Hühner in Legebatterien in China, 2013
Eine Legebatterie in China (Archivbild von 2013): Auch wenn Mitarbeiter hier schon viele Jahre Masken bei der Arbeit tragen müssen, um möglichst wenig Keime einzutragen, kommt die massenhafte Haltung der Tiere trotzdem nicht ohne Antibiotika aus. Bildrechte: imago/China Foto Press

Multiresistente Keime Antibiotika in der Tierhaltung: Steigerung um acht Prozent bis 2030 erwartet

02. Februar 2023, 15:53 Uhr

Trotz der Gefahr, dass immer mehr Bakterien resistent werden gegen Antibiotika, rechnen Forscher damit, dass Tierhalter bis 2030 noch einmal deutlich größere Mengen der Medikamente in der Aufzucht einsetzen.

In den USA ist ein multiresistenter Stamm von Gonokokken aufgetaucht. Die kugelförmigen Bakterien lösen die umgangssprachlich Tripper genannte Infektion aus. Dabei werden vor allem Schleimhäute im Intimbereich befallen. Gonokokken werden bei sexuellen Kontakten übertragen und können sich in den Harnwegen einnisten. Nun drohen die letzten Antibiotika unwirksam zu werden und das kann durchaus dramatische Folgen haben, wie das Magazin Wired berichtet.

Werden keine neuen Antibiotika gefunden, könnten Babys bei Geburt erblinden. Das droht, wenn sie sich bei ihren Müttern anstecken und die Bakterien die Augenschleimhäute befallen. Gonokokken können auch Männer und Frauen unfruchtbar machen, indem sie Beckenentzündungen hervorrufen oder Hoden beschädigen. Trotzdem werden Antibiotikaresistenzen nach wie vor nicht ernst genug genommen, kritisieren Forscher.

Schweizer Forscher erstellen globale Übersicht über Antibiotika in der Viehzucht

Als eine der zentralen Ursachen der Ausbildung solcher Resistenzen gilt der übermäßige Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung. Weil viel zu viele Tiere dicht an dicht gehalten werden, sind Antibiotika oft notwendig, um massenhafte Infektionen zu verhindern.

Forschende der ETH Zürich haben jetzt Daten aus 42 Ländern ausgewertet, um Trends bei der Antibiotika-Verwendung in der Tierhaltung sichtbar zu machen. Quellen dafür waren unter anderem Berichte der Weltorganisation für Tiergesundheit und von den einzelnen Ländern selbst veröffentlichte Daten. Die Forscher erstellten zudem Landkarten, die die Dichte und Größe von Betrieben der Massentierhaltung darstellen.

Bis 2030 über hunderttausend Tonnen Antibiotika in der Massentierhaltung

Laut den Autoren der Studie wurden 2020 insgesamt 99.502 Tonnen Antibiotika bei der Tierhaltung eingesetzt. Setzt sich der Trend fort, könnte der Einsatz bis 2030 um acht Prozent auf 107.472 Tonnen steigen. Ein globaler Hotspot dabei ist Asien, wo 67 Prozent der verwendeten Antibiotika eingesetzt werden. Schlusslicht dagegen ist Afrika, das auf weniger als ein Prozent kommt. Die Top-5 Länder in 2020 waren demnach China, Brasilien, Indien, die USA und Australien.

Während der Antibiotikaeinsatz in der Schweinehaltung gegenüber früheren Zeitpunkten stabil blieb, hat er sich in der Hühnerhaltung halbiert. Als Ursache davon vermuten Wissenschaftler geänderte Haltungsformen. So kämen vermehrt antibiotisch wirkende Ionophoren zum Einsatz, also Moleküle, die die Zellwände von Bakterien durchlässiger machen. Diese Ionophoren würden in den meisten Ländern nicht als Medikamente klassifiziert. Auch könnte eine Umstellung auf langsamer wachsende Hühnerrassen einen Teil des Rückgangs erklären, da diese Tiere gesünder seien und weniger Medikamente benötigt würden.

In der Rinderhaltung wiederum sei der Einsatz der Antibiotika zwischen 2010 und 2020 um etwa 50 Prozent angestiegen. Der Grund dafür könnte aber auch eine verbesserte Berichterstattung gegenüber früheren Untersuchungen sein, räumen die Forschenden ein.

Aquakulturen und Kaninchen: Viel Antibiotika, aber wenig Daten

Insgesamt bleibe das Bild noch unvollständig, schreiben die Forschenden, da in dieser Studie nur Rinder, Schafe, Geflügel und Schweine betrachtet wurden. Obwohl diese Tierarten etwa 90 Prozent der weltweit gezüchteten Tiere ausmachen, gibt es kleinere Tierarten, in der Antibiotikaeinsatz besonders intensiv ist und die daher für das Gesamtbild sehr wichtig wären. Dazu gehörten etwa Kaninchen oder Fische in Aquakulturen. Außerdem gebe es bei Schafen und Schweinen in einzelnen Ländern große Datenlücken.

Die Wissenschaftler mahnen, dass sowohl die Berichterstattung der Länder besser werden sollte als auch Beschränkungen für den Einsatz von Antibiotika notwendig seien.

(ens)

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