NABU Insektensommer Insektenzählung für alle: Jedes Exemplar ist ein Hinweis für die Wissenschaft
Hauptinhalt
26. März 2024, 11:39 Uhr
Wer nichts vorhat am Wochenende, kann sich mal mit Insekten beschäftigen. Der NABU ruft auf zum Insektenzählen. Langweilig? Von wegen! Da kann man dramatische Kämpfe beobachten, wenn Marienkäferlarven Läuse fressen, sich wundern, warum die Bienen am Lavendelbusch niemals kollidieren oder feststellen, da kraucht und fleucht ganz schön viel herum, das man gar nicht namentlich kennt.
Wenn der Naturschutzbund zum Insektenzählen aufruft, klingt das zuerst immer nach einer putzig-pädagogischen Freizeitbeschäftigung für Familien mit Kindern. Ist es aber gar nicht, sagt der Botschafter des NABU-Aktion Insektensommers, Dr. Marc Benecke. "Was wir erleben, ist ein Insektogeddon, der Niedergang der Insekten, und jedes einzelne Insekt, das wir zählen und registrieren, hilft." Und da ist es egal, ob man nur zwischen Marienkäfer, Biene, Hummel, Grashüpfer oder Ameise unterscheiden kann oder vielleicht sogar zwischen Blutbiene und Filzbiene. Jeder einzelne Hinweis auf Insektenvorkommen hilft dabei, dass die Wissenschaft mehr über die Sechsbeiner erfährt.
Wenn Laien Insekten zählen, wem nützt das?
Was den unbedarften Naturbeobachter freut, "Hurra, schau mal, eine blaue Holzbiene", verrät auch, was sich verändert in der Natur, wie am Beispiel der Blauen Holzbiene. Die erste Zählung im Insektensommer 2020 zeigte Marc Benecke zufolge zum Beispiel, dass diese Biene viel zu früh auftrat und viel zu weit nördlich. Ein klarer Hinweis darauf, dass sich das Klima wandelt. Solche Beispiele zeigen die Risse und Löcher im filigranen Netz der Natur. Wenn Insekten schon dann auftreten, wenn die Vögel, die sie als Futter für den Nachwuchs brauchen, noch nicht fertig gebrütet haben. Oder wenn Bäume früher blühen, als die Bestäuber schlüpfen. Die Beobachtungen aus den Insektenzählungen liefern für genau auf solche Vorgänge in der Natur wichtige Hinweise.
Ebbe im Kühlschrank
Allerdings schlagen sie sich noch längst nicht weltweit in den Vorgaben der Politik für die Landwirtschaft nieder. "Drei Viertel der globalen Landmenge wird dafür gebraucht, Futter für Tiere anzubauen, die wir essen. Davon müssen wir weg," sagt NABU-Insektensommer-Botschafter Benecke. Allein der Gedanke an die endlosen Felder in Monokultur erbost den Wissenschaftler: "Wenn man Ihnen 70 Prozent dessen, was Sie sonst im Kühlschrank haben, wegnimmt, da würden Sie aber Panik kriegen," zürnt der Wissenschaftler: "In der Wissenschaft sprechen wir inzwischen von einem Insektogeddon." Das Sterben der Insekten bedeutet nämlich für viele andere Tiere, auf deren Speiseplan sie stehen, quasi Ebbe in der Speisekammer.
Wieviele Insekten kennt man denn so?
Aber wie ist das eigentlich mit den Insekten, wie viele kennt der Durschschnittsmensch? Genau weiß man das nicht, sagt NABU-Insektenexpertin Daniela Franzisi. Aus der Insektenzählung von 2020 weiß man, dass pro Melder im Schnitt acht verschiedene Insektenarten genannt wurden. Als Neuling könnte man zum Beispiel damit anfangen, einfach nach Marienkäfern Ausschau zu halten und melden, wie viele Marienkäfer man in einer Stunde gesehen hat, wie viele asiatische oder Siebenpunkt-Marienkäfer.
Auch dadurch entstehen neue Hinweise für die Wissenschaft über die Ausbreitung der asiatischen Variante und vielleicht ist es auch ein erster Schritt gegen die eigene "Insektenblindheit". Erst wenn man weiß, was weg ist, kann man es vermissen, bzw. verstehen, warum es wichtig ist. Aber dafür muss man es erst mal kennen.
Und dabei hilft das Insektenzählen, zu dem der Naturschutzbund Deutschland zwischen 4. und 13. Juni einlädt. Die Funde kann man beim NABU auf dieser Seite melden. Wen der Ehrgeiz packt und wer noch nachforschen will, was für ein Käfer sich durch die Pfingstrosenblüte gekämpft hat, findet hier Hilfe beim Artenbestimmen, eine große Auswahl an leicht lesbaren Insektenporträts. Hier kann man sich dann allerdings leicht das "Insektