Fusionskraft US-Forschern gelingt Durchbruch bei Kernfusion
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14. Dezember 2022, 10:39 Uhr
Kernfusion News: US-Forschern ist ein Durchbruch bei der sogenannten Trägheitsfusion gelungen: Die durch Laser in Gang gesetzte Fusion erzeugte mehr Energie als ihre Zündung benötigte. Doch der Weg zur Stromerzeugung ist noch weit.
Nach jahrzehntelanger Forschung an der Kernfusion ist Wissenschaftlern am Lawrence Livermore National Laboratory (LLNL) ein Durchbruch gelungen. Bei einem Experiment am 5. Dezember konnten sie mit Hilfe von Lasern eine Brennstoffkapsel mit den Wasserstoff-Isotopen Deuterium und Tritium so stark komprimieren und erhitzen, dass sie eine anhaltende Kernfusion entzündeten.
Bei dem Experiment entstand erstmals ein Plus an thermischer Energie von 1,1 Megajoule, teilten Mitglieder des Forschungsteams bei einer Pressekonferenz des US-Energieministeriums am Dienstag mit. Die Laser hätten mit 2,05 Megajoule auf den Brennstoff eingewirkt, die Fusion habe 3,15 Megajoule freigesetzt, hieß es.
Kernfusion in den USA: Gesamtenergiebilanz bleibt weiterhin negativ
Damit gelang es zum ersten Mal teilweise, mit Kernfusion mehr Energie zu erzeugen als der Start der Reaktion selbst benötigte. Einschränkend muss allerdings dazu gesagt werden, dass das nur für den Kern des Experiments gilt. Zieht man den gesamten Verbrauch für den Betrieb der Anlage hinzu, so konnten die Forscher weniger als ein Prozent der aufgewendeten Energie erzeugen.
Trotzdem sprechen auch zahlreiche nicht an den Experimenten beteiligte Wissenschaftler von einem riesigen Erfolg. Sybille Günter, Direktorin am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) in Garching, sagte in einem Statement: "Das sind tolle Ergebnisse, zu denen wir den Kollegen des Labors der National Ignition Facility (NIF) gerne gratulieren."
192 Laser heizten Brennstoff auf über 100 Millionen Grad Celsius
Die Trägheitsfusion ist ein anderer Ansatz als die sogenannte Magnetfusion, wie sie in zahlreichen europäischen Projekten verfolgt wird. Magnet-Fusionsreaktoren sind etwa das im Bau befindliche Großprojekt Iter oder der Wendelstein 7-X Reaktor an der Universität Greifswald. Hier heizen Magnetfelder ein Plasma auf und versuchen dann, die entzündete Kernfusion lange in Gang zu halten, um zusätzliche Wärme zu erzeugen, die dann in Strom umgewandelt werden kann.
Bei der Trägheitsfusion hingegen wird ein Brennstoff in einer Kapsel für den Bruchteil von Nanosekunden mit starken Laserstößen beschossen und dabei komprimiert und aufgeheizt. Im jetzt durchgeführten Experiment wurden insgesamt 192 Laser eingesetzt. Der Brennstoff erhitzte sich auf über 100 Millionen Grad Celsius. Die entzündete Fusion hielt nur sehr kurze Zeit an. Nur etwa vier Prozent des eingesetzten Brennstoffs seien zu Helium fusioniert worden, sagte der Physiker Alex Zylstra, der das Experiment leitete.
Europäische Magnetfusionsreaktoren: Näher am Einsatz zur Stromerzeugung
Für eine Anwendung zur kommerziellen Stromerzeugung müsste der Ansatz noch einige Jahrzehnte weiter entwickelt werden, schätzt LLNL-Direktorin Kim Budil. "Es werden aber keine 60 Jahre mehr sein." Der jetzige Aufbau sei vor allem auf die Anforderungen der Wissenschaftler ausgerichtet gewesen, also darauf, möglichst gute und vergleichbare Daten zu liefern und die Möglichkeit zu bieten, durch kleine Veränderungen weitere experimentelle Fortschritte zu erzielen. Für einen Einsatz in einem kommerziellen Kraftwerk dagegen müsste die gesamte Anlage deutlich vereinfacht werden.
Im Vergleich dazu gelten die europäischen Magnetfusionsreaktoren bereits als fortgeschrittener. Auch wenn es hier noch nicht gelungen ist, einen Energieüberschuss zu erzeugen, planen die Entwickler, diesen Durchbruch in den kommenden zehn bis zwanzig Jahren zu erreichen. Er soll dann auch schnell in einen kommerziellen Betrieb umsetzbar sein.
Die Pressekonferenz zum Nachschauen hier:
Erkenntnisse dienen auch der Forschung an Kernwaffen
Der US-Ansatz zielt nur sekundär auf die Stromerzeugung. Primär wollen die Forscher vor allem die Abläufe bei der Explosion von Kernwaffen wie Wasserstoffbomben besser verstehen. Das jetzt durchgeführte Experiment ist Teil des sogenannten Stockpile Stewardship, des Programms zur Weiterentwicklung des US-Nuklearwaffenarsenals, das reale Bombenzündungen ersetzt hat. Trotzdem wollen die Forscher ihre Erkenntnisse auch für Kraftwerkskonzepte nutzbar machen.
Sybille Günter, deutsche Max-Planck-Forscherin, hält das mit dem jetzigen Versuchsaufbau für technisch eher schwierig. Damit der Fusionsprozess in Gang komme, müsse das Brennstoff-Pellet sehr homogen bestrahlt werden. Das gehe mit den Lasern aber schlecht. "Deshalb verwendet man bei National Ignition Facility einen sogenannten Hohlraum, in dem die Laser erst auf eine Wand schießen und dort Röntgenstrahlung erzeugen, die sehr homogen ist", so Günter. "Für ein Kraftwerk ist das vermutlich zu ineffizient, dort muss man direkt bestrahlen." Außerdem müsste die Frequenz der Zündungen deutlich erhöht werden.
Ergebnisse weisen den Weg zu weiterer Optimierung
Ein weiteres Problem stellt die erzeugte Energie dar. Der Energie-Output müsse bei einem Fusions-Kraftwerk mindestens doppelt so groß sein wie der gesamte Input, sagt Tony Roulstone, der an der Universität Cambridge in Großbritannien zu Nuklearenergie forscht. "Es muss doppelt so viel sein, weil die Hitze noch in Elektrizität gewandelt werden muss und dabei wieder Energie verloren geht."
Dennoch glauben viele Forschende, dass der jetzt erzielte Durchbruch das Ziel einer Stromerzeugung durch Fusionsenergie einen deutlichen Schritt näher gebracht hat. Jetzt sei es möglich, an einzelnen Stellschrauben zu drehen, um den Prozess Stück für Stück zu optimieren, so die beteiligte Forscherin Annie Kritcher bei der Pressekonferenz. Kritcher und Kollegen wollen in den kommenden Monaten die Leistung der eingesetzten Laser weiter erhöhen und auch den Fusionsprozess länger in Gang halten.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 13. Dezember 2022 | 18:00 Uhr
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