MDR KLIMA-UPDATE | 29. April 2022 Was bringt ein 9-Euro-Ticket dem Klima und dem Verkehr?
Hauptinhalt
29. April 2022, 11:09 Uhr
Das 9-Euro-Ticket soll Pendlern den ÖPNV als kostengünstige Alternative attraktiv machen. Wie groß könnte der Effekt für das Klima sein? Außerdem: Wie Deutschland Putins Krieg finanziert.
Liebe Lesende,
haben Sie für Ihren Sommerurlaub bereits Pläne? Reiseveranstalter registrieren wieder deutlich mehr Buchungen für Fernreisen, oft mit dem Flugzeug. Ich kann das zwar irgendwie nachvollziehen. Nach den beiden Pandemiejahren wollen viele Menschen endlich mal wieder raus und etwas von der Welt sehen. Aber für das Klima ist jeder geflogene Kilometer echtes Gift. Denn Flugzeuge verbrauchen nicht nur besonders viele fossile Brennstoffe, sondern sie stoßen das CO2 auch noch in genau den hohen Luftschichten aus, wo sein Treibhauseffekt ganz besonders stark ist.
Ich lade Sie daher zu einem ganz anderen Abenteuer ein. Ab ersten Juni soll überall in Deutschland ein 9-Euro-Ticket für den Nahverkehr angeboten werden. Das Beste daran: Das Ticket gilt für den gesamten ÖPNV der Bundesrepublik. Das bedeutet, Sie können für weniger als 10 Euro eine Art Interrail durch Deutschland unternehmen, wenn sie keine Scheu vor häufigen Umstiegen haben.
Besuchen Sie die Urwälder im Bayrischen Wald oder im Hunsrück oder beobachten Sie wilde Tiere am Stettiner Haff. Unser Land bietet viele Möglichkeiten für Abenteuer in der Natur.
Was das 9-Euro-Ticket sonst noch so kann und was eher nicht, erfahren Sie weiter unten in diesem Newsletter und im dort verlinkten ausführlichen Beitrag meines Kollegen Marcel Roth.
[#] Zahl der Woche
9,1 Milliarden Euro
... hat Deutschland an Russland für Energielieferungen gezahlt, seitdem das Land seinen Nachbarn Ukraine überfallen hat. Das zeigen Berechnungen des finnischen Think Tanks "Centre for Research on Energy and Clean Air" (CREA). Die Deutschen waren damit bislang die wichtigsten Garanten dafür, dass die ansonsten wirtschaftlich weitgehend isolierte Regierung Wladimir Putin weiterhin finanziell liquide bleibt.
Die nächstgrößeren Kunden waren Italien (6.9 Mrd. EUR), China (6.7 Mrd. EUR), die Niederlande (5.6 Mrd. EUR), die Türkei (4.1 Mrd. EUR) and Frankreich (3.8 Mrd. EUR). Die gesamte Europäische Union ist demnach für etwa 44 Milliarden Euro (71 Prozent) an Einnahmen verantwortlich, die Russland seit Beginn seines Feldzugs durch Energieexporte erzielen konnte.
Die Zahl illustriert, wie sehr Deutschlands Abhängigkeit von russischer Energie und seine Angst vor einer Wirtschaftskrise die Versuche konterkariert, den Krieg für Russland unbezahlbar zu machen. Die Bundesrepublik beliefert so gesehen beide Kriegsparteien: Die Ukraine mit Waffen und Russland mit Geld.
🚎 Hilft ein 9-Euro-Ticket dem Klima?
Deutschland debattiert über die Umsetzung des 9-Euro-Tickets, das deutschlandweit ab ersten Juni drei Monate lang angeboten werden soll. Für jeweils 9 Euro im Monat können Karteninhaber den öffentlichen Nahverkehr benutzen - und zwar über die Grenzen der einzelnen Verkehrsverbünde hinweg. Theoretisch sind also - mit häufigerem Umsteigen verbunden - Fahrten durch die ganze Bundesrepublik möglich.
Die Maßnahme soll Pendler entlasten. Weil der Krieg in der Ukraine vor allem Kraftstoffe wie Benzin und Diesel deutlich teurer gemacht hat, sind die Ausgaben für den Weg zur Arbeit gerade bei Autofahrern erheblich gestiegen.
Könnten alle Pendler, die mit dem Auto oder Motorrad zur Arbeit fahren, zum Umstieg auf den ÖPNV bewegt werden, könnten rechnerisch bis zu 21,3 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente eingespart werden.
Allerdings kritisieren auch Wissenschaftler diese Annahme als unrealistisch. Profitieren dürften vor allem die 27 Millionen Deutschen, die in den großen Städten und ihrem direkten Umland wohnen. Dort ist der ÖPNV am besten ausgebaut. Die anderen 55 Millionen sind Bewohner ländlicher Regionen. Dort fahren Busse oft nur selten. Zugleich werden viele Linien dort so geplant, dass sie ein möglichst großes Gebiet abdecken, wodurch sich die Fahrzeit verlängert.
Auf dem Land werden also andere Maßnahmen gebraucht, um den Abschied vom individuellen Autoverkehr attraktiv zu machen. Wie das aussehen könnte, hat mein Kollege Marcel Roth in diesem Beitrag zusammengefasst.
🗓 Klimatermine
Samstag, 30. April, Oederan
27. Aktionstag "Erneuerbare Energien" im erzgebirgischen Oederan. An einem Stand informiert die Sächsische Energieagentur SAENA über technologische Möglichkeiten. Zudem wird eine Führung zu den Standorten der im Rahmen des Projekts AR4Wind geplanten Windenergieanlagen am Berg Ranis angeboten, wo sich Besucher mit Hilfe von Virtual Reality ansehen können, wie die fertigen Anlagen aussehen werden.
Samstag, 30. April, Leipzig
Auf der Sachsenbrücke im Clara-Zetkin-Park wurden im April "Warming Stripes" aufgebracht, eine Installation, die die steigenden Temperaturen als farbige Streifen auf der Straße illustriert. Die hintereinanderliegenden Streifen zeigen in den Farben blau bis rot die Abweichung der jährlichen Durchschnittstemperaturen vom Mittelwert der Jahre 1971 bis 2000. Zu sehen sind tiefblaue Jahre um 1850, eher weiße Jahre in der Mitte der 20 Jahrhunderts und tief rote Jahre in der Gegenwart. An diesem Samstag werden die Warming Stripes mit einer Kundgebung offiziell der Öffentlichkeit vorgestellt.
Samstag, 30. April, Magdeburg
Bei der Grünen Messe 2022 in den Gruson-Gewächshäusern wollen die Magdeburger Stadtwerke zeigen, dass Klimaschutz durchaus Spaß machen kann. Vorgestellt werden neue E-Autos und Food-Trends, außerdem gibt es Beratungsangebote zum Thema Energie und Energiesparen nicht nur im Haushalt.
📰 Klimaforschung und Menschheit
Korallenriffe können sich erholen
Korallenriffe können sich auch nach großflächigen Korallenbleichen innerhalb weniger Jahre erholen. Das haben Forschende des Leibniz-Zentrums für Marine Tropenforschung (ZMT) in Zusammenarbeit mit der englischen Universität Exeter nun am Beispiel des abgelegenen Chagos-Archipels im indischen Ozean festgestellt. Dort war es 2015 und 2016 zu einer großen Bleiche gekommen. 2021, fünf Jahre später, waren die Korallen in fast alle Bereiche des Riffs zurückgekehrt. Die Artenvielfalt konnte erhalten bleiben. Voraussetzung für solche Regenerationsprozesse sei aber das Ausbleiben neuerlicher Hitzewellen, die zu erneuten Korallenbleichen führen, fasst die Mitteilung beim Informationsdienst Wissenschaft zusammen.
Beschädigter Amazonasregenwald wird stiller
Im renommierten Journals PNAS präsentiert ein Team von Forschenden um Danielle Rappaport einen neuen Ansatz zur Messung von Biodiversität und dem allgemeinen Zustand von Ökosystemen. Die Geografen verglichen die Lautstärke und Diversität von Tiergeräuschen zwischen intakten Regionen des Amazonas-Regenwalds und Gebieten, die von Abholzung und Brandrodung betroffen waren. Besonders die Geräusche von Insekten seien in den geschädigten Wäldern stark zurückgegangen und monotoner geworden. Die Messung von Tiergeräuschen könnte eine Methode, wie sich die Qualität von Ökosystemen relativ einfach untersuchen lässt, führen sie in ihrer Studie aus.
📻 Klima in MDR und ARD
👋 Zum Schluss
Danke für Ihre Feedback, das Sie uns regelmäßig per E-Mail zukommen lassen! Vergangene Woche hat uns Herr Deisting geschrieben, er habe angesichts des Krieges in der Ukraine "jegliche Hoffnung auf globale Maßnahmen zur Abschwächung der gefährlichen weltweiten Erderwärmung verloren". Ich möchte dem etwas Optimismus entgegenhalten: Gerade der Krieg scheint derzeit nämlich ein erheblicher Motor für die Energiewende zu werden.
Aber natürlich stimmt auch, dass die internationale Zusammenarbeit beim Klima durch den Krieg gerade etwas in den Hintergrund tritt. Ich hoff daher sehr, dass die Kampfhandlungen bald enden und es danach gelingt, eine neue Zusammenarbeit mit Russland aufzubauen mit dem Ziel der Rettung unserer Ökosysteme.
An dieser Stelle eine Bitte an Sie, liebe Lesende: Planen Sie eigene öffentliche Veranstaltungen zum Thema Klima- oder Umweltschutz in Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen? Informieren Sie uns gerne über diese Termine und wir teilen Sie mit inzwischen rund 1300 Empfängerinnen und Empfängern dieses Newsletters.
Herzliche Grüße
Ihr Clemens Haug
Sie haben eine Frage oder Feedback?
Schreiben Sie uns an klima@mdr.de.