Vegane und vegetarische Würste und Steaks an Haken.
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Proteinversorgung Vegane Alternativen: Keine Probleme mit Protein – aber mit anderen Nährstoffen

26. Juni 2024, 16:32 Uhr

Vegane Alternativen zu Fleisch- und Milchprodukten sind ein wachsender Markt und auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung rät seit kurzem nicht mehr von einer veganen Ernährungsweise ab. Aber was können die Alternativprodukte hinsichtlich der Nährstoffversorgung leisten?

Junge Frau schaut frontal in die Kamera.
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Rund 12 Prozent der Menschen in Deutschland ernähren sich vegan oder vegetarisch. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung hatte lange von einer komplett fleischfreien Ernährung abgeraten und spricht sich in einem neuen Positionspapier nun erstmals für eine vegane Ernährung aus. Für gesunde Erwachsene sei diese empfehlenswert, solange sie auf eine ausreichende Zufuhr von Vitamin B12 und anderen Nährstoffen, beispielsweise Jod, achten. Dann kann Veganismus nicht nur eine "gesundheitsfördernde Ernährung" darstellen, sondern gilt auch als "äußert umweltfreundlich", da der Verzicht auf Fleisch- und Milchprodukte die Emissionen für die Ernährung um 69 bis 81 Prozent verringern könnte.

Eine wichtige Rolle spielen in diesem Zusammenhang Fleisch- und Milchersatzprodukte. Der Markt für diese Erzeugnisse boomt; laut einer Studie der Organisation Good Food Institute Europe GFI hat alleine bei Fleischalternativen zwischen 2020 und 2022 eine Umsatzsteigerung von 41 Prozent stattgefunden. In keinem westeuropäischen Land seien die Umsätze dabei so stark gestiegen wie in Deutschland, betont das GFI. Ob die Produkte gut für die Gesundheit sind, ist ein Streitthema: Zu verarbeitet, zu viel Zucker, zu viele Aromen – das kritisiert die Verbraucherorganisation Foodwatch. Aus ernährungswissenschaftlicher Sicht gestaltet sich die Debatte allerdings ein wenig komplexer.

Fleischersatzprodukte liefern mehr Ballaststoffe

Marie Lengert hat in einem Masterpraktikum an der Universität Lübeck 188 Fleischersatz- und 151 Fleischprodukte analysiert und verglichen. Und zwar jeweils innerhalb derselben Produktkategorie, sprich: vegane Bratwurst wurde mit normaler verglichen und veganes Hack mit Hack aus Fleisch. Was die Makronährstoffe angeht, stehen Produkte aus Fleisch nicht besser da, ganz im Gegenteil: "Fleischersatzprodukte haben weniger gesättigte Fettsäuren, was vorteilhaft für die Gesundheit ist", sagt Lengert. Auch der Gesamtfettanteil sei in den tierfreien Alternativen niedriger.

Das führt unter anderem dazu, dass Fleischalternativen beinahe in allen Produktkategorien die geringere Energiedichte haben, also sie enthalten fast immer weniger Kalorien als ihr Pendant. Dafür aber mehr Ballaststoffe und oft auch mehr Kohlenhydrate. Beim Proteinanteil hatten in Lengerts Untersuchungen die Fleischprodukte die Nase vorn – aber eben auch lediglich knapp. Gerade stark verarbeitete Fleischersatzprodukte schnitten beispielsweise in einer Bewertung nach dem Nutri-Score recht gut ab. Marie Lengert findet: "Verarbeitung wird häufig als etwas ganz Schlechtes wahrgenommen, aber das ist es nicht immer. Tempeh beispielsweise ist durch den Fermentationsprozess auch ein hochverarbeitetes Lebensmittel."

