Pollensaison Bis zu 20 Prozent mehr Corona-Infektionen durch Pollenflug

09. März 2021, 19:02 Uhr

Die Nase tropft, die Augen tränen und ständig muss man Niesen: Wer auf die Pollen von Erle oder Haselnuss allergisch reagiert, merkt derzeit schon deutlich, dass die Pollenflugsaison so langsam volle Fahrt aufnimmt. Und das ist in der Corona-Pandemie ein doppeltes gesundheitliches Problem, sagt ein internationales Forschungsteam. Denn der Pollenflug konnte demnach im vergangenen Frühjahr zu bis zu 20 Prozent mehr Corona-Infektionen führen.

Blüten der Haselnuss geben Pollen ab 3 min
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Es war eine Beobachtung zu Beginn der Corona-Pandemie, die das Forschungsteam unter Leitung der Technischen Universität München (TUM) und des Helmholtz Zentrums München auf eine Idee brachte. Denn im Frühjahr vergangenen Jahres schien der Anstieg der Corona-Infektionszahlen einherzugehen mit den Flugzeiten von Baumpollen – also zumindest in der nördlichen Hemisphäre. Gibt es da also einen nachweisbaren Zusammenhang? Dieser Frage ist das Team in einer groß angelegten Studie nachgegangen. Die Ergebnisse sind im renommierten Fachmagazin Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America publiziert worden.

Fliegen die Pollen, steigen die Infektionszahlen

Die Untersuchung hat ergeben, dass dieser Zusammenhang tatsächlich besteht. Der Pollenflug ist demnach ein wichtiger Umweltfaktor für die Ausbreitung des Coronavirus. Das Forschungsteam konnte zeigen, dass Pollen, die über die Luft übertragen werden, im Durchschnitt 44 Prozent der Varianz in den Infektionsraten verschiedener Orte erklären können. In manchen Fällen spielten hier der TU München zufolge aber auch Luftfeuchtigkeit und Lufttemperatur eine Rolle.

Wie stark der Anstieg der Infektionszahlen durch den Pollenflug ausfällt, liege auch daran, ob es an einem Ort einen Lockdown gibt und wie streng der ist. Gab es gar keine Lockdown-Regelungen, dann stieg die Infektionsrate der Studie zufolge um durchschnittlich vier Prozent, wenn die Anzahl der Pollen um 100 pro Kubikmeter anstieg. Das kann mancherorts für einen erheblichen Effekt sorgen, schreibt das Forschungsteam. In manchen deutschen Städten habe es im Untersuchungszeitraum zeitweise pro Tag bis zu 500 Pollen auf einen Kubikmeter gegeben. Das entspricht also einem Anstieg der Infektionsrate um mehr als 20 Prozent. Wenn an einem Ort jedoch ein Lockdown gewesen sei, dann habe sich Infektionszahl bei ähnlicher Pollenkonzentration etwa halbiert.

Man kann nicht vermeiden, luftgetragenen Pollen ausgesetzt zu sein.

Dr. Stefanie Gilles, Umwelt-Immunologin

Für die Studie haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter anderem Daten zu Pollenkonzentrationen in der Luft, den meteorologischen Bedingungen und den SARS-CoV-2-Infektionen analysiert. In die Untersuchung sind aber auch zahlreiche weitere Parameter eingeflossen. Insgesamt hat das Team aus 154 Menschen die Daten von 130 Messstationen in 31 Ländern auf fünf verschiedenen Kontinenten untersucht.

Pollenflug schwächt das Immunsystem

Aber was sind die Gründe für diesen Zusammenhang zwischen Pollenflug und steigenden Corona-Infektionszahlen? Das Forschungsteam hat sich auch mit dieser Frage auseinandergesetzt. Ihre Erklärung dafür ist, dass der Pollenflug unser Immunsystem beeinflusst. Demnach reagiere die Körperabwehr nur in abgeschwächter Form auf Viren der Atemwege, die verantwortlich für Schnupfen und Erkältungen sind, wenn Pollen fliegen.

Hitze Doku 4 min
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Der Normalfall sei, dass die infizierten Zellen Signalproteine bilden, wenn ein Virus in den Körper gelangt ist. Das passiere auch bei SARS-CoV-2, so die Forschenden. Diese Signalproteine – die antiviralen Interferone – alarmieren dann die Nachbarzellen, damit die ihre antivirale Abwehr verstärken, um sich zur Wehr zu setzen. Zusätzlich bekämpft der Körper die Viren mithilfe einer Entzündungsreaktion. Wenn wir jetzt allerdings neben den Viren auch noch Pollen mit einatmen, dann werden weniger dieser antiviralen Interferone von den infizierten Zellen produziert und auch die Entzündungsreaktion fällt etwas schwächer aus, erklärt das Forschungsteam. Deshalb steige bei Pollenflug generell die Zahl der viralen Atemwegsinfektionen – egal, ob jemand auf Pollen allergisch reagiere oder nicht. Dasselbe sei nun auch bei Covid-19 zu beobachten.

Doppelter Schutz durch Masken

Der Münchner Forscherin Dr. Stefanie Gilles ist es besonders wichtig, dass dieser Effekt bekannt ist. Denn das Einatmen von Pollen in der Luft lasse sich nicht vermeiden. "Personen, die zu Hochrisikogruppen gehören, sollten deshalb darüber informiert sein, dass erhöhte Pollenkonzentrationen in der Luft anfälliger gegenüber viralen Infekten der Atemwege machen", sagt Gilles. Ihr Kollege Athanasios Damialis betont in diesem Zusammenhang, dass das Wissen um den Pollenflug als wichtigem Umweltfaktor neue Möglichkeiten zur Prävention von Covid-19-Erkrankungen biete.

Staubfiltermasken zu tragen, wenn die Pollenkonzentration hoch ist, kann das Virus und den Pollen gleichermaßen von den Atemwegen fernhalten.

Prof. Claudia Traild-Hoffmann

Was können wir also gegen die zusätzliche Gefahr tun? Das Forschungsteam empfiehlt eine einfache und recht nahe liegende Lösung: Maske tragen. Insbesondere Menschen, die zur Hochrisikogruppe gehören, empfiehlt die Professorin für Umweltmedizin Claudia Traidl-Hoffman (TU München) auch im Freien das Tragen einer filtrierenden Maske bei hoher Pollenkonzentration. In diesem Frühjahr lohnt sich also nicht nur für Pollen-Allergikerinnen und -Allergiker der tägliche Blick auf die Pollenflugvorhersage.

(kie)

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