Biokondensator Sächsisches Forscherteam entwickelt Energiespeicher winziger als ein Staubkorn

25. August 2021, 08:17 Uhr

Klein, kleiner, winzig – ein Forschungsteam der TU Chemnitz, des IFW Dresden und des IPF Dresden hat einen Superkondensator entwickelt, der kleiner als ein Staubkorn ist. Er kann mikroelektronische Sensorsysteme mit Energie versorgen, die zum Beispiel den pH-Wert des Blutes innerhalb winziger Gefäße in Echtzeit messen können.

Eine Anordnung von 90 flexiblen und implantierbaren sogenannten Nano-Biosupercapacitors auf einer Fingerspitze
Eine Anordnung von 90 flexiblen und implantierbaren sogenannten Nano-Biosupercapacitors (nBFCs). Diese ermöglichen den autarken Betrieb von Mikrosensorik für den Einsatz unter anderem im Blut Bildrechte: Forschungsgruppe Prof. Dr. Oliver G. Schmidt TU Chemnitz

Die phantastische Reise ins Innere des Körpers ist schon lange nicht mehr nur Science-Fiction. Die Medizin und die Technik haben erstaunliche Entwicklungen gemacht: minimalinvasive Eingriffe etwa oder Mini-Technik wie Herz- und Hirnschrittmacher, die bestimmte Funktionen des Körpers in Gang halten. Aber es geht noch kleiner.

Klein, kleiner, winzig

Die Entwicklung mikroelektronischer Roboter oder intravaskulärer Implantate, also Implantate innerhalb eines Blutgefäßes, schreitet schnell voran.

Es ist äußerst ermutigend zu sehen, wie eine neue, extrem flexible und adaptive Mikroelektronik in die miniaturisierte Welt der biologischen Systeme vordringt.

Prof. Dr. Oliver G. Schmidt

Forscherinnen und Forscher rund im Prof. Oliver Schmidt von der TU Chemnitz entwickelten zum Beispiel jüngst einen pH-Sensor, der innerhalb menschlicher Blutgefäße zum Einsatz kommt.

Ein Mann in Schutzkleidung sieht durch ein Mikroskop
Prof. Dr. Oliver G. Schmidt ist Pionier auf dem Gebiet der Mikrorobotik und Mikromotoren. Schmidt ist Leiter des Instituts für Integrative Nanowissenschaften am Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung (IFW) Dresden sowie Inhaber der Professur für Materialsysteme der Nanoelektronik an der Technischen Universität Chemnitz und Initiator des dortigen Zentrums für Materialien, Architekturen und Integration von Nanomembranen (MAIN) Bildrechte: Forschungsgruppe Prof. Dr. Oliver G. Schmidt TU Chemnitz

Er misst das Wasserstoffpotenzial, also den pH-Wert des Blutes, kontinuierlich und kann so bei der Früherkennung von Tumoren helfen. Das allein klingt schon verrückt – ein Sensor, der so klein ist, dass er in ein Blutgefäß passt. Aber nun passen Sie mal auf und denken darüber nach: Wie klein müssen erst die Bauteile dieses Sensors sein? Wie winzig die Energiequelle, die diese Technik am Laufen hält? Richtig: wirklich, wirklich klein, noch kleiner als ein Staubkorn. Da sprechen wir vom Submilimeterbereich. Solch einen winzigen aber sehr leistungsfähigen Biosuperkondensator hat nun das Forschungsteam von der TU Chemnitz, des Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung Dresden (IFW) und des Leibniz-Institut für Polymerforschung Dresden (IPF) entwickelt. Gerade mal 0,001 Kubikmillimeter ist er groß.

Zwei große Herausforderungen

Die Entwicklung dieses Nano-Superkondensators war nicht nur technisch eine Herausforderung. Die Forschenden mussten auch das Problem der Biokompatibilität lösen. Denn bisher wurden bei solch kleinen Kondensatoren Materialien benutzt, die nicht biokompatibel waren, die sich also nicht besonders gut mit dem menschlichen Körper vertragen haben. So zum Beispiel wurden korrosive Elektrolyte verwendet oder die Kondensatoren haben sich durch Defekte und Verunreinigungen schnell von selbst entladen. 

Die Biosuperkondensatoren hingegen können das Selbstentladungsverhalten durch bioelektrochemische Reaktionen ausgleichen. Und nicht nur das, sie können sogar durch Redox-Enzyme und lebende Zellen, die im Blut vorhanden sind, die Leistung um 40 Prozent steigern. Bis zu 1,6 Volt Versorgungsspannung kann der staubkorngroße Kondensator liefern. Eine handelsübliche AAA Batterie hat in etwa die gleiche Spannung.

Das Besondere an diesem Energiespeicher ist laut Dr. Vineeth Kumar, Forscher im Team von Prof. Schmidt und Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungszentrum MAIN, neben seiner Größe – oder eben Nicht-Größe –, dass er eine erste potenzielle Lösung für die Energieversorgung multifunktionaler Mikrosysteme im Körper liefert. Diese sollten nämlich optimaler Weise völlig autark betrieben werden können.

Optimale Form durch Origami-Technik

Der Nano-Biosuperkondensator besitzt eine röhrenförmige Geometrie. Durch diese Form ist er vor eventuellen Deformationen durch das pulsierende Blut oder durch Muskelkontraktionen geschützt. Die Bauteile des Biokondensators wurden auf einer Waferoberfläche zusammengebaut und unter eine hohe mechanische Verspannung gesetzt.

Wafer sind ca. 1 Millimeter dicke meist kreisrunde Halbleiterplatten. Sie bestehen vorwiegend aus monokristallinem Silicium. Es werden aber auch Wafer aus Glas oder Siliciumcarbid hergestellt. Sie sind das Substrat, also die Grundplatte, für elektronische, mikromechanische oder photoelektrische Bauelemente.

Werden die Materialschichten nach dem Zusammenbauen dann kontrolliert von der Wafer-Oberfläche abgelöst, entfalten sie sich selbständige zu kompakten 3D-Bauteilen. Ähnlich wie ein Papierkranich, der sich selbst auffaltet, wenn man an der richtigen Stelle zieht. Nur dass im Falle der Nano-Biokondensatoren niemand daran zieht, sondern ein selbstorganisiertes Falten vonstattengeht, wenn die Verspannungen gelöst werden. Sie springen quasi auf wie eine gespannte Feder. Drei dieser röhrenförmigen Kondensatoren sind im pH-Sensor in Reihe geschaltet. So ermöglichen sie eine besonders effiziente und autarke pH-Messung. Laut der Forschenden ist das Anwendungsgebiet für diese Technologien sehr groß. Speziell in den Bereichen Medikation und Diagnostik sehen sie enormes Potenzial.

JeS/TUC

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