Die Bioverfügbarkeit ist bei veganen Ersatzprodukten schlechter

Jenseits der im Labor messbaren Nährwertprofile stellt sich aber auch die Frage, was der menschliche Körper mit den gelieferten Stoffen anfangen kann. Stichwort Bioverfügbarkeit: Der Begriff beschreibt, in welcher Konzentration ein Stoff, den der Körper beispielsweise über die Nahrung aufnimmt, auch ins Blut gelangen kann. Die Bioverfügbarkeit von Nährstoffen ist entscheidend, weil sie beispielsweise darüber entscheiden kann, ob unter einer bestimmten Ernährungsweise Nährstoffmängel entstehen. Marie Lengert sagt dazu: "Die Bioverfügbarkeit ist auf jeden Fall nicht so gut wie bei Fleisch, aber es kommt auch darauf an, wie man das Essen kombiniert." Kombiniere man beispielsweise das Fleischersatzschnitzel mit anderen Nahrungsmitteln in einem Gericht, ließe sich die Bioverfügbarkeit erhöhen. "Es ist aber auch so, dass die Prozessierung dieser Produkte hoffentlich auch immer weiter optimiert wird, sodass die Bioverfügbarkeit künftig auch noch steigen könnte."

Langkettige Omega-3-Fettsäuren können fehlen

Wie vegane Ersatzprodukte im Körper wirken, ist natürlich auch individuell unterschiedlich. Eine aktuelle Studie aus Australien hat in vier Modellen berechnet, was passiert, wenn Fleisch und Milchprodukte jeweils komplett, zu 75 Prozent, zur Hälfte oder zu 25 Prozent durch pflanzliche Alternativen ersetzt werden. Selbst in einem Modell, das nur vegane Alternativprodukte vorsieht, scheint die Versorgung mit Proteinen weiterhin gut gesichert, aber bei langkettigen Omega-3-Fettsäuren und gesättigten Fettsäuren entsteht der Studie zufolge eher eine Unterversorgung. Auch bei Kalzium und Zink verschlechtert sich die Versorgung.

Hinsichtlich der Ballaststoffe kann eine Ernährung mit mehr Fleischersatzprodukten sogar zu einer besseren Versorgung beitragen. „Meine Schlussfolgerung aus dieser Studie ist, dass sich Alternativprodukte in ihrer Nährstoffzusammensetzung noch deutlich von tierischen Produkten unterscheiden“, sagt die Ernährungswissenschaftlerin Ute Nöthlings. Wissenschaftliche Belege in Bezug auf die gesundheitlichen Effekte gebe es bisher aber noch kaum.  

Um den Nährstoffgehalt pflanzlicher Alternativen zu verbessern, setzen viele Hersteller aktuell Nährstoffe wie Calcium oder Vitamin B 12 zu, die Produkte werden "angereichert". Gerade in den Szenarien zum Ersatz tierischer Produkte könne man sehen, dass es durchaus einen Unterschied machen könne, ob pflanzliche Produkte auf diese Art ergänzt werden, betont Ute Nöthlings. Natürlich spiele aber auch die Basis eine Rolle. Eine angereicherte Sojamilch könne dem Original aber durchaus nahekommen, sehr viel näher als beispielsweise Hafermilch.

Umdenken in den Ernährungswissenschaften: Essen soll klimafreundlich sein

Analog zum Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Ernährung sehen viele Forschende auch einen ganz wesentlichen Grund für eine pflanzenbasierte Ernährung: Sie sei häufig mit weniger Umweltbelastungen verbunden, das betont auch Ute Nöthlings. Diese Denkweise verfolgen auch Ansätze wie beispielsweise die Planetary Health Diet, eine Ernährungsrichtlinie, die es sich zum Ziel gemacht hat, gesunde Ernährung und einen niedrigen Klimaimpact zu kombinieren. Jüngste Studien scheinen die gesundheitlichen Vorteile dieser Ernährungsweise zu unterstützen.

Kemferts Klima-Podcast 29 min
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Links/Studien

Die Studie Modelling the impact of substituting meat and dairy products with plant-based alternatives on nutrient adequacy and diet quality kann hier nachgelesen werden.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Kemferts Klima-Podcast | 25. Januar 2023 | 15:16 Uhr

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