Klimawandel Wirtschaftswachstum trotz Klimaschutz – ist das möglich?
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25. Februar 2022, 17:36 Uhr
Können wir mit CO2-neutralem Verkehr, ökologischer Landwirtschaft und erneuerbaren Energien ein Wirtschaftswachstum bekommen, das Umwelt und Klima schützt? Experten sind skeptisch. Sie verlangen eine Abwehr vom Wachstum.
Ein politisches Paradigma quer über die meisten Parteigrenzen hinweg lautet: Die Wirtschaft muss wachsen – immer weiter, je mehr, desto besser für die Zufriedenheit der Menschen. Wachstum bringt Fortschritt, schafft Wohlstand für alle. Doch Wirtschaftswachstum hat einen Preis, es basiert auf der Ausbeutung von Arbeitskraft und natürlichen Ressourcen. Der Raubbau an der Umwelt erreicht die Grenzen, die der Club of Rome vor genau 50 Jahren, Anfang 1972, vorhergesagt hat. Ein beispielloses Aussterben von Tier und Pflanzenarten ist in vollem Gang. Das Weltklima erwärmt sich und könnte bald in eine Heißzeit kippen, mit katastrophalen Folgen für Menschen, Tiere und Pflanzen.
Aber ist ein anderes Wirtschaftswachstum möglich? Eines, bei dem der Wohlstand klimaneutral zunimmt? Können grüne Technologien, Ökolandwirtschaft und nachhaltige Produkte einen Konsum ermöglichen, der die Natur intakt lässt? Bei einer Diskussionsrunde des Sciencemediacenters (SMC) sind drei Forschende da eher skeptisch. Ohne eine deutliche Begrenzung des Wachstums und ohne, dass das Paradigma vom Wirtschaftswachstum durch andere Ziele abgelöst wird, sei der Kampf gegen Klimawandel und Artensterben nicht zu gewinnen.
Substitution: Neue Technologien schaffen neue Nachfragen nach anderen Ressourcen
Erfolge bei der Umstellung der Wirtschaft gebe es durchaus, sagt der Wirtschaftswissenschaftler Michael Jakob vom Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change in Berlin. Steige der Verbrauch von Energie und natürlichen Ressourcen stark an, wenn in einem Land die Industrialisierung beginne, so flache die Kurve später stark ab. "Das gilt auch für die Klimaemissionen, wie man am Beispiel der EU sieht. Dort haben wir einen deutlichen Rückgang vom CO2-Ausstoß bei gleichzeitig moderatem Wirtschaftswachstum", sagt Jakob.
Eine genaue Analyse zeige zudem, dass der Rückgang echt sei und nicht einfach nur durch in andere Erdteile verlagerte Produktion entstehe. Leider gehe die Entwicklung viel zu langsam, um das Ziel der Begrenzung der Erwärmung auf zwei Grad noch erreichen zu können. Und die Entwicklung passiere nicht von allein, sondern die Politik müsse sich dazu entschließen. "Man braucht die entsprechenden Policies, die dafür den regulatorischen Rahmen schaffen."
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Außerdem sieht Jakob die Gefahr, dass ein Umbau von Wirtschaft immer auch ein Ausweichen auf bislang unberührte Ressourcen bedeute. Digitalisierung und Smartphones führen vielleicht dazu, dass Menschen seltener reisen müssen. Dafür werden nun seltene Erden gebraucht. "Biokraftstoffe verschärfen den Druck auf die Landnutzung", sagt er, um ein weiteres Beispiel zu nennen.
Suffizienz: Den Verbrauch auf das absolut nötige Minimum senken
Doris Fuchs, Professorin für Internationale Beziehungen und Nachhaltige Entwicklung an der Universität Münster wiederum sieht häufige Rebound-Effekte. "Die Konsumenten nehmen jetzt andere Produkte, aber sie brauchen dann mehr davon." Autos hätten heute effizientere Motoren, dafür würden die Karossen größer. "Alles, was wir einsparen, geben wir auf der anderen Seite wieder aus."
Steffen Lange vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung glaubt, dass nur sogenannte Suffizienz-Maßnahmen dauerhaft weiterhelfen können. Suffizienz bedeutet, den Verbrauch in vielen Bereichen auf das nötigste Minimum zu senken. "Wenn wir im globalen Norden weniger konsumieren, weniger fliegen, auf weniger Raum leben und weniger tierische Produkte konsumieren, dann würde das wirklich helfen, die Treibhausgase zu reduzieren."
Mehr zu verzichten heiße aber nicht, etwas zu verlieren. Im Gegenteil. "Wenn wir heute durch Suffizienz den Klimawandel verringern, dann ermöglicht uns das ein materiell besseres Leben in einigen Jahrzehnten, weil Zerstörungen durch große klimatische Katastrophen ausbleiben."
Sozialsysteme wie Rente und Gesundheit vom Wachstum entkoppeln
Eine einfache Erhöhung der Preise etwa für CO2 hält Doris Fuchs allerdings nicht für eine gute Option. Notwendig seien dringend soziale Ausgleiche, damit teureres Fleisch oder teurere Treibstoffe nicht bedeuten, dass nur noch sehr Wohlhabende sich weite Reisen und fleischhaltiges Essen leisten können. "Suffizienz bedeutet, wir müssen bei der Frage der menschlichen Bedürfnisse ansetzen, die befriedigt werden müssen. Es geht darum zu fragen: Was brauchen wir wirklich?"
Ein Ansatz dafür könne sein, vom Wirtschaftswachstum und dem damit verbundenen Bruttoinlandsprodukt als zentralem Hinweis dafür wegzukommen, ob es einer Gesellschaft gut gehe. "Es gibt viele Indikatoren, die deutlich mehr Aspekte berücksichtigen. Der 'Sustainable Societies Index' berücksichtigt etwa neben wirtschaftlichen auch politische Aspekte und die Umwelt", sagt Doris Fuchs. Steffen Lange ergänzt: "Die Wissenschaft ist sich einig, dass Wirtschaftswachstum kein guter Indikator für Wohlbefinden ist. Dafür war er auch nie vorgesehen."
Das Problem werde aber nicht allein durch andere Indikatoren, also durch eine andere Betrachtung gelöst. Auch die Systeme müssten geändert werden. "Wir haben wachstumsabhängige Bereiche, etwa Rente und Gesundheit, die sind – so wie sie jetzt gerade konzipiert sind – auf Wachstum angewiesen."
Gesellschaften brauchen neue Ziele
Michael Lange glaubt, dass neue Ziele definiert werden müssen, die unsere Gesellschaften erreichen wollen. So könnten Menschen vielleicht sogar glücklicher werden, wenn die Wirtschaft schrumpfe. Produziere man weniger landwirtschaftliche Produkte als bisher, denen man aber einen höheren Wert zumesse – Beispiel Biofleisch – dann könne das Erreichen dieser Ziele auch eine Art von Wachstum bedeuten. "Da ist natürlich entscheidend, welche gesellschaftlichen Wertvorstellungen wir entwickeln."
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