Eine behandschuhte Hand hält ein PSA Test Röhrchen und eine Testkasette. Der Test zeigt zwei rote Linien und ist positiv.
Ein PSA-Test fällt positiv aus, wenn von einem bestimmten Protein aus der Prostata zu viel im Blut ist. Bildrechte: imago/agefotostock

Krebs-Prävention Selig sind die Unwissenden? Vor- und Nachteile der Krebsfrüherkennung

15. September 2022, 09:07 Uhr

Bluttests sind eine große Hoffnung für die Früherkennung von Krebs. Am Wochenende wurde auf einem Kongress ein neuer Test vorgestellt, der über 50 verschiedene Krebsarten frühzeitig erkennen soll. Bis dieser im Klinik-Alltag eingesetzt wird, müssen noch einige Fragen geklärt werden.

Krebs hinterlässt Spuren im Körper. Auch wenn der erkrankte Mensch selbst vielleicht noch keine Symptome hat. Tumorzellen zerfallen genauso wie körpereigene Zellen und Fragmente ihrer DNA gelangen in den Blutkreislauf. Verschiedene Forschungsgruppen arbeiten daran, die Fragmente der Tumor-DNA zuverlässig von gesunder menschlicher DNA zu unterscheiden.

Auf einem onkologischen Kongress wurde am 11. September eine Studie mit dem sogenannte Galleri-Bluttest vorgestellt. Er ist Teil der größeren Studie Pathfinder, die an mehreren medizinischen Einrichtungen in den USA durchgeführt wird. Ziel ist es, den Galleri-Bluttest zu entwickeln und seine Anwendung in der klinischen Praxis zu untersuchen.

Screening-Tests

Der Galleri-Test ist ein sogenannter Screening-Test. Dabei wird nach vielen Erkrankungen gleichzeitig gesucht. Es ist quasi die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Der Galleri-Bluttest nutzt für seine Suche künstliche Intelligenz. Je nachdem, wo ein Tumor sitzt, weist seine DNA unterschiedlich oft eine bestimmte Mutation oder eine andere Veränderung des Erbguts auf. Die unterschiedlichen DNA-Muster, die Tumore im Blut verursachen, erkennt die KI als für einen bestimmten Tumor typisch und kann so bestimmen, an welcher Krebsart eine Person erkrankt ist.

"Man wird mit Tests wahrscheinlich auch nie die Genauigkeit von zum Beispiel einer Darmspiegelung erreichen, kann dafür theoretisch aber sehr viel einfacher – nur mit einer Blutabnahme auf zahlreiche Tumoren screenen", sagt Gunnar Folprecht vom Universitäts-Krebszentrum in Dresden. Die erste Diagnose muss aber in jedem Fall durch weitere, gezieltere Tests bestätigt werden. Denn: Sie zeigt häufig ein falsch-positives Ergebnis. Sie schlägt also fälschlicherweise Alarm. Dies könnte die Patientinnen und Patienten unnötigerweise belasten. "Die generelle Problematik bei diesen Tests besteht darin, dass bei einem falsch-positiven Testergebnis die entsprechenden Personen einer psychischen Belastung und einer körperlichen Belastung durch die dann ausgelöste weitere Diagnostik ausgesetzt sind", so Ulrich Hacker vom Universitäts-Krebszentrum Leipzig.

Die Unsicherheit, ob man nun Krebs hat oder nicht, kann die Psyche stark belasten. Weitere Tests, um die Diagnose zu verifizieren, können recht unangenehm sein. Etwa wenn bei Verdacht auf Magenkrebs eine Spiegelung durchgeführt wird. Handelte es sich dann um eine Fehldiagnose, musste der Patient oder die Patientin umsonst bangen.

