Atlas V Rakete vor dem Start in Cape Canaveral. Bildrechte: imago images / UPI Photo

Dennoch nimmt die NASA die Situation ernst. "Wir werden uns um unsere Leute kümmern. Das ist unsere oberste Priorität", so der NASA-Administrator Jim Bridenstine am Freitag (20. März). Der Betrieb des James Webb Weltraumteleskopes wurde bereits eingestellt. Viele Tätigkeiten werden auf Homeoffice umgestellt. Bei praktischer Arbeit sieht Bridenstine die Lage aber "schwierig oder unmöglich", weshalb die Situation stetig neubewertet werde.

Das private Raumfahrtunternehmen SpaceX hält derzeit an seinen Raketenstarts fest – auch wenn der letzte Launch einer Falcon 9 durch eine vorzeitige Motorabschaltung abgebrochen wurde und die 60 neuen StarLink-Satelliten erst mit zwei Tagen Verzögerung am 18. März ins All geschossen wurden. Die United Launch Alliance – ein Dienstleister für Raketenstarts – steht im Austausch mit "Gesundheitsbehörden, Kunden, Auftragnehmern, Lieferanten und lokalen Behörden, um sicherzustellen", damit keine unnötigen Gefahren eingegangen werden, so die Pressesprecherin Heather McFarland.

Europa unter Quarantäne - Kourou stillgelegt

In Europa sieht die Lage ganz anders aus: Das öffentliche Leben liegt still, so auch die Raumfahrt. Das Satelliten-Kontrollzentrum in Darmstadt ist zurzeit nur notbesetzt. Selbst auf ferner gelegenen Gebieten ziehen die europäische Raumfahrtbehörde ESA und die jeweiligen Länder einen Stillstand vor.

Am Montag gab Arianespace bekannt, dass der Betrieb des südamerikanischen Raumhafens eingestellt wird – dem immerhin wichtigsten europäischen Launch-Platz. "Aufgrund der COVID-19-Pandemie und der Notwendigkeit, die von der französischen Regierung beschlossenen Maßnahmen vollständig umzusetzen, wurden die im Raumfahrtzentrum von Kourou in Französisch-Guayana laufenden Startkampagnen ausgesetzt", sagte die französische Startfirma.

Vor allem eine Sache stehe nun im Fokus: "Diese außergewöhnliche Maßnahme soll die Gesundheit der Mitarbeiter und der lokalen Bevölkerung schützen und gleichzeitig die Sicherheit gewährleisten, die für die Vorbereitung auf geplante Starts erforderlich ist."

Diese Mentalität zieht sich durch die europäische Weltraumgemeinschaft hindurch. Zuletzt hatte die ESA zusammen mit ihrem Partner Roskosmos das ambitionierte Mars-Projekt ExoMars um zwei Jahre verschoben, damit alle Test weitergeführt werden können und kein Mitarbeiter dem Corona-Virus ausgesetzt wird.

Festzuhalten bleibt...

Europa setzt in der Krise auf Minimalbetrieb, will alle nötigen Aktivitäten aufrechterhalten und verschiebt seine bevorstehenden Missionen zum Schutz der Gesundheit. Russland geht auf Nummer Sicher und vermeidet Massenaufläufe. An seinen Raketenstarts wird weiterhin festgehalten. In den USA wird die Lage beobachtet und neubewertet, aber Produktionsstillstand ist derzeit keine Maßnahme. Falls sich die Lage verschlimmern sollte, steht man Sicherheitsmaßnahmen offen gegenüber und wird die Gesundheit vorziehen. China wird weiterhin an seinem Programm festhalten.

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