Treibhausgase Methan-Ausstoß durch Verdauung bei Nutztieren sinkt kontinuierlich
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04. November 2022, 16:14 Uhr
Der Ausstoß natürlicher "Abgase" von Nutztieren in Deutschland ist heute geringer als am Ende des 19. Jahrhunderts, obwohl heute mehr als doppelt so viele Menschen satt werden müssen, zeigt eine Studie aus Mecklenburg-Vorpommern.
"Die Kühe furzen uns ins Unglück", heißt eine Liedzeile von Rainald Grebe. Welche Gedankenkette hinter diesem Satz steckt, dürfte mittlerweile allseits bekannt sein. Bei der Verdauung bei Kühen (und anderen landwirtschaftlichen Nutztieren) entsteht eine nicht unerhebliche Menge Methan, ein Treibhausgas, das noch um ein Vielfaches schädlicher für die Erdatmosphäre ist als Kohlendioxid.
Jetzt aber die gute Nachricht: Der Methan-Ausstoß durch Nutztiere geht in Deutschland recht kontinuierlich zurück. Laut einer neuen Studie vom Forschungsinstitut für Nutztierbiologie Dummerstorf (FBN), das in der Nähe von Rostock beheimatet ist, liegt dieser Ausstoß seit einigen Jahren sogar unter dem Wert von 1893, was insofern erstaunlich ist, als im Gebiet der heutigen Bundesrepublik inzwischen fast zweieinhalbmal so viele Menschen leben wie damals. Und die müssen ja alle irgendwie satt werden.
Statistiken aus der Kaiserzeit
Dr. Björn Kuhla und Dr. Gunther Viereck vom FBN haben die Daten der deutschlandweiten Viehzählungen der Jahre 1872, 1883 und 1892 ausgewertet. Territorien, die damals zum Kaiserreich gehörten, heute aber nicht zu Deutschland, wurden dabei natürlich weggelassen. Die Tiere wurden außerdem nach Alter und bei Rindern auch nach Nutzungsart unterschieden. Aus den Körpergewichten der Tiere konnten die Wissenschaftler die Futteraufnahme berechnen. In anderen Quellen fanden sie außerdem Angaben zur Fütterung und zur Fleisch- und Milchproduktion im 19. Jahrhundert. Mit diesen Informationen war die Berechnung des Methanausstoßes mit Hilfe von standardisierten Schätzgleichungen möglich.
Die jährlichen Methanemissionen aus der Viehhaltung betrugen demnach 1883 etwa 898.000 Tonnen und 1892 dann schon etwa 1.060.000 Tonnen. Zum Vergleich: Um das selbstgesteckte Emissionsziel zu erreichen, muss Deutschland bis 2030 auf 853.000 Tonnen herunterkommen. Aber das scheint machbar.
"Wir haben erstaunt festgestellt, dass die Methanemissionen aus der Verdauung von Nutztieren in Deutschland seit dem Jahre 2003 geringer sind als im Jahr 1892. Unsere Studie zeigt, dass die von der Bundesregierung angestrebten Klimaziele im Nutztierbereich in greifbarer Nähe sind", sagt Björn Kuhla.
Die leicht unterschiedlichen Daten für den Methanausstoß in den vergangenen Jahrzehnten kommen dabei einerseits von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (englische Abkürzung: FAO) und dem Umweltbundesamt.
Mehr Menschen, weniger Tiere
Die Nutzviehbestände im heutigen Bundesgebiet waren 1892 deutlich höher als heute, bei Schafen und Ziegen sogar um ein Vielfaches. Das erklärt natürlich zum großen Teil den höheren Methanausstoß vor 130 Jahren.
Aber andererseits müssen heute viel mehr menschliche Mäuler (mehr als 83 Millionen) im Bundesgebiet gestopft werden als vor 130 Jahren (etwa 34 Millionen) – und das beim oben schon gezeigten starken Rückgang der Nutztierbestände.
Natürlich hat seit 1892 auch eine Umstellung der Ernährung stattgefunden. Aber laut den beiden FBN-Forschern liegt es vor allem an der viel höheren Effizienz in der Tierhaltung, dass nun im Vergleich zur Historie so viele Menschen mit so wenigen Tieren auskommen. Und laut Studie besteht da noch weiteres Optimierungspotenzial, vor allem in der Schweinehaltung.
Zwar produzieren Schweine relativ wenig Methan, andererseits werde jedes fünfte Schwein in Deutschland nicht für die Ernährung der Bevölkerung gebraucht. Eine Reduzierung der Bestände um 20 Prozent würde etwa 5.000 Tonnen Methan pro Jahr sparen. Hinzu kämen Einsparungen von mehreren tausend Tonnen Kohlendioxid im Zusammenhang mit dem Import von Sojafutter. Da Soja auch für die menschliche Ernährung geeignet ist, würde ein verringerter Einsatz als Futtermittel die "Konkurrenz zwischen Trog und Teller" verkleinern.
Auch bei Rindern gibt es laut Kuhla und Viereck Möglichkeiten, die Methanemissionen weiter zu verringern. Der Selbstversorgungsgrad mit Milch betrage in Deutschland 112 Prozent. Eine Reduzierung der Bestände würde weder die Ernährungssicherheit gefährden, noch Ernährungsgewohnheiten in Frage stellen. Auch die Fütterung mit regional verfügbarer Biomasse, die für die menschliche Ernährung nicht geeignet ist, würde Emissionen durch den wegfallenden Futterimport reduzieren, ohne dabei in Nahrungskonkurrenz zum Menschen zu stehen.
Internationale Perspektiven
Wie kann der Blick der beiden Wissenschaftler in die weit zurückliegende Vergangenheit hilfreich für die Zukunft sein? Der Fokus liegt dabei nicht so sehr auf Deutschland, sondern Björn Kuhla und Gunther Viereck hoffen, dass ihre Arbeit auch in anderen Ländern wahrgenommen wird, um dort zu zeigen, dass es umso besser fürs Klima ist, je effizienter die Nutztierhaltung funktioniert.
"Wir beobachten in Afrika, Asien und Südamerika einen starken Anstieg der Bevölkerungszahlen und parallel dazu der Nutztierbestände und ihrer Methanemissionen", sagt Kuhla. "Gleichzeitig weisen Kühe, Schafe und Ziegen in diesen Regionen die geringste Effektivität bei der Produktion von Nahrungsmitteln auf. Durch eine Verbesserung der Effizienz ließen sich auch in diesen Regionen die Tierzahlen und die Emissionen reduzieren und die regionale Versorgung mit Nahrungsmitteln tierischer Herkunft gewährleisten."
Zur Studie
B. Kuhla, G. Viereck: "Enteric methane emission factors, total emissions and intensities from Germany's livestock in the late 19th century: A comparison with the today's emission rates and intensities", erschienen in Science of The Total Environment
(rr)