Adipositas-Forschung Übergewicht: Sind wir ihm genetisch ausgeliefert?
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08. Februar 2020, 12:00 Uhr
Warum kann der eine essen, ohne nachzudenken und nimmt trotzdem kein Gramm zu, und beim anderen sorgt schon der Anblick einer Sachertorte für üble Ausschläge auf der Waage? Adipositas-Forscher aus Leipzig verraten es.
Wer mit Adipositas lebt, schleppt nicht einfach zu viel Gewicht mit sich herum, sondern damit auch viele Voraussetzungen für Folgeerkrankungen. "Adipositas ist eine Krankheit und kein Versagen von Patienten", stellt Professor Dr. Antje Körner vom Adipositas-Forschungszentrum in Leipzig im Gespräch mit MDR Wissen klar. Es gibt nämlich Gene, die machen ihre Träger besonders anfällig für Adipositas. Nach genau solchen Genen sucht man am Forschungs-Zentrum für Adipositas-Erkrankungen in Leipzig - und die Suche gleicht der Suche nach der Nadel im Heuhaufen.
2007 war Professor Peter Kovac und seinem Team ein Durchbruch geglückt. Sie entdeckten die Gen-Variante FTO, die bei Menschen mit Adipositas überrepräsentiert ist. Das FTO-Gen sorgt dafür, dass bestimmte Fettzellen Fett nur noch speichern, anstelle es zu verbrennen, was eigentlich ihre Aufgabe wäre. Die Folge:
Die Zelle wird einfach nur größer, dadurch wird das Fettgewebe größer und der Proband oder der Patient wird Adipositas kriegen.
Allerdings sind diese Gen-Varianten, sofern sie aktiv sind, nur für ein bis zwei Kilo Körpergewicht verantwortlich. Bei Menschen mit 150 Kilo fallen diese nur marginal ins Gewicht. Doch die FTO-Genvariante ist nicht die einzige, die die Forscher seither aus dem Heuhaufen gefischt haben: Mehr als 100 Gene wurden inzwischen gefunden, sagt Professor Kovac. Studien mit mehr als einer Million Probanden hätten gezeigt, dass es mehr als 700 Genvarianten geben könnte, die für Adipositas zuständig sind.
Aussichtsloser Kampf?
Sind wir den vielen kleinen Unbekannten in den Genen ausgeliefert, ist der Kampf gegen die Adipositas also aussichtslos? Offenbar nicht. Wir können den Genkreis sogar durchbrechen. Die Epigenetik-Forschung geht nämlich davon aus, dass man erworbene Eigenschaften genetisch weitergeben kann, und dass Gene durch verschiedenste Einflüsse aktiviert oder deaktiviert werden können. Peter Kovac sieht in der Epigenetik den Schlüssel zum Erfolg für die Adipositas-Therapien der Zukunft:
Wir können viele Gene, wenn wir verstehen, wie sie reguliert werden, durch die Umwelt, später einschalten oder ausschalten, je nachdem, was wir für unser Körpergewicht brauchen.
Babyspeck ist nicht zwingend harmlos
Denn Umweltfaktoren, Lebensstil, Ernährung und Bewegung beeinflussen unsere Gene. Und an diesen Faktoren kann man schrauben. Und das möglichst früh, bevor sich eine ausgewachsene Adipositas mit all ihren Folgeerscheinungen entwickelt: Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Herzinfarkt, Schlaganfall treten zwar erst im Erwachsenenalter auf.
Schon im Fettgewebe der Kinder lassen sich nämlich erste Vorboten herauslesen. Auch hoher Blutdruck im Kindesalter kann ein Hinweis auf spätere Krankheitsbilder sein. Diese Vorstufen gilt es zu analysieren, sagt Prof. Dr. Antje Körner, denn die Chancen für eine Adipositas liegen für einen übergewichtigen Säugling bei 50 Prozent, und bei adipösen Fünf- oder Sechsjährigen bei 90 Prozent.
Warum der Körper Kilos nicht hergibt
Was den Kampf gegen die überschüsssigen Kilos so schwer macht, ist einem uralter Mechanismus unseres Körper geschuldet: Der Körper versucht sein Gewicht zu verteidigen. Fettgewebe dient uns als Energiespeicher und damit ist "Gewichtsverteidigung" eine uralte menschliche Strategie, die in Zeiten von Hungersnöten das Überleben gesichert hat. Dass wir in westlichen Industrienationen in der Regel einfach nur in den Kühl- oder Vorratsschrank greifen müssen, sobald wir Hunger haben, das haben unsere Gene noch nicht gespeichert.
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