Vor 60 Jahren Walentina Tereschkowa: die erste Frau im Weltall
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16. Juni 2023, 05:00 Uhr
Die erste Frau im Weltall war eine Russin: die sowjetische Kosmonautin Walentina Tereschkowa im Jahr 1963. Bis heute ist es der einzige weibliche Solo-Weltraumflug, der auch noch drei Tage dauerte. Am 16. Juni jährt sich der Start ihres Weltraumfluges zum 60. Mal.
Die 26-jährige Himmelsstürmerin Tereschkowa avancierte nach ihrem Flug zu einem Pop-Star. Drei Tage im Weltall, die nicht nur ihr Leben aus den Angeln hoben. 48 Runden um die Erde für den Ruhm. Die gelernte Textilarbeiterin aus dem Oblast Jaroslawl mutierte zu einer scheinbar makellosen Ikone der Sowjetraumfahrt.
Laut Propaganda läuft "alles perfekt"...
Ein perfekter Flug, alles bestens, so die Tonlage der offiziellen Berichte und Fernsehbilder aus dem All. Die Presse titelte im Jubelmodus. Millionen Menschen im Kosmos-Fieber, nicht nur im Osten. Präsentiert wurde der faszinierten Weltöffentlichkeit eine fröhliche, zuversichtliche "Möwe", so der Code-Name der Kosmonautin, die in ihrem Raumschiff mit kosmischer Geschwindigkeit um den Erdball sauste, Lieder sang und neben dem Forschungsprogramm sogar noch ein Telefongespräch mit Kreml-Chef Nikita Chruschtschow führte: "Ich werde meine ganze Kraft und mein ganzes Wissen dafür einsetzen, alle Aufgabenstellungen voll zu erfüllen. Alles läuft perfekt."
...dabei leidet Tereschkowa unter Weltraumkrankheit
Dass nicht alles perfekt war und reibungslos verlief, wird die Öffentlichkeit erst Jahrzehnte später erfahren, insbesondere durch die Veröffentlichung der geheimen Tagebücher von Generalleutnant Kamanin, dem Chef der Kosmonautenausbildung. Demnach litt die erste Frau im All sehr stark unter der sogenannten Raumkrankheit. Die Tücken des Weltraums waren damals noch weitgehend unbekannt. Insbesondere die Probleme mit der Schwerelosigkeit. Nicht alle Kosmonauten haben damit Probleme, Tereschkowa aber litt ganz erheblich darunter und hatte große Schwierigkeiten, die gestellten Aufgaben zu erledigen. Sie konnte nichts essen und litt unter Schwindel, Übelkeit und Erbrechen. Die Leute auf der Erde ließ sie weitgehend im Unklaren über ihren kritischen Zustand. Zeitweise schien der Funkkontakt abgerissen. Es gab sogar Überlegungen, den Flug vorzeitig zu beenden.
Die Kosmonautin hält sich nicht an den Flugplan
Was die Leute im Kontrollzentrum besonders zur Verzweiflung trieb, war der Umstand, dass die Kosmonautin sich einfach nicht an den Flugplan hielt. Es gab jede Menge Aufgaben, die sie ignorierte oder nicht ordnungsgemäß erledigte. Sie schlief, wenn sie wachen sollte, und sie wachte, wenn sie schlafen sollte. Sie "funktionierte" einfach nicht. Während der kritischen Landephase kam kein Wort von ihr, es gab keine Rückkopplung. Das Kontrollzentrum wartete vergeblich auf die Vollzugsmeldungen.
Die 'Möwe' schwieg. Chefkonstrukteur Koroljow und alle anderen am Boden waren außer sich vor Anspannung. Sie mussten mit dem Schlimmsten rechnen. Und sie taten es.
Wettlauf ins All - Der Kalte Krieg im Orbit
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stoßen Sowjets und US-Amerikaner ins Weltall vor. Was wie friedliche Raumfahrt aussieht, ist ein knallharter Kampf der Supermächte. Was geschah beim Kalten Krieg im All?
Juri Gagarin: Der Kolumbus des Kosmos
Die Welt als Kugel, als blauer Planet, an dessen Krümmung die Schwärze des Weltraums beginnt – so hatte die Erde vor dem 12. April 1961 noch kein Mensch gesehen. Bis der sowjetische Kosmonaut Juri Alexejewitsch Gagarin die Erde als erster Mensch umkreist.
Raumstation "Mir": der sowjetische Gigant auf der Umlaufbahn
Am 19.02.1986 macht sich das erste Modul der sowjetischen Raumstation "Mir" auf den Weg ins All. Es ist ein nie dagewesenes Großprojekt, das im Kalten Krieg den entscheidenden Vorteil für die UdSSR im Weltall bringen soll.
Nach ihr sollen keine Frauen in den Kosmos fliegen
Umso größer war die Erleichterung nach der Landung, aber auch das Donnerwetter. Koroljow war außer sich über das beispiellose Fehlverhalten eines Wostok-Passagiers und tobte: "Nie wieder wird ein Weib in den Kosmos fliegen, nicht zu meinen Lebzeiten!" Und er behielt Recht.
Zwar hat er nach der geglückten Landung der strahlenden Walentina vor laufenden Kameras einen Blumenstrauß überreicht, kurz danach aber soll er sie unter vier Augen heftig zusammengestaucht haben. Walentina Tereschkowa sei seelisch sehr mitgenommen gewesen, erinnert sich die Ersatzfrau Walentina Ponomarjowa. Die strahlende Heldin tränenüberströmt mit einem überschminkten blauen Fleck an der Stirn, den sie sich bei der Landung zugezogen hatte.
Eine "makellose Heldentat?
Nach außen, für die gesamte Öffentlichkeit im In- und Ausland, wurde der Flug trotz aller Komplikationen bis zum Ende der Sowjetunion als makellose Heldentat gewürdigt. Dass sich eine Frau, eine Repräsentantin des "schwachen Geschlechts" in die Phalanx der kosmischen "Supermänner" wagte, machte die Sache besonders spektakulär.
Sieht man die Bilder von damals, scheint es so, als ob Kreml-Chef Chruschtschow seine "Walja" ganz besonders mochte - als eine nahezu perfekte Verkörperung der idealtypischen Sowjet-Frau: Schön, kühn, entschlossen, charmant und mutig. Mut gehört bis heute dazu, sich auf ein solches Himmelfahrt-Kommando einzulassen, wie es Walentina Tereschkowa im Juni 1963 tat.
Tereschkowa wird für immer in den Geschichtsbüchern bleiben als die erste Frau, die in den Kosmos vorstieß, die sich das getraut und das Wagnis auch überlebt hat. Und viel mehr hatte sie eigentlich auch gar nicht zu tun. "Überleben, das war ihre Hauptaufgabe und die hat sie eindeutig erfüllt. Und auch das ganze Medien-Tamtam danach hat sie bravourös gemeistert. Ich hätte das gar nicht gekonnt, überall in der Welt herumzutouren, zu lachen, zu singen und zu tanzen." So blickt Ersatzfrau Ponomarjowa zurück auf den historischen Flug der Tereschkowa, der auch ihr Flug hätte werden können.
Dieser Artikel erschien zum ersten Mal im Juni 2018.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR Zeitreise | 11. April 2021 | 22:20 Uhr