Wissen-News Evolutionshelfer Bakterien: Wie Blattkäfer ihr Mikrobiom optimierten
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20. Januar 2025, 15:08 Uhr
Forscher aus Jena haben untersucht, wieso Blattkäfer im Laufe der Evolution erfolgreich waren und zu den verbreitetsten Pflanzenfressern auf der Erde gehören. Ein Schlüssel zum Überleben: Bakterien, die bei der Verdauung von Pflanzen geholfen und ihre Spuren sogar in den Genen hinterlassen haben.
Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für chemische Ökologie (MPI-CE) in Jena und des MPI für Biologie in Tübingen haben sich zusammengetan, um zu erklären, wieso die Familie der Blattkäfer so artenreich und weitverbreitet ist. Mehr als 50.000 Arten dieser Insekten gibt es auf der Welt, was ein Viertel aller Pflanzenfresserarten ausmacht. Von der Baumwurzel bis in den -wipfel und sogar im Wasser sind sie anzutreffen. Alles Belege für ihren evolutionären Erfolg – und das, obwohl die Käfer schwer verdauliches Futter mit schwierigen Nährwerten zu sich nehmen: Blätter.
Gentransfer vom Bakterium zum Käfer
Die Forscher haben genauer untersucht, wie die Insekten im Laufe der Jahrmillionen diese Ernährungsherausforderung dank eines besonderen Mikrobioms gemeistert haben. Zentrale Frage war dabei, wie ein Genaustausch zwischen Käfern und in ihnen lebenden Bakterien während der Evolution die Verdauung optimiert hat.
Dass die Insekten fremdes Erbgut in ihrem Genom eingebaut hatten, was dabei hilft, pflanzliche Zellwände zu verstoffwechseln, war bekannt. Die dafür genutzten Enzyme spalten Pektine auf – für den Menschen unverdauliche Ballaststoffe, die Bakterien hingegen in ihrem Stoffwechsel verwerten können – und heißen passend Pektinasen.
Der Historie der Gene auf der Spur
Viele Käfer leben mit Mikroben in Symbiose, die ihnen Enzyme, aber auch Vitamine und andere essenzielle Aminosäuren liefern. Die Forschenden aus Jena und Tübingen um den Erstautor der Studie Roy Kirsch hatten bereits in früheren Untersuchungen gezeigt: Zur Verdauung von Blättern nutzen die Insekten sowohl Pektinasen, die von Mikroben in ihr eigenes Erbgut übernommen wurden, als auch solche, die aus dem Erbgut ihrer bakteriellen Symbionten stammen. "Bisher wussten wir aber nur bruchstückhaft, welche Blattkäfer symbiotische Bakterien für die Verdauung benötigen und welche nicht, und woher die Pektinasen der Käfer stammen", so Kirsch.
Um die Geschichte der Zusammenarbeit zwischen Käfer und Mikrobe besser zu verstehen, analysierten die Wissenschaftler mit internationaler Hilfe 74 Blattkäferarten aus der ganzen Welt und zeichneten so die Entwicklung nach. "Wir konnten zeigen, dass das Phänomen des horizontalen Gentransfers, bei dem Fremdgene aus Bakterien in das Käfer-Genom aufgenommen werden, entgegen bisheriger Annahmen recht häufig auftritt. Sowohl Symbiose als auch Gentransfer haben die Evolution der Insekten stark beeinflusst", fasst Roy Kirsch die Ergebnisse zusammen.
Dynamisches Mikrobiom
Ein weiterer Befund: Entweder verwendeten Käfer Pektinasen, die aus dem eigenen Erbgut abgeschrieben wurden, oder die der Symbionten. Aber nicht beides. Die Wissenschaftler sprechen von einer dynamischen Evolution. "Diesen Vorgang kann man sich folgendermaßen vorstellen: Bei der Etablierung einer Symbiose wird eine Käfer-Pektinase aus einem früheren horizontalen Gentransfer durch eine Symbionten-Pektinase ersetzt", erklärt Martin Kaltenpoth, Leiter der Abteilung Insektensymbiosen am MPI-CE in Jena.
"Die Aufnahme eines Symbionten hat den Vorteil, dass dessen Pektinase neue Aktivitäten aufweisen oder effizienter sein kann und darüber hinaus zusätzlichen Nutzen mit sich bringt, zum Beispiel durch die Produktion weiterer Verdauungsenzyme oder essenzieller Nährstoffe. Das käfereigene Pektinase-Gen wird nun nicht mehr benötigt und geht im Laufe der Evolution verloren." Die komplexe Verbindung zwischen den Käfern und den Bakterien habe es den Blattkäfern erlaubt, so artenreich die Welt zu bevölkern. "Im weiteren Verlauf der symbiotischen Interaktion könnte das Pektinase-Gen des Symbionten ins Käfer-Genom übertragen werden und der Symbiont könnte wieder verloren gehen, aber dieser Prozess muss noch genauer untersucht werden", schließt Kaltenpoth.
Link zur Studie
Die Studie "Symbiosis and horizontal gene transfer promote herbivory in the megadiverse leaf beetles" wurde in der Fachzeitschrift "Current Biology" veröffentlicht.
idw/jar
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | 12. Januar 2025 | 14:32 Uhr
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