3D-Illustration eines Atomkraftwerks und Windrotoren
Sieht so der Energiemix der Zukunft aus? Illustration eines Atomkraftwerks mit Windrotoren. Bildrechte: imago images/CSP_megastocker

US-Studie Moderne Kernenergie als Schlüssel zur Emissionsfreiheit?

17. Februar 2022, 10:50 Uhr

Wind und Sonne gelten gemeinhin als Hauptenergieträger der Zukunft. Nach Ansicht von US-Forschern sind moderne Kernenergiesysteme jedoch ein wichtiger Schlüssel, um die Energieversorgung bis zur Mitte des Jahrhunderts komplett frei von CO2-Emissionen zu machen. Das gelte vor allem für Länder mit geringen Windressourcen.


Früheren Modellstudien zufolge, auf die sich die Forscher beziehen, könnten 80 Prozent der weltweiten Kohlenstoffemissionen durch den Ausbau von Wind- und Solarenergie vermieden werden. Allerdings sind Wind und Sonne unsichere Energielieferanten, die je nach Region und Wetter starken Schwankungen unterliegen. Weht kein Wind, stehen Windkraftanlagen genauso still, wie bei starkem Sturm. Auch Solaranlagen produzieren bei geschlossener Wolkendecke weniger Strom als bei Sonnenschein.

Kernenergie statt Erdgas

Die so entstehenden Lücken in der Energieversorgung werden bislang unter anderem durch die Verstromung von Erdgas ausgeglichen. Der als Weltklimarat bekannte Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderungen IPCC fordert jedoch, bis zur Mitte des Jahrhunderts die weltweiten CO2-Emissionen im Energiesektor auf null zu senken, um den globalen Temperaturanstieg bis zum Ende des Jahrhunderts unter 1,5 Grad zu halten. Das würde bedeuten, dass auch Gas zur Gewährleistung der Energiesicherheit wegfallen würde. Eine Alternative wäre theoretisch die Kernenergie. Doch bisherige Atomkraftwerke haben lange Bauzeiten. Außerdem sind sie teuer im Bau und verursachen auch bei der Entsorgung ihrer radioaktiven Rückstände hohe Folgekosten.

Neue Generation von Atomkraftwerken

Einer in der Fachzeitschricht "Nature Energy" erschienenen US-Studie zufolge kann die nukleare Stromerzeugung trotzdem eine entscheidende Rolle dabei spielen, bis zur Jahrhundertmitte das Null-Emissionsziel bei der Energieerzeugung zu erreichen. Die von den Wissenschaftlern der Carnegie-Abteilung für globale Ökologie, Ken Caldeira und Lei Duan, gemeinsam mit Mitarbeitern des von Bill Gates gegründeten Reaktorentwicklers TerraPower sowie der Risikokapitalgesellschaft Gates Ventures vorgelegte Untersuchung setzt allerdings neue fortschrittliche und viel kostengünstigere Kernkraftwerkkonzepte voraus. Noch existieren solche Atomkraftwerke nicht. Laut einer Ankündigung des US-Energieministeriums, das TerraPower mitfinanziert, sollen zwei derartige Systeme bis 2027 fertiggestellt sein.

Kühlung mit Natrium und Helium

Kenneth Caldeira steht vor den Gewächshauslabors der Carnegie Institution in Palo Alto, Kalifornien.
Prof. Ken Caldeira: "Brauchen mehr Instrumente als Wind und Sonne." Bildrechte: imago/ZUMA Press

Bei den neuartigen Reaktoren werden nach Angaben der Studienautoren anstatt Wasser geschmolzenes Natriummetall oder unter Druck stehendes Heliumgas als Kühlmittel verwendet. Das soll die neuen Nuklearsysteme sicherer und billiger als herkömmliche Kernreaktoren machen. Laut einer von den Autoren zitierten Kostenprognose der US-Nuklearindustrie sollen die durchschnittlichen Bau-Kapitalkosten mit maximal 4.000 Dollar pro Kilowattstunde abzugebender Leistung (kWe) deutlich günstiger als bisherige Atomkraftwerke sein, wo die Bau-Kapitalkosten mehr als 6.300 Dollar pro Kilowattstunde betragen.

Thermisches Speichersystem mit Salzschmelze

Eine wesentliche Verbesserung der neuen Nuklearkraftwerke ist der Analyse von Caldeira und Kollegen zufolge ein sogenanntes Thermisches Speichersystem (TES). Dieses wird zwischen dem Kernreaktor und dem Generator platziert. Dadurch soll die vom Reaktor erzeugte Wärme gespeichert und bei erhöhtem Strombedarf über den dahinter geschalteten Generator in elektrische Energie umgewandelt werden. Das TES ermöglicht es demnach zudem, den Generator größer zu dimensionieren als den Reaktor, was eine außergewöhnliche Lastfolgefähigkeit gewährleistet. Als Speicherreservoir im TES dient geschmolzenes Salz.

Solar- und Windenergie allein reichen nicht

Windkraftanlage mit Verwirbelungen (künstlerische Darstellung) 1 min
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1 min

Mi 30.06.2021 15:18Uhr 01:12 min

https://www.mdr.de/wissen/videos/video-kleinere-windparks-effizienter-100.html

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Caldeira und Kollegen untersuchten in ihrer Studie die Wind- und Solarressourcen von 42 Ländern. Dabei kamen sie zu dem Schluss, dass bei einem künftigen Null-Kohlenstoff-Szenario Solar- und Windenergie alleine keine zuverlässige Stromversorgung bieten können. Gründe dafür seien vor allem Wetterschwankungen und hohe Stromspeicherkosten. Umfassende Stromspeicher- und Lastmanagementkonzepte könnten zwar Abhilfe schaffen, müssten aber ausreichend und kostengünstig realisierbar sein. Nach Ansicht der US-Forscher könnten fortschrittliche Kernkraftwerke mit thermischen Speichersystemen künftig aber einen Großteil der mittleren Last bereitstellen, so dass die Stromnetze auch in Zeiten mit geringer Wind- und Solarstromerzeugung zuverlässig blieben.

Eine Frage der Windressourcen

Allerdings kamen die Studienautoren auch zu dem Ergebnis, dass in Ländern mit günstigen geografischen und klimatischen Bedingungen für Windkraft wie den USA, die Kernenergie erst forciert werden müsste, wenn die letzten "Hürden der Dekarbonisierung" der Stromindustrie genommen werden müssen. In Ländern mit geringeren Windressourcen wie etwa Brasilien könnte der Bau fortschrittlicher Kernkraftwerksysteme jedoch schon früher die wirtschaftlich rentablere Strategie sein, so die Studienautoren.

Unter heutigen Preisen billigster Weg

Hauptautor Caldeira verwies allerdings darauf, dass die von ihm und seinen Kollegen vorgelegte Analyse den billigsten Weg zur Beseitigung von Kohlendioxid-Emissionen unter der Annahme heutiger Preise untersucht hat: "Wir haben festgestellt, dass die Kernenergie bei den heutigen Preisen der billigste Weg ist, um die Kohlendioxidemissionen des Stromsystems fast überall zu beseitigen. Wenn jedoch Energiespeichertechnologien sehr billig werden, dann könnten Wind- und Solarenergie möglicherweise der kostengünstigste Weg zu einem emissionsfreien Stromsystem sein."

Link zur Studie

Die Studie der Carnegie-Wissenschaftler Lei Duan und Ken Caldeira erschien in der wissenschaftlichen Zeitschrift "Nature Energy".

(dn)

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