Corona, Influenza, Masern und Co. Viren: Immer eine Frage der Saison?
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27. April 2020, 12:03 Uhr
Treten Viren zyklisch auf, hat jedes Virus seine eigene "Saison"? Das möchte man spontan mit "ja" beantworten, schließlich hat sich der Begriff "Grippesaison" längst in unserem Sprachgebrauch eingebürgert. Die Idee, dass bestimmte Krankheiten nach saisonalen Mustern auftreten, ist an sich nicht neu. Nur weiß bislang niemand, woran das genau liegt.
Wie sieht das in Deutschland aus, kennen wir hier tatsächlich solche Zyklen? Daten aus dem Robert Koch-Institut (RKI) zeigen für Infektionskrankheiten solch saisonales Auftreten. Wir haben für unsere Grafik Daten aus dem RKI für Jahre mit starken Verläufen für Influenza, Masern, Mumps, Norovirus und Rotavirus genutzt. Dabei ergibt sich folgendes Bild:
Viren Hoch-Zeiten gibt es überall
Diese Darstellung zeigt tatsächlich, das und wann einige Krankheiten hier in Deutschland regelrechte Hoch-Zeiten haben. Allerdings ist das nicht nur hier so.
US-Forscherin Micaela Martinez, die an der Universität Columbia forscht, hatte 2018 anhand von Daten der US-Gesundheitsbehörden aus Jahrzehnten Muster für insgesamt 68 Infektionskrankheiten identifiziert. Sie zeigt darin sowohl saisonal, als auch regional eigene Muster für das gehäufte Auftreten von Viren nach: Rotaviren zum Beispiel gibt es im Südwesten der USA immer im Dezember und Januar besonders oft, im Nordosten des Landes dagegen erst im April und Mai.
Eine Häufung von Genitalherpes zeigen die Zahlen für die kompletten US-Staaten im Frühjahr und Sommer. Und weltweit betrachtet häufen sich Martinez Kalender zufolge Hepatitis C-Fälle in Indien im Winter, in Mexiko, Ägypten und China dagegen im Frühjahr und Sommer.
Was begünstigt zyklisch auftretende Viren?
Aber was steckt hinter diesem zyklischen Viren-Auftreten, das sich weltweit beobachten lässt: Ist es das Immunsystem des Menschen selbst, das sich saisonal immer neu aufstellt, wie US-Forscherin Martinez vermutet? Oder sind es Umwelteinflüsse auf Viren, die für Verbreitung oder Abklingen von Virenkrankheiten sorgen, wie Temperaturunterschiede, Luftfeuchtigkeit, Lichteinfluss und menschliches Verhalten? Das wird überwiegend bisher so angenommen.
Virologe Neal Nathanson, der an der Universität von Pennsylvania forscht, glaubt, dass die Überlebenskraft der Viren außerhalb des menschlichen Körpers das zyklische Auftreten erklärt. Aus Forschungen ist bekannt, dass das Genmaterial einiger Viren von einer Membranhülle aus Lipiden umschlossen ist. Die hilft während des Infektionsprozesses der Immunabwehr der Wirtszelle auszuweichen. Viren mit solchen Hüllen sind bei ungünstigen Bedingungen wie Hitze oder Trockenheit empfindlicher und anfälliger, haben Studien gezeigt.
Grippeviren zum Beispiel stecken in solch einer Verpackung - und sie sind kaum länger als ein Drittel des Jahres aktiv. Das Rhinovirus dagegen, das für den klassischen Schnupfen oder die klassische Erkältung sorgt, hat diese Membran nicht - und es kursiert auch im Sommer.
Andere Viren dagegen können über Monate, Jahre oder sogar Jahrzehnte infektios bleiben, sagt Prof. Uwe Gerd Liebert, Direktor des Institutes für Virologie am Universitätsklinikum Leipzig. "Das heißt, sie liegen irgendwo im Staub auf der Straße und wenn diese Viren in den Körper gelangen, können sie sich wieder vermehren."
Und was ist mit SARS-CoV-2?
Das neuartige Corona-Virus, das derzeit die Welt in Atem hält, hat so eine Membranhülle. Ob es aber tatsächlich auf Temperaturänderungen reagieren wird und bei Trockenheit und Hitze außerhalb des Körpers seine Kraft verliert? Darüber streitet die Wissenschaft derzeit noch, genauso darüber, wie lange das Virus außerhalb des Körpers überlebt.
lfw