3D-Illustration eines gläsern wirkenden menschlichen Körpers mit rot herausgestelltem Leder-Organ im Oberkörper auf mittlerer Höhe
Leberzellen erneuern sich immer wieder, auch im hohen (Menschen-)Alter. Bildrechte: imago/Science Photo Library

Ewig junges Organ Unsere Leber ist nie älter als drei Jahre

31. Mai 2022, 18:08 Uhr

Egal, wie alt ein Mensch ist – seiner Leber sieht man das nicht an. Der Hauptteil der Leberzellen erneuert sich auch im hohen Alter nach spätestens drei Jahren, wie ein Forschungsteam aus Dresden herausgefunden hat.

Was für den Menschen insgesamt leider nur ein Traum ist, ist für seine Leber kein Problem: ewige Jugend. Genauer gesagt kommt die Leber nicht einmal aus dem Kindesalter heraus. Drei Jahre wird der Großteil ihrer Zellen höchstens alt, bevor die Erneuerung beginnt, und das ein ganzes Menschenleben lang.

Herausgefunden hat das ein internationales Forschungsteam unter Leitung von Dr. Olaf Bergmann vom Zentrum für Regenerative Therapien Dresden (CRTD) an der TU Dresden. Klar war schon vorher, dass jede Leber die Fähigkeit hat, sich nach einer Verletzung zu regenerieren. Unbekannt war jedoch bisher, ob diese Kapazität im Laufe eines Menschenlebens abnimmt. Tiermodelle lieferten dazu widersprüchliche Antworten.
"Einige Studien wiesen auf die Möglichkeit hin, dass Leberzellen langlebig sind, während andere eine stetige Erneuerung zeigten", sagt Olaf Bergmann. "Uns war klar: Um zu wissen, was beim Menschen passiert, müssen wir einen Weg finden, das Alter der menschlichen Leberzellen direkt zu bestimmen."

Radiokarbondatierung

Hilfreich bei dieser Bestimmung war, so seltsam das klingt, dass es ab den 1950er-Jahren oberirdische Kernwaffentests gab. Diese Test brachten große Mengen Radiokohlenstoff in die Atmosphäre, in Pflanzen und Tiere ein. Zellen, die in dieser Zeit entstanden sind, haben größere Mengen Radiokohlenstoff in ihrer DNA. Denn seit dem Verbot oberirdischer Kernwaffentests 1963 sanken die Mengen an atmosphärischem Radiokohlenstoff - und in gleichem Maße geschah das auch in pflanzlicher und tierischer DNA.

Dadurch wird eine Altersbestimmung anhand des Radiokohlenstoffgehalts möglich.
"Auch wenn es sich um winzige Mengen handelt, die nicht schädlich sind, können wir sie in Gewebeproben nachweisen und messen. Durch den Vergleich der Werte mit dem atmosphärischen Radiokohlenstoff können wir rückwirkend das Alter der Zellen bestimmen", erklärt Olaf Bergmann.

Leberzellen unterm Mikroskop
Mikroskopische Ansicht der untersuchten Leberzellen Bildrechte: Dr. Olaf Bergmann, CRTD

Lebern von Toten

Das interdisziplinäre Forschungsteam untersuchte die Lebern von Personen, die im Alter zwischen 20 und 84 Jahren gestorben waren und kam zu dem recht verblüffenden Ergebnis, dass die Leberzellen aller Probanden mehr oder weniger gleich alt waren.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Anpassung der Lebermasse an die Bedürfnisse des Körpers durch den ständigen Austausch von Leberzellen genau geregelt ist. Dieser Prozess bleibt auch bei älteren Menschen erhalten, was für verschiedene Aspekte der Leberregeneration und der Krebsentstehung von Bedeutung ist.

Einige Zellen sind älter

Ein kleiner Teil der Leberzellen kann allerdings auch bis zu zehn Jahre alt werden, bevor die Erneuerung startet, stellte das Forschungsteam fest. Es handelt sich dabei um Zellen, die mehr DNA in sich tragen. Statt der typischen zwei Chromosomensätze haben sie vier, acht oder sogar noch mehr, sagt Olaf Bergmann.
"Typische Zellen erneuern sich etwa einmal im Jahr, während die DNA-reicheren Zellen bis zu einem Jahrzehnt in der Leber verbleiben können. Da dieser Anteil im Laufe des Lebens allmählich zunimmt, könnte dies ein Schutzmechanismus sein, der uns im Alter vor der Anhäufung schädlicher Mutationen bewahrt."

Ziel müsse deshalb sein herauszufinden, ob es ähnliche Mechanismen bei chronischen Lebererkrankungen gibt, die sich in einigen Fällen zu Krebs entwickeln können.

Forschung an anderen Organen

Das Team vom CRTD um Olaf Bergmann hat sein Wissen über die rückwirkende Radiokarbondatierung auch schon genutzt, um zu zeigen, dass die Bildung neuer Gehirn- und Herzzellen nicht auf die Zeit im Mutterleib beschränkt ist, sondern das ganze Leben lang andauert. Derzeit untersucht die Gruppe, ob bei Menschen mit einer chronischen Herzerkrankung noch neue Herzmuskelzellen gebildet werden können.

Laut Olaf Bergmann zeigen die Arbeiten, dass die Untersuchung der menschlichen Zellerneuerung zwar sehr anspruchsvoll ist, aber dafür unvergleichliche Einblicke in die Mechanismen der Organregeneration liefern kann.

Links/Studien

Die Studie "Diploid hepatocytes drive physiological liver renewal in adult humans" ist in der Fachzeitschrift "Cell Systems" erschienen.

(rr)

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