Text Das MDR Klima-Update und Bild: Hocker. Schlitten und leicht beleuchteter Weihnachtsbaum stehen in grau-grünem Gras, daneben Kinder mit Rücken zu Kamera, teilweise gebückt
Bildrechte: imago/Westend61, MDR

MDR KLIMA-UPDATE | 23. Dezember 2022 Nur der Zuckerguss auf dem Pfefferkuchenhaus wird nicht weniger

Ausgabe #69 vom Freitag, 23. Dezember 2022

23. Dezember 2022, 16:20 Uhr

Junger Mann mit Bart, runder schwarzer Brille, schwarzem Basecap vor Roll-Up-Plane mit Logo von MDR WISSEN
Bildrechte: MDR

Guten Tag zusammen.

Es ist eine berechtigte Frage, wie ein Newsletter, der üblicherweise mit den großen Krisen der Menschheitsgeschichte zugange ist, sich an Ihrer aller Festtagsstimmung beteiligen kann. Wahrscheinlich gar nicht, um ehrlich zu sein. Wir verzichten an dieser Stelle auch auf die fünf besten klimapositiven Last-Minute-Geschenke oder Ratschläge, wie Sie Gans, Pute und Tofurky bei möglichst niedrigem Energieverbrauch sauber durchgebraten bekommen.

Fokussieren wir uns auf das Wesentliche zum Fest: Schnee, die in Witterungsverhältnisse gegossene Festlichkeit schlechthin. Vieles ist zu dieser Thematik schon gesagt. Nur: Manchmal sagt ein Blick auf nackige Zahlen mehr als gefühlte Wahrheiten.

Aber erstmal rodeln wir rüber nach Kanada, zur …


Zahl der Woche:

196

… Staaten unter einen Hut zu bekommen, ist kein Leichtes. Und deshalb ist der Agrarwissenschaftler Josef Settele von der Uni Halle auch durchaus zufrieden, was das Abschiedsabkommen der UN-Artenschutzkonferenz (COP CBD 15) in Montréal betrifft. Gegenüber der Tagesschau betont er, das Abkommen sei eine rechtliche Vereinbarung und damit mehr als bloß ein Papier. Es enthält zum Beispiel das Ziel, bis 2030 dreißig Prozent der Meeres- und Landflächen unter Schutz zu stellen oder die weltweite Halbierung des Pestizideinsatzes. Wie die Biodiversitätskrise auch vor der eigenen Haustür eine Rolle spielt, erzählt Ihnen der Kollege Clemens Haug in dieser Geschichte aus dem Holzberg-Steinbruch.

Gehören Schnee und Weihnachten jetzt zusammen oder nicht?

Ich glaube, der Dezember hat sich dieses Jahr eine 2+ im Notenheft verdient. Zum einen, weil er standesgemäß zeitweise bitterkalt daherkam. Und zum anderen, weil eine durchaus passable Schneedecke die Adventsstimmung ganz solide untermauert hat. Das funktioniert auch bei mir und meinem festtäglichen Gemüt ganz gut. Ich gehöre aber auch zu diesen Kandidaten, die nicht müde werden, ihr Umfeld jedes Jahr aufs Neue darüber zu unterrichten, dass Weihnachten und Schnee nicht zusammengehören – und es noch nie taten.

Das ist richtig und falsch zugleich. Denn früher waren sowohl Lametta als auch Schnee zwar nicht selbstverständlich, aber doch deutlich ergiebiger als dieser Tage. Das liegt daran, dass die Dezember schlichtweg wärmer geworden sind. Wenn wir uns die Durchschnittstemperaturen im Dezember anschauen, fallen verschiedene Dinge auf: Dezember, die deutlich zu warm waren, gab es seit 1881 immer wieder. In ähnlicher Regelmäßigkeit aber auch Winter, die deutlich zu kalt waren. Dieses Rauf und Runter der Durchschnittswerte sorgte in der Vergangenheit für einigermaßen ausgeglichene Verhältnisse:

Diagramm zeigt recht gleichmäßige Verteilung der Abweichungen von der Dezemberdurschnittstemperatur von 1880ern bis 1940er mit einer recht warmen Phase in den 1910ern
Bildrechte: MDR WISSEN

Je weiter wir uns der Gegenwart nähern, desto mehr gerät das Gleichgewicht der Dezembertemperaturen aus den Fugen. Ausschläge in Richtung bitterkalt werden merklich seltener:

Diagramm zeigt zunächst noch recht gleichmäßige Verteilung der Abweichungen von der Dezemberdurschnittstemperatur in 1960ern und 1970ern, bis 2020 aber eine Dominanz zu warmer Dezember
Bildrechte: MDR WISSEN

Und fanden im letzten Jahrzehnt überhaupt nicht mehr statt. Stattdessen zeigte sich der letzte Monat des Jahres mit Durchschnittstemperaturen von zwei, drei Grad über dem langjährigen Mittel. Und Werten, die mitunter einen Vorweihnachtsfrühling bescherten. Zum Beispiel war es 2012 zu Weihnachten in München mit über zwanzig Grad derart warm, dass die Eröffnung der Biergartensaison kurzerhand noch ins alte Jahr gelegt wurde.

