C02-Ausstoß Der Klimawandel findet trotz Corona statt
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19. Juni 2020, 15:01 Uhr
Der Himmel blau, die Flieger am Boden, die Industrie mit gedrosselter Produktion, Menschen im Homeoffice: Und schon sinkt der C02-Ausstoß drastisch im Vergleich mit 2019. Zu schön um wahr zu sein, sagen Wissenschaftler.
Kaum noch Flüge, brachliegende Industrie, geringerer Verbrauch von Öl und Benzin. In Zahlen sieht die bisherige Bilanz der Corona-Krise so aus: 2020 dürften etwa acht Prozent weniger Kohlendioxid in die Atmosphäre geschleudert werden als 2019. Dies wäre der stärkste Rückgang seit dem Zweiten Weltkrieg. Globale Erwärmung gestoppt, Klimakatastrophe abgewendet? Mojib Latif sieht das anders. Er sagt, wenn es so einfach wäre, wäre es schön.
Aber so ist es leider nicht: Ich vergleiche die Situation immer mit der Staatsverschuldung. Wenn wir nächstes Jahr weniger Staatsschulden aufnehmen als dieses Jahr, heißt das ja nicht, dass der Schuldenberg sinkt, sondern er steigt weiterhin.
Mojib Latif arbeitet an der Uni Kiel und ist der Vorsitzende des Deutschen Klima-Konsortiums, eines Wissenschaftsverbandes aus 25 Forschungsinstituten. Er vergleicht das Prinzip des Schuldenbergs mit dem CO₂-Ausstoß.
Das CO₂, das wir in die Atmosphäre entlassen, das ist so langlebig, dass alles, was wir zusätzlich rein geben sozusagen on top kommt. Deswegen wächst der CO₂-Berg trotzdem, und deswegen hatten wir ihm Mai wieder einen neuen historischen Höchststand beim CO₂-Gehalt der Luft.
Auch in den Monaten davor, im März und im April, hatte das Umweltbundesamt auf seiner Messstation auf der Zugspitze schon um die 416 ppm gemessen, also 416 Teilchen Kohlendioxid pro Million Teilchen Luft. Das sind neue Rekorde. Trotz globalen Shutdowns gibt es also derzeit so viel Kohlendioxid in der Atmosphäre wie noch nie. Und das liegt an der Langlebigkeit dieses Treibhausgases, an der langen Verweildauer von CO₂ in der Luft. "Wenn wir Kohlendioxid in die Atmosphäre entlassen, muss es ja irgendwie wieder rausgehen", sagt Latif:
Das CO₂ muss über die natürlichen Senken aufgenommen werden, die Weltmeere und die Pflanzen. Das dauert seine Zeit. Deswegen haben wir heute schon einen CO₂-Gehalt in der Luft – es würde vermutlich jetzt schon Jahrtausende dauern, bis der sich wieder normalisiert hätte.
Kurzfristig Ausstoß zu reduzieren hilft langfristig nicht
Trotz Rückgangs des Schadstoffausstoßes in den Monaten März, April und Mai im Frühjahr 2020 ist die Belastung der Atmosphäre mit Kohlendioxid insgesamt weiter gestiegen – weil immer noch mehr hinzukommt als abgebaut wird. Das bestätigt auch Felix Creutzig von der TU Berlin:
CO₂ bleibt über hundert Jahre in der Atmosphäre. Das sind sehr lange Zeitskalen. Das heißt also, dass wir nicht darauf setzen können, jetzt einmal ganz kurzfristig die Emissionen zurückzudrehen, und damit ist Klimaschutz erreicht.
Das helfe überhaupt nicht und sei auch kein Klimaschutz, führt Felix Creutzig weiter aus. Er ist Gruppenleiter für Landnutzung, Transport und Infrastruktur beim Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change. Klimaschutz, so sagt er, sei so etwas wie eine Badewanne, in die CO₂-Emissionen einlaufen:
Wenn wir einen kleinen Rückgang haben, dann laufen die gerade einmal ein bisschen langsamer ein. Aber wir drohen trotzdem, die Badewanne zu überfluten.
Klima bleibt eine Herkulesaufgabe
Es ist eher eine Nebenwirkung der Coronakrise. Acht Prozent weniger Schadstoffausstoß global, übers Jahr gerechnet – das hatte vorher kein Land der Welt mit noch so vielen Maßnahmen gegen den Klimawandel aus eigener Kraft erreicht. Für Mojib Latif stehen wir vor einer Herkulesaufgabe:
Dieser Rückgang ist natürlich gewaltig. Das kann man dadurch verdeutlichen, dass wir jedes Jahr den Ausstoß von CO₂ in dieser Größenordnung senken müssten, um das Pariser Klimaabkommen einzuhalten. Das heißt auch nächstes Jahr und übernächstes Jahr – und das alles ohne eine Coronakrise.
Drei Monate globaler Lockdown – so viel Rückgang an Schadstoffausstoßen wäre also regelmäßig nötig, um die globale Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad zu beschränken. In diesem Jahr wird Deutschland das jährliche Ziel von vierzig Prozent weniger Treibhausgasen im Vergleich zu 1990 schaffen. Felix Creutzig bestätigt, dass das ungefähr der Fall sein werde, und Corona helfe, die 2020-Ziele zu erreichen. Aber er merkt auch an:
Das bedeutet nicht, dass wir für 2030 auf einem guten Weg sind, weil es danach wieder nach oben gehen wird. Für 2030 brauchen wir starke Anstrengungen, um diese 2030-Ziele zu erreichen.
Denn im kommenden Jahr wird der CO₂-Ausstoß wohl wieder auf die Werte vom vergangenen Jahr klettern.
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