Demenz-Studie Parodontitis-Behandlung kann Alzheimer-Erkrankung hinauszögern
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08. Juni 2021, 15:34 Uhr
Mal ehrlich: Gehen Sie regelmäßig zur Zahnreinigung? Und misst Ihre Zahnärztin dann auch die Zahntaschen? Falls nicht und Sie von Zahntaschen noch nie etwas gehört haben, sollten Sie das auf jeden Fall nachholen – egal, wie alt Sie sind. Denn die Paradontitis-Prävention ist auch gleichzeitig eine gegen die Alzheimer-Erkrankung. Zahnfleischschwund fördert einer Untersuchung der Universität Greifswald zufolge das Risiko an Alzheimer zu erkranken.
Wenn das Zahnfleisch beim Zähneputzen blutet, dann ist es meist Parodontitis. Bis zu 45 Prozent aller Deutschen sind davon betroffen, erläutert Zahnmedizin-Professor Thomas Kocher von der Universitätsmedizin in Greifswald im Gespräch mit MDR WISSEN.
Es sei nach Karies die zweithäufigste Erkrankung der Mundhöhle, erklärt der Mediziner: "Parodontitis wird durch die Bakterien verursacht, die wir im Mund haben. Ein bestimmter Anteil in der Bevölkerung reagiert auf diese Bakterien verstärkt mit Entzündung. Diese Entzündung führt dann zum Knochenabbau und damit zu Lockerungen." Aber das ist nicht alles. Frühere Studien zeigten bereits, dass ein bestimmtes Parodontitis-Bakterium über Nervenbahnen ins Gehirn wandern und dort Entzündungen auslösen kann. Forschende vermuten dahinter eine Ursache für die Alzheimer-Erkrankung.
Nach Parodontitis-Behandlung weniger Verlust von Gehirnsubstanz
Das Greifswalder Forschungsteam wollte herausfinden, ob da etwas dran ist, denn sie hatten die Daten dazu: In einem Modell verglichen sie 177 behandelte und 409 unbehandelte Menschen aus zwei medizinischen Langzeit-Studien der Greifswalder Universitätsmedizin.
Dafür wurden die Probanden regelmäßig im Magnetresonanztomographen gescannt. Diese Daten hat das Forschungsteam jetzt auf den Zusammenhang von Zahnfleischschwund und Alzheimer analysiert. Was wurde da genau angeschaut? Professor Kocher erläutert den Ansatz: "Wir wollten feststellen, ob sozusagen die Hirnschrumpfung bei Patienten geringer ist, die paradontal behandelt worden sind im Vergleich zu Probanden, die paradontal erkrankt und nicht behandelt wurden." Bestimmte Bereiche im Gehirn gelten nämlich als Indikator für eine beginnende Alzheimer-Krankheit, erläutert Kocher das Vorgehen. Nimmt die Gehirnsubstanz dort ab, steigt das Risiko. Tatsächlich zeigten die Daten einen positiven Effekt. Waren die Menschen gegen Parodontitis behandelt worden, verloren sie weniger Gehirnsubstanz.
Demenzerkrankung verzögert sich bis drei Jahre
Die Forschenden sprechen von einem moderaten bis starken Effekt, bis zu drei Jahre, könne die Erkrankung hinausgezögert werden.
Das sei auch bei jüngeren Menschen zu beobachten gewesen. Zahnmedizin-Professor Kocher betont deshalb, dass der regelmäßige Zahnarztbesuch vorbeugend wichtig ist, besonders für Menschen mit Parodontitis. "Parodontitis lässt sich sehr einfach behandeln. Die Behandlung hat sozusagen zwei Schienen. Die eine ist, dass der Patient seine Zähne optimal reinigt, das heißt auch zwischen den Zähnen. Das Zweite ist, dass der Zahnarzt unterhalb des Zahnfleisches saubermacht. Kommt beides zusammen, können wir bei den allermeisten Patienten über lange Zeit den Status quo erhalten."
Kocher rät außerdem darauf zu achten, dass die Tiefe der Zahntaschen gemessen wird, denn die Parodontitis-Vorsorge werde oft stiefmütterlich behandelt. Zusätzliche Hoffnung kommt aus den USA: Dort wird bereits an einem Medikament geforscht, dass die Parodontitis-Bakterien im Gehirn stoppen soll. Selbst wenn es das irgendwann geben sollte, gilt: Eine regelmäßige professionelle Zahnreinigung ist gut für die Zähne und das Gehirn.
Forschung auch in Halle
Bereits 2016 gab es eine Veröffentlichung zu Parodontitis und Demenzerkrankungen. Im Magazin PLOS One publizierte ein britisches Forscherteam die Untersuchung "Periodontitis and Cognitive Decline in Alzheimer’s Disease" (Parodontitis und kognitiver Rückgang bei der Alzheimer-Krankheit), in der durch eine Beobachtungsstudie der Zusammenhang zwischen Parodontitis und Alzheimer gezeigt werden konnte. 2019 bestätigten Forschungen aus den USA die Hypothese. Das Team um Stephen Dominy vom US-Pharma-Unternehmen Cortexyme veröffentlichte in Science Advances eine Studie, die bereits Behandlungsmöglichkeiten vorschlug.
Seit 2020 wird in dieser Richtung auch in Halle geforscht. Am Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie (Abt. Molekulare Wirkstoffbiochemie und Therapieentwicklung) läuft bis 2023 das Projekt: Gums & Brains - Die Alzheimersche Demenz als Folge von Chronischer Paradontitis mit Porphyromonas Gingivalis als ursächlicher Verbindung zwischen beiden Erkrankungen. Dabei sollen die Zusammenhänge zwischen Parodontitis und Alzheimer Pathologie in Zell- und Tiermodellen untersucht werden. Gefunden werden sollen neue Wirkstoffkandidaten, um die durch Parodontitis ausgelösten Entzündungsreaktionen zu reduzieren, heißt es auf der Projektseite des Bundesforschungsministeriums.
(kk)
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