Freilich sind Weißwurst und eine Halbe mit Vogelgezwitscher an der frischen Luft zum Fest trotzdem die Ausnahme. Bringt uns zu der Frage, was die wärmeren Dezember denn eigentlich über die Schneewahrscheinlichkeit am 24. Dezember aussagen. Der Kollege Robert Rönsch hat keine Mühen gescheut und genau diese Werte über die Jahre für alle mitteldeutschen Wetterstationen ermittelt. Hier mal ein Auszug aus den Daten:

☃️
1951-1960 24 %
1961-1970 59 %
1971-1980 12 %
1981-1990 22 %
1991-2000 28 %
2001-2010 45 %
2011-2020 0,4 %

Alles gesagt?

Insgesamt lässt sich feststellen, dass seit 1881 die Chance auf Schnee am Heiligabend bei gut einem Drittel lag, also grüne Weihnachten wahrscheinlicher sind. Das liegt am Weihnachtstauwetter, einem wiederkehrenden Wetterphänomen, das es schon seit Beginn der Wetteraufzeichnungen gibt. Die außerordentlichen Werte der Sechzigerjahre sind heute unvorstellbar (wenn Sie damals auf zarten Kinderfüßen standen, täuscht Ihr Eindruck also nicht, dass früher weiße Weihnachten nicht gerade unüblich waren.)

Fairerweise muss man sagen: Als Heiligabendschnee zählt das, was sieben Uhr morgens gemessen wurde. Denn … um diese Zeit misst man nun mal Schneehöhen. Wenn es aber erst zur Bescherung zu rieseln beginnt, sind das Werte, die dem ersten Weihnachtstag zu Gute kommen (sofern der Schnee überhaupt liegen bleibt). Das ändert an den Zahlen oben wenig, für das vergangene Jahrzehnt klettert die Wahrscheinlichkeit immerhin auf vier Prozent. Bei so einem geringen Wert ist es dann natürlich auch Wurscht, zu welchem Zeitpunkt der Schnee nicht gefallen ist.

Halten wir fest: Klimawandel und Weihnachtstauwetter geben kein sonderlich gutes Team ab, wenn einem die Sinne nach Feiertagsromantik stehen. Vielleicht genügt Ihnen das ja schon als Schlussfolgerung.

Wenn nicht – und Sie möglicherweise daran interessiert sind, woher unsere schneereiche Verklärung des Fests eigentlich kommt – empfehlen ich Ihnen die wärmste Adresse der Saison: Schneematsch.com – unsere interaktive Scroll-Geschichte, zur Frage, die jedes Jahr noch terminsicherer kommt als das Weihnachtstauwetter:


🗓 Klima-Termine

Silvester/Neujahr – überall

Der Jahreswechsel bringt traditionell einen Rekord mit: den der Feinstaubbelastung. Vielerorts ist sie an keinem anderen Tag im Jahr so hoch wie am ersten Tag des Jahres. Grund ist das Abbrennen von Silvesterfeuerwerk, wodurch ein Prozent des jährlichen Feinstaubs in Deutschland freigesetzt wird. Hintergründe und Karten hat das Umweltbundesamt.

Neujahr – überall

Ab dem 1.1. gilt deutschlandweit eine Pflicht für Mehrwegverpackungen. Gastronomiebetriebe müssen dann Speisen und Getränke auch in wiederverwendbaren Verpackungen anbieten. Solche Verpackungen gibt es vielerorts bereits, auch bei Essenslieferungen. Durch ein Pfandsystem können sie an verschiedenen Stellen zurückgegeben werden, ähnlich wie Mehrwegflaschen.

Mittwoch, 4.1. – online

Wer in Vorbereitung zur Stunde der Wintervögel am darauffolgenden Wochenende schon mal das Zählen üben möchte, bekommt in einem Onlineseminar des Nabu entsprechende Hilfestellung. Auch Futterirrtümer werden aufgeklärt und Möglichkeiten der Wintervogelfütterung vorgestellt. Die Teilnahme ist kostenfrei, Infos zur Anmeldung hier.

6.1. bis 8.1. – Überall

Der Nabu lädt mit der Stunde der Wintervögel wieder zur, wie er sagt, „bundesweit größten wissenschaftlichen Mitmachaktion“. Unter anderem per App sollen eine Stunde lang die Vögel am Futterhäuschen, im Garten, auf dem Balkon oder im Park gezählt und gemeldet werden. Alle Infos

im Winter – Naturparks

Wenn’s draußen kalt (und mitunter verschneit) ist, ruht die Natur? Mitnichten! Es gibt auch draußen eine Menge zu erleben, dazu animieren die deutschen Naturparks: „In den Wäldern lassen sich auf geführten Touren oder auf eigene Faust gefiederte Wintergäste an zahlreichen Orten besonders gut beobachten, Laubbäume kann man im Winter mit ein wenig Anleitung und Übung anhand der Wuchsform, der Rinde oder der Knospen bestimmen.“ Mehr Infos und Termine vor Ort hier


📰 Klimaforschung und Menschheit

🎄 Weihnachtsbaum: Mieten, kaufen, Plastik?