Möglichkeit der Überdiagnose

Von einer Fehldiagnose klar zu unterscheiden ist die Überdiagnose. Zur Früherkennung von Prostatakrebs gibt es bereits einen zugelassenen Test, den Praxen meist als "individuelle Gesundheitsleistung" anbieten. Der PSA-Test schlägt auf Proteine an, die in der Prostata gebildet werden. Sind zu viele dieser Proteine im Blut, kann das auf Krebs oder eine andere Erkrankung der Prostata hindeuten

Eine ältere Person (unscharf im Hintergrund) erhält eine Chemotherapie. Sie liegt in einem weißen Krankenhausbett und trägt eine graue Wollmütze auf dem kahlen Kopf. Im Vordergrund stehen medizinische Geräte.
Eine Chemotherapie hat erhebliche Nebenwirkungen. Bildrechte: imago/Science Photo Library

So werden auch viele Prostatakrebsfälle diagnostiziert, die sich ohne den Test nie bemerkbar gemacht hätten und die beim Patienten keine Beschwerden ausgelöst hätten. Dies fällt dann unter den Begriff Überdiagnose. Krebsarten können sich unbemerkt über Jahre entwickeln. Die betroffene Person wäre vielleicht gestorben, ohne je von der Erkrankung erfahren zu haben. Im Falle von Krebs hätte sie sich dann Untersuchungen ersparen können, die ihre Lebensqualität erheblich gemindert hätten. Eine Chemotherapie etwa. "Demgegenüber steht der potentielle Vorteil, das bei früher Diagnose noch ein niedrigeres Tumorstadium vorliegen könnte, was den Behandlungserfolg verbessern kann", erklärt Ulrich Hacker.

Grundsätzlich ist aber der Behandlungserfolg umso größer, je früher ein Tumor entdeckt wird. Denn dann hat er wahrscheinlich noch keine Metastasen im Körper gebildet.

Eine Entscheidung für oder gegen einen PSA-Test muss jede Person für sich treffen. Weitere Informationen zur Früherkennung von Prostatakrebs hier.

Gunnar Folprecht vom Universitätskrebszentrum in Dresden sieht eine gute Möglichkeit, Bluttests einzusetzen, wenn bereits ein Verdacht auf eine Krebserkrankung besteht. Wird bei einer Patientin zum Beispiel Brustkrebs vermutet, könnte ein Bluttest den Verdacht erhärten und weitere Tests begründen oder aber Entwarnung geben.

Bei Patientinnen und Patienten, die wegen Krebs bereits in Behandlung sind, könnte ein Bluttest unnötige Nachfolgebehandlungen verhindern. Ein Patient kann zum Beispiel wegen Darmkrebs in Behandlung sein. Bei einer Operation wurden Tumore im Darm entfernt. Nach der operativen Entfernung soll noch zusätzlich bestrahlt werden, um möglicherweise unentdeckte Tumore und Metasthasen zu entfernen. Ein Bluttest, der auf Tumor-DNA anschlägt, könnte zeigen, ob tatsächlich noch Tumore im Körper vorhanden sind und eine unnötige Chemotherapie vermeiden. Hier ist auch eine gezieltere Suche möglich als beim kompletten Screening-Test. Denn oft ist bekannt, in welche andere Organe eine bestimmte Krebsart streut. Gunnar Folbrecht ist an Studien beteiligt, die den Einsatz solcher gezielten Bluttests bei Darmkrebs erforschen.

Die Zukunft des Galleri-Tests Der eingangs erwähnte Galleri-Bluttest soll demnächst an 140.000 Personen, bei denen keine Krebserkrankung bekannt ist, getestet werden. So wollen die Forschenden herausfinden, inwieweit der Test Überdiagnosen verursacht.
"Wir brauchen vergleichende Studien für alle Krebsarten. So können wir herausfinden, ob ein Früherkennungstest die Erkrankungs- und Sterberate beeinflusst", sagt Fabrice André, Onkologe am Gustave Roussy Institut zur Erforschung und Behandlung von Krebserkrankungen.

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