MDR KLIMA-UPDATE | 29. Juli 2022 Es brennt! So können wir die Erde schonen
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29. Juli 2022, 11:00 Uhr
Vor einigen Wochen haben wir in diesem Newsletter erklärt, warum wir in Zukunft mehr Waldbrände erwarten müssen. Jetzt sind die Waldbrände da: In der Sächsischen Schweiz ist der Katastrophenalarm ausgerufen worden. Katastrophal ist auch der Umgang der Menschheit mit den Ressourcen der Erde: Die sind immer schneller aufgebraucht. Aber es gibt Möglichkeiten, das zu ändern.
Hallo!
Vor einigen Wochen hatte mein Kollege Christian Dittmar erklärt, warum wir uns auf immer mehr Waldbrände einstellen müssen. Die Zukunft, die im Newsletter fern wirkte, scheint jetzt da zu sein. Am vergangenen Wochenende ist in der Böhmischen Schweiz ein Waldbrand ausgebrochen, der sich bis Dienstag in die Sächsische Schweiz ausgebreitet hat. Der Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge hat den Katastrophenalarm ausgerufen. Was das für die Menschen vor Ort bedeutet, erfahren Sie hier. Im Süden Brandenburgs war am Dienstag ein weiterer Waldbrand ausgebrochen, der sich rasch auf einer Fläche von rund 850 Hektar bis ins nördliche Sachsen ausbreitete.
Jetzt soll es um das gehen, was wir verbrennen: Gestern war der Tag, an dem die Menschheit die Ressourcen der Erde für dieses Jahr aufgebraucht hat. Der "Earth Overshoot Day" fiel in diesem Jahr auf den 28 Juli. Dieses Datum ist eine Schätzung, die das "Global Footprint Network" jährlich herausgibt. Sie basiert auf Langzeitdaten und aktuellen Messungen der Footprint Data Foundation und der York University. Dazu gleich mehr.
Vor etwa 50 Jahren war dem Global Footprint Network zufolge erst am Jahresende Earth Overshoot Day. Damals haben die Menschen in einem Jahr also ungefähr die Ressourcen verbraucht, die die Erde im selben Zeitraum regenerieren kann. Das sieht heute anders aus.
[#] Zahl der Woche
1,75
Die Ressourcen von einer und einer dreiviertel Erde verbraucht die Menschheit aktuell innerhalb eines Jahres. Das schätzt das Global Footprint Network. Die erste Erde haben wir in diesem Jahr innerhalb von rund 200 Tagen aufgebraucht. Weil wir nur eine Erde haben, das Jahr aber 365 Tage, ist alles, was wir darüber hinaus verbrauchen, ein Defizit auf dem Ressourcenkonto zukünftiger Generationen.
In Deutschland verbrauchen wir den Berechnungen zufolge jährlich sogar die Ressourcen von drei Erden. Hier war der Earth Overshoot Day schon am 4. Mai.
Wann Ihr persönlicher Earth Overshoot Day ist und wie viele Ressourcen Sie verbrauchen, können Sie hier berechnen. Ganz ehrlich: Diese persönliche Schätzung finde ich (Verbrauch: 2,3 Erden pro Jahr) interessant, mehr aber auch nicht. Natürlich können alle von uns etwas für das Klima tun, zum Beispiel, das Grün in unserer Umgebung schützen oder Kleidung bewusster einkaufen. Letztlich ist die Klimakrise aber kein Problem, das man individuell lösen könnte.
Was meinen Sie? Schreiben Sie uns Ihre Antwort an klima@mdr.de.
So werden die Ressourcen der Welt verbrannt
Die Bilanz, mit der das Global Footprint Network den Earth Overshoot Day ermittelt, setzt sich diesem zufolge aus hunderttausenden Daten auf nationaler Ebene zusammen, wie in diesem Video dargestellt ist. Dabei gehe es um Ressourcen aus vier Bereichen:
- Lebensmittel, Faserstoffe und Holz
- Platz für Straßen, Infrastruktur und Gebäude
- Stoffe für die Energieproduktion
- Aufnahmekapazitäten für Abfallprodukte, wie CO2 aus fossilen Brennstoffen
Bei der Berechnung werden Biokapazität – das, was sich auf der Erde regeneriert – und ökologischer Fußabdruck – das, was Menschen verbrauchen – gegenübergestellt. Die Maßeinheit ist ein "Globaler Hektar" (gha), der einem Hektar Land mit durchschnittlicher biologischer Kapazität entspricht.
Das Global Footprint Network schätzt, dass 2022 jedem Menschen auf der Welt 1,5 Globale Hektar Biokapazität zur Verfügung stehen. Auf der anderen Seite der Rechnung stünden 2,7 Globale Hektar ökologischer Fußabdruck pro Person. Wie treffsicher diese Schätzung sei, lasse sich erst in einigen Jahren sagen, wenn die exakten Daten zur Verfügung stehen. Dass die Korrektur von Schätzfehlern das Ungleichgewicht ausgleicht, ist aber unwahrscheinlich.
Hier sehen Sie die Entwicklung des Erdüberlastungstags seit 1970:
...und so könnte die Menschheit Ressourcen schonen
Dass der Earth Overshoot Day in diesem Jahr früher ist als 2021, zeige, dass die bisherigen Bestrebungen, die Umweltinanspruchnahme zu verringern, nicht ansatzweise ausreichen, kommentierte der Vorsitzende des BUND Sachsen, Felix Ekardt. Werthaltungen und Faktenwissen allein können laut Ekardt wenig ausrichten: "Sonst hätten wir in einem Land, in dem so viel über Klimaschutz geredet wird, wie in Deutschland, keine derart desaströse Bilanz."
Um diese Bilanz zu verbessern, schlägt das Global Footprint Network in einer aktuellen Pressemitteilung drei Lösungsmöglichkeiten vor. Neu sind die nicht – umso erschreckender ist, wie viel sie aktuell noch verändern könnten, weil sie bislang so wenig umgesetzt werden.
Das sind die Vorschläge:
Weniger Lebensmittel für die Tonne produzieren
Würden auf der ganzen Welt halb so viele Lebensmittel verschwendet werden wie derzeit, wäre der Earth Overshoot Day dem Global Footprint Network zufolge fast zwei Wochen später. Die Studie "Driven To Waste", die die Umweltschutzorganisation WWF und der Lebensmitteleinzelhändler Tesco im vergangenen Jahr veröffentlicht haben, zeigt, dass weltweit jährlich mehr als zwei Milliarden Tonnen Lebensmittel weggeworfen werden. Davon würden 1,2 Milliarden Tonnen bereits im landwirtschaftlichen Stadium verschwendet. Und: Die Verschwendung verursache ein Zehntel der weltweiten Treibhausgasemissionen.
Mehr Strom mit Windkraft erzeugen
Auf der ganzen Welt mehr Strom durch landbasierte Windkraft zu erzeugen, könnte den Earth Overshoot Day um zehn Tage oder mehr nach hinten verschieben, erklärt das Global Footprint Network. Deutschland wird dabei neben Dänemark als Positivbeispiel genannt. Die Debatten rund um Windkraftflächen zeigen jedoch, dass Wind auch hier keine selbstverständliche oder allseits beliebte Energiequelle ist.
Nachhaltige Infrastruktur in Städten schaffen
Hätten Menschen weltweit mehr Möglichkeiten, das Fahrrad zu nutzen, um von A nach B zu kommen – etwa wie in den Niederlanden – könnte das den Earth Overshoot Day laut Global Footprint Network um mehr als eine Woche verzögern. Zudem sollten Städte ihren Einwohnerinnen und Einwohnern sichere, zugängliche, nachhaltige und bezahlbare öffentliche Verkehrsmittel bieten.
🗓 Klimatermine
DIENSTAG, 2. AUGUST, 17 UHR, DRESDEN
Neue Kleidungsstücke und Pflanzen bekommen, ohne dafür Geld auszugeben oder Ressourcen zu verbrauchen – das geht beim Kleider- und Pflanzentausch, den der BUND und die BUNDjugend in Dresden organisieren. Wer mitmachen will, kann bis zu fünf Kleidungsstücke und bis zu fünf Pflanzen in den Emil-Überall-Garten in Löbtau mitbringen und bei den mitgebrachten Sachen anderer fündig werden.
NOCH BIS MITTWOCH, 3. AUGUST, RACKWITZ BEI LEIPZIG
Seit dem 19. Juli campieren Klimaaktivistinnen und -aktivisten an der Schladitzer Bucht im Norden von Leipzig. Das Camp bietet nach Angaben der Organisatoren Möglichkeit für Bildung und Vernetzung, ebenso wie für "direkte Aktion".
NOCH BIS DONNERSTAG, 4. AUGUST, 19 Uhr, DESSAU-ROẞLAU
Bei der Ausstellung "Dessau.(re)connecting.earth" im Umweltbundesamt (Wörlitzer Platz 1) präsentieren laut Umweltbundesamt 16 internationale Künstlerinnen und Künstler Anleitungen für Kunstwerke, die sich mit der Interaktion von Natur, Tieren und Pflanzen in der Stadt auseinandersetzen. Ergänzt werde sie um Arbeiten von Studierenden der Hochschule Anhalt. Der Eintritt sei kostenlos. Das Umweltbundesamt ist Montag bis Freitag von 9 bis 19 Uhr und am Wochenende von 9 bis 16 Uhr geöffnet.
VORMERKEN: SAMSTAG, 27. AUGUST, 10 BIS 21 Uhr, LEIPZIG
Wie man sich in Leipzig für das Klima engagieren kann, zeigen Ende August mehr als 30 Klimagruppen und -Initiativen bei der Messe "Klimafair" auf dem Leipziger Marktplatz. Rundherum kündigen die Organisatoren ein Bühnenprogramm mit Livemusik und Redebeiträgen an. Es gebe Essen und Getränke und einen Spielbereich für Kinder.
📰 Klimaforschung und Menschheit
VON DER BETONWÜSTE ZUR SCHWAMMSTADT
Städte sind schlecht an den Klimawandel angepasst: Bei Hitze heizen sich die versiegelten Flächen noch mehr auf. Bei Starkregen versickert das Wasser schlecht im Boden. Blaugrüne Infrastrukturen (BGI) könnten die Probleme lösen, sagt Stefan Gyler, der aktuell die Professur für Wassermanagement und Klimaanpassung an der Universität Leipzig vertritt. Dazu zählten unter anderem Gründächer und Versickerungssysteme. Viele dieser blaugrünen Technologien seien grundsätzlich einfach. Schwieriger sei, sie systematisch umzusetzen. "Die Kommunen müssen Planung, Abstimmungsprozesse, Aufgabenverteilungen, Finanzierungsfragen und die Informationstools weiterentwickeln", sagt Gyler. Auch Grundstückseigentümer seien in der Verantwortung. Bundesweit gebe es erste Ansätze, um BGI strategisch einzusetzen und zu erforschen.
ERDSYSTEMWISSENSCHAFT SOLL GLOBALE PROBLEME ANGEHEN
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Leopoldina in Halle fordern, in Deutschland eine neue Wissenschaft zu etablieren, damit die Geowissenschaften besser zur Lösung weltweiter Herausforderungen beitragen können. "Die Erdsystemwissenschaft kann der interdisziplinäre Rahmen sein, der die geowissenschaftlichen Subdisziplinen stärker integriert", erklärt der Geologe und Sprecher der Arbeitsgruppe Erdsystemwissenschaft, Onno Oncken. So könnten verschiedene Fachrichtungen gemeinsam daran arbeiten, die Stabilität des Erdsystems und das Wohlergehen künftiger Generationen zu sichern, die aktuell durch menschliches Handeln gefährdet seien.
LEBENSRAUM FÜR WALE IN DER ARKTIS SCHRUMPFT
Wenn die Meere rund um Grönland wärmer werden, schrumpfen die Gebiete, in denen sich Narwale, Grönlandwale und Belugas aufhalten. Das zeigen Modellierungen auf der Grundlage von Satellitendaten und Klimaszenarien. Demnach werden die Wale in den Sommermonaten im Mittel ein Viertel ihres Lebensraumes verlieren. In den Wintermonaten kämen lediglich drei Prozent neuer Lebensraum hinzu. Zudem sei zu erwarten, dass die Wale in Zukunft weiter nördlich schwimmen.
Lesen Sie hier die Studie dazu.
📻 Klima im MDR
👋 Zum Schluss
...habe ich gute Nachrichten. Vor zwei Wochen hatte ich von fehlenden Hitzeaktionsplänen berichtet. Daraufhin meldete sich Guido Spohr vom Umwelt- und Naturschutzamt in Erfurt: "Sie haben unseren Erfurter Hitzeaktionsplan vergessen!"
Ich wollte mehr wissen und verabredete mich mit Spohr zu einer Videokonferenz. Mit dabei waren Britta Wetzel und Adrian Pfalzgraf, Consultant und Geschäftsführer von GreenAdapt. Das Berliner Unternehmen arbeitet im Auftrag der Stadt Erfurt an einem Maßnahmenkatalog. Dieser soll dem Stadtrat laut Spohr Anfang 2023 vorgelegt werden.
Zuerst setze man schnelle und einfache Maßnahmen um, erklärte Spohr. Einige seien bereits in Kraft: Seit zwei Jahren habe die Stadt beispielsweise ein Hitzeportal auf ihrer Website und die Stadt nutze weitere Möglichkeiten wie Informationstafeln und RSS-Feeds, um vor Hitze zu warnen.
Was langfristig notwendig und machbar sei, um Erfurt an die Hitze anzupassen, untersuche das Unternehmen GreenAdapt. "Man braucht für diese Maßnahmen immer Akteure, die sie sich auf die Fahnen schreiben", erklärte Adrian Pfalzgraf. Genau diese Akteure frage man, mit welchen Maßnahmen sie Erfahrungen haben und wo sie Verbesserungsbedarf sehen. Als Beispiel nannte Britta Wetzel Kliniken: Wie achten diese darauf, dass Patientinnen und Patienten ausreichend trinken? Welche Möglichkeiten haben sie, Zimmer zu lüften und abzudunkeln? Und: Wo benötigen die Häuser Unterstützung? Zudem sollen laut Spohr Erkenntnisse aus dem Forschungsprojekt "HeatResilientCity" einfließen.
Eine Recherche von Correctiv hatte zuletzt gezeigt, dass in Deutschland fast neun Millionen Menschen von Hitze gefährdet sind. Genaue Daten gebe es aber nicht. Daher wolle GreenAdapt erheben, wer in Erfurt besonders betroffen sei, sagte Pfalzgraf. Es sei wichtig, zu wissen, für wen man die Arbeit eigentlich mache. Denn: Ein Konzept für die Schublade soll der Hitzeaktionsplan nicht werden.
Möchten Sie ebenfalls von Projekten und Ansätzen erzählen, die der Klimakrise begegnen? Haben Sie Fragen rund um das Klima? Gibt es Kritik oder Wünsche, die Sie äußern möchten? Dann schreiben Sie eine E-Mail an klima@mdr.de.
Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende!
Viele Grüße
Maren Wilczek