Weder das Gewissen noch unbedingt die Ästhetik sorgen dafür, dass Weihnachtsbäume aus Kunststoff die erste Wahl in der heimischen Stube sind. Nach Berechnungen von Forschenden aus Kanada hätte der Baum bei einer Nutzungsdauer von mehr als 16 bis 17 Jahren aber eine bessere Ökobilanz als ein Naturbaum. Bei dem sollte ein regionales Exemplar mit Biosiegel bevorzugt gekauft werden. Die grundsätzlich beste Bilanz haben im Topf gezogene Bäume, die fürs Fest in einer regionalen Baumschule oder Försterei gemietet werden. Hintergründe hat ORF.at.

Auch Vorübergehende 1,5-Grad-Überschreitung gefährlich

Ein vorübergehendes Überschreiten der UN-Klimaziele von 1,5 bis 2 Grad Celsius Erwärmung könnte das Kipprisiko für mehrere Elemente des Erdsystems um mehr als 70 Prozent erhöhen im Vergleich zur im Pariser Klima-Abkommen angestrebten Begrenzung der Erwärmung, so das Ergebnis einer neuen Risikoanalyse. Dieses Kipprisiko erhöht sich selbst dann, wenn sich die globale Temperatur längerfristig innerhalb des Pariser Rahmens stabilisieren würde. Eine Überschreitung zu vermeiden würde daher die Risiken begrenzen, so die Schlussfolgerung der Forschenden. Mehr lesen beim Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung                                                           

Zu viele LNG-Terminals an der Küste

Die Angst vor Engpässen durch den Wegfall russischen Erdgas’ scheint zu einem völlig unverhältnismäßigen Bauboom an Gasterminals zu führen und den Klimaschutz auszuhebeln. Zu diesem Schluss kommen die Klimareporter und verweisen auf eine Analyse des New Climate Institute. Demnach würden zwei statt elf Flüssigerdgasterminals vollkommen ausreichend sein. Würden die Pläne so umgesetzt werden, sei das als Fehlinvestition zu verbuchen, für die Steuerzahlende aufkommen müssten.

Wieder mehr Energie-Emissionen

Wie kontraproduktiv die Energiekrise auf die Einsparung von CO2-Emissionen wirkt, zeigen aktuelle Zahlen des Bundesverbands der Energiewirtschaft. Erstmals seit Jahren sei der Ausstoß von CO2 durch Energieproduktion leicht gestiegen statt gesunken, berichtet die Rheinische Post. Grund ist der derzeitige verstärkte Einsatz von Kohlekraftwerken. Hintergründe bei der Rheinischen Post


📻 Klima in MDR und ARD

👋 Zum Schluss

Wir legen eine kleine Feiertagspause ein und melden uns im Januar wieder. Und deshalb sind „Zum Schluss“ auch die letzten Worte, die sie von uns in diesem Jahr hören werden.

Das war ja auch wieder so ein Ding, dieses 2022. Anfang des Jahres sind wir mit einer „korrigierten“ EU-Taxonomie begrüßt worden, die Atomkraft und Erdgas auf einmal einen grünen Anstrich gegeben hat. Der aktuelle Weltklimabericht wurde durch einen zweiten und dritten Teil ergänzt und hat uns wieder vor Augen geführt, dass eigentlich alles viel zu langsam geht und nicht nur das Erreichen des 1,5-Grad-Ziels unabdingbar ist, sondern auch die Anpassung der Menschheit an die neuen Gegebenheiten.

Im ersten Quartal kam es auch geopolitisch richtig dicke: Mit einem vollkommen aus der Zeit gefallenen Angriffskrieg durch Russland auf die Ukraine (nicht falsch verstehen: Kriege sind natürlich seit Menschengedenken nie zeitgemäß). Daraus folgte nicht nur eine sinnfreie Notlage für sehr viele Ukrainerinnen und Ukrainer, sondern eine internationale Energiekrise und Teuerungswelle.

Jetzt mal ehrlich: Neun-Euro-Ticket, Gaspreisbremse, Zeitenwende, LNG-Terminal und Kurzfristenergieversorgungssicherungsmaßnahmenverordnung – das sind so neuerliche Vokabeln, die vor einem Jahr wahrscheinlich niemand im Wortschatz hatte und mit denen niemand gerechnet hätte. Aber auch nicht mit einem kräftigen Schub für den Ausbau erneuerbarer Energien.

Immerhin. Geht ja auch nicht anders.

Und, was denken Sie? Welche Vokabeln werden 2023 dazukommen? Drücken wir alle verfügbaren Däumchen, dass es ein paar schöne sind.

Frohe Feiertage wünscht das Team vom Klima-Update. 🕯️ Passen Sie auf sich und die Welt auf.

Herzlichst
Florian Zinner

Sie haben eine Frage oder Feedback?

Schreiben Sie uns an klima@mdr.de.

Mehr Klima-Updates