Grizzlybär
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Medizin Mittel gegen Muskelschwund: Winterschlaf von Grizzlybären könnte Antworten geben

03. Januar 2020, 05:00 Uhr

Ein paar Tage auf der Couch und schon schrumpfen die Muskeln. Logisch! Denn was nicht gebraucht wird, baut die Natur zurück. Das Einzige, was mehr wird, ist Fett. Beim Grizzlybären scheint die Natur das anders zu machen. Er liegt mehr als vier Monate in seiner Höhle und hat danach fast genauso viel Muskelmasse wie vor dem Winterschlaf. Nur 20 Prozent verliert er. Wie macht er das? Das wollten Zellbiologen herausfinden, um die Strategien der Bären für den Menschen nutzen.

Für den Grizzlybären gibt es nur drei Jahreszeiten. Den Winter verschläft er einfach. Das tut er, um die Kälte besser zu überstehen, erklärt der Herzkreislauf- und Muskelforscher Prof. Michael Gotthardt vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in Berlin:

Die Grizzlys reduzieren ihre Körpertemperatur und fahren ihren Stoffwechsel, die Atmung und ihren Puls runter. Sie sind dann in einem speziellen Zustand.

Prof. Michael Gotthardt

Mensch wäre nach vier Monaten Schlaf aufgeschmissen

Michael Gotthardt
Prof. Michael Gotthardt forscht zu neuromuskulärer Zellbiologie. Bildrechte: Michael Gotthardt

Im Laufe der Evolution überlebten vor allem jene Bären, die nach dem Winter noch genug Muskelmasse hatten. Die ausgehungerten Tiere können dann gleich munter losziehen und fressen. Gräser, Pilze, Mäuse, einen Bison erlegen wäre auch drin.

Der Mensch hingegen wäre nach vier Monaten Schlaf völlig aufgeschmissen. Denn wenn er keinen Sport treibt, wird Muskelmasse abgebaut - damit wir nicht zu viel davon rumschleppen.

Grizzlys bauen wichtige Aminosäuren selbst

Es liegt also in der Natur der Sache, beim Grizzly genauso wie beim Menschen. Doch wo genau ist der Unterschied? Welche Gene und Proteine sind für den Muskelaufbau verantwortlich? Das war die Frage, nach deren Antwort Michael Gotthardt ungefähr zehn Jahre lang suchte.

Die Zellproben bekam er von dem einzigen Grizzly-Gehege, das eine Universität unterhält. Es gehört zur Washington State University. Zusammen mit seinen Kollegen entschlüsselte er die Gene der Muskelzellen, verglich die Ergebnisse mit denen von Mensch und Maus und wurde fündig.

Wir haben gesehen, dass der Muskel selbst einen sehr unterschiedlichen Stoffwechsel betreibt. Die Grizzlys stellen Aminosäuren her, die Bausteine von Eiweißen. Und wenn die Tiere die Aminosäuren selber machen, müssen die nicht den Muskel abbauen.

Prof. Michael Gotthardt
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Winterschlaf birgt weitere grosse Rätsel

In den Muskelzellen selbst finden also Prozesse statt, die verhindern, dass der Muskel kleiner und schwächer wird. Auf der anderen Seite bedeutet das aber auch, dass Tabletten oder Zusatzstoffe hier nicht wirken. Wie das zu lösen ist, will er als nächstes herausfinden. Doch würde es nicht ausreichen, öfter spazieren zu gehen und nicht so viel auf der Couch rumzuliegen?

Den Luxus haben nicht alle. Es wäre natürlich primär eine Therapie für Leute mit schweren Muskelerkrankungen oder die bettlägerig sind. Gesunde Menschen brauchen das nicht, die müssen Sport machen.

Prof. Michael Gotthardt

Bis es eine Lösung gibt, werden aber noch mindestens fünf bis zehn Jahre vergehen, schätzt der Zellbiologe. Bis dahin hat er vielleicht noch ein paar andere Ideen mit den Grizzlys in dem Washingtoner Berggehege. Denn der Winterschlaf des Bären birgt noch andere große Rätsel: Die Tiere entleeren zum Beispiel nicht einziges Mal ihren Darm und ihre Blase und werden ohne Nierenschaden wieder wach. Wie das geht, dass würde sich der Mensch auch gerne abschauen.

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