Eine Frau an einem Sportgerät.
Wer viel wiegt, ist faul und unsportlich? Nicht zwangsweise. Forschende an der Berliner Charité haben die Methylierung einer Gengruppe als Risikofaktor identifiziert. Zumindest bei Frauen. Bildrechte: IMAGO / Wirestock

Wissen-News Forschende an der Charité entdecken einen neuen Einflussfaktor für Übergewicht

21. Juli 2023, 19:55 Uhr

Übergewicht entsteht häufig aus einer Mischung von Lebensstil und Veranlagung. Forschende an der Charité in Berlin haben entdeckt, dass die Methylierung einer Sättigungsgen-Gruppe eine Rolle spielen kann. Und schlagen eine medikamentöse Therapie vor.

Die Zahl überwichtiger Menschen nimmt weltweit zu – aber was entscheidet darüber, ob eine Person übergewichtig wird oder nicht? Neben dem Lebensstil spielt die sogenannte "Veranlagung" eine große Rolle. Bei eineiigen Zwillingen beispielsweise ähnelt sich der BMI zu 40 bis 70 Prozent. Mittlerweile sind mehrere Genvarianten bekannt, die das Gewicht beeinflussen. Allerdings können diese Gene alleine nicht komplett erklären, warum Adipositas so oft "geerbt" wird. Forschende an der Berliner Charité haben nun herausgefunden, dass Methylgruppen, die an das Sättigungsgen POMC (Proopiomelanocortin) binden, möglicherweise einen Unterschied machen.

Das POMC-Gen kann das Adipositas-Risiko steigern

Den Forschenden war aufgefallen, dass bei Frauen mit einem BMI von über 35 besonders viele dieser Methylgruppen an das POMC-Gen gebunden waren. Nach ihren Einschätzungen steigt das Risiko für Adipositas um circa 44 Prozent, wenn besonders viele Methylgruppen an dieser Stelle platziert sind.

Methylgruppen sind kleine, chemische Einheiten, mit denen der Körper bestimmte Gen-Abschnitte markiert. So können diese Gen-Teile quasi an- und ausgeschaltet werden. Das ist ähnlich wie eine Textmarker-Hervorhebung im gedruckten Text zu verstehen. Diese Markierung der Sättigungsgene findet schon früh im Leben eines Menschen statt, meistens schon kurz nach dem Verschmelzen von Ei- und Samenzelle.

Ausschließlich Frauen sind betroffen

Noch ungeklärt sei, warum die Methylierung der Gen-Abschnitte ausschließlich bei Frauen zum Tragen komme, erklärt Lara Lechner, Erstautorin einer aktuellen Studie zum Thema.

Aber was beeinflusst nun, ob das Sättigungsgen methyliert wird? Die Forschenden konnten anhand von Stammzell-Experimenten nachweisen, dass das Nährstoffangebot während der Embryonalentwicklung einen Einfluss hat. "Unsere und auch andere Studien zeigen einerseits, dass Folsäure, Betain und andere Nährstoffe sich in begrenztem Maße auf den Umfang der Methylierung auswirken", sagt Peter Kühnen, Direktor der Klinik für pädiatrische Endokrinologie der Charité. "Wir haben dabei beobachtet, dass das 'DNA-Formatierungssystem' insgesamt recht stabil ist und kleinere Schwankungen im Nährstoffangebot von den Zellen kompensiert werden. Auf der anderen Seite gibt es Hinweise, dass sich die Variabilität dieser 'Formatierung' zufällig entwickelt. Das bedeutet, dass man zumindest aktuell noch nicht von außen beeinflussen kann, ob eine Person mehr oder weniger Methylierung in der POMC-Region aufweist."

Medikamente können Erfolge bringen

Verhindern lässt sich die Veränderung des POMC-Gens also aktuell noch nicht – aber: Frauen, die eine derartige Veränderung haben, konnten teilweise erfolgreich mit einem Medikament therapiert werden, das in die Entstehung des Hungergefühls eingreift.

Links/Studien

Die aktuelle Studie Early-set POMC methylation variability is accompanied by increased risk for obesity and is addressable by MC4R agonist treatment kann bei Science Translational Medicine nachgelesen werden.

iz

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