Migrationsforschung Wo der Klimawandel Migration beeinflusst

16. September 2020, 15:19 Uhr

Vor fünf Jahren hatte die sogenannte "Flüchtlingskrise" in Europa ihren Höhepunkt erreicht. Seitdem wurde bundes- und EU-weit die Asylpolitik verschärft. Doch Migration findet natürlich trotzdem statt. Und dass Menschen ihre Heimat verlassen, hängt nicht nur mit Kriegen zusammen. Auch der Klimawandel spielt bei der Flucht eine Rolle. Welche, verrät eine Studie aus Potsdam.

Blick auf eine langgestreckte Insel im Meer
Blick auf das Majuro-Atoll, mit der gleichnamigen Hauptstadt der Marshallinseln. Knapp 60.000 Menschen leben dort. Bildrechte: imago images / VWPics

Die Marshallinseln im Westpazifik gehen unter. Einige sind inzwischen nur noch wenige Meter breit. Geschmolzene Eiskappen lassen die Meere steigen. Dadurch versalzen die Trinkwasserquellen auf den Inseln. Neben den Marshallinseln sind auch andere Südseeinseln durch den steigenden Meeresspiegel bedroht. Sollte sich keine Lösung für sie finden, bleibt den Menschen dort nur die Flucht. So berichtet eine Zeitung, dass die Regierung des Inselstaats Tuvalu schon 2009 vorsorglich Asyl in Australien und Neuseeland für alle seine Bewohner beantragt habe. Doch dieses Szenario ist die Ausnahme, erklärt Dr. Roman Hoffmann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung - kurz PIK:

Umweltfaktoren sind selten der einzige Grund, warum Menschen sich auf den Weg machen. Es gibt oft mehrere Migrationsursachen, Migrationsgründe und die hängen oft sehr eng miteinander zusammen.

Dr. Roman Hoffmann

Binnen-Migration - muss man sich leisten können

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MDR AKTUELL Di 15.09.2020 15:57Uhr 03:05 min

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Ein fünfköpfiges Team um Hoffmann vom PIK und das Wiener Institut für Demographie hat mehrere Studien zum Thema Klimawandel und Migration verglichen. Dabei sind den Wissenschaftlern verschiedene Faktoren aufgefallen, die Migration aufgrund von Umwelteinflüssen begünstigen. Etwa, dass steigende Temperaturen, Stürme oder starke Regenfälle vor allem in den Ländern Migration auslösen, die stark landwirtschaftlich geprägt sind. Verständlich, denn gerade hier sind die Menschen besonders vom Wetter abhängig. Doch auch die wirtschaftliche Situation spielt eine Rolle bei der umweltbedingten Migration, erklärt Hoffmann:

So sehen wir, dass es vor allem Länder sind, die ein mittleres Einkommensniveau haben, in denen Klima- und Umweltmigration besonders häufig auftritt. Das interpretieren wir so, dass es in ärmeren Ländern häufig an Ressourcen fehlt, die für die Migration benötigt werden. (…) Und in reicheren Ländern sehen wir eher, dass Kapazitäten zu hoch sind, das Umwelteinflüsse abgedämpft werden können und sie so nicht den Bedarf haben zu migrieren.

Dr. Roman Hoffmann

Binnen-Migration am Beispiel New Orleans

Zerstörungen nach Hurrikan Katrina
New Orleans nach Hurrikan Katrina 2005: Von den 200.000 Geflüchteten kam nur die Hälfte zurück in die Stadt. Bildrechte: imago images / Ardea

In den sehr armen und eher wohlhabenden Ländern kommt es dann eher zu einer Migration innerhalb eines Landes. So auch 2005 nach dem Hurrikan Katrina in den USA. Knapp 200.000 Einwohner hatten nach dem Sturm und den Überschwemmungen New Orleans verlassen. Gut die Hälfte von ihnen war zehn Jahre nach der Katastrophe wieder in die Stadt zurückgekehrt. Der andere Teil hatte sich Großteils in Texas niedergelassen. Das sei gerade für kurzfristige Natur-Katastrophen typisch. In einigen Ländern führen solche Umweltfaktoren allerdings auch zu neuen Konflikten und das verstärkt den Migrationsdruck auf die Bevölkerung, sagt Hoffmann:

Das kann ganz verschiedene Formen annehmen, von Bürgerkriegen, bis hin zu kleineren Konflikten über Nahrungsmittelverknappung. Wir erkennen, dass es ein Zusammenspiel gibt zwischen Umwelteinflüssen, dem Ausbruch von Konflikten und Migration. Hier Beispiele zu nennen wäre Syrien, Südamerika, oder Süd-Asien.

Dr. Roman Hoffmann

Vor dem Hintergrund dieser Untersuchung scheinen zukünftig einige Länder und Regionen besonders anfällig zu sein für Umweltmigration. Die Autoren der Studie nennen hier besonders Lateinamerika und die Karibik, afrikanische Länder in der Sahelzone und Ostafrika, sowie in West-, Süd- und Südostasien.

Die Studie des Potsdamer Forschungsinstitutes wurde im Fachmagazin Nature Climate Change veröffentlicht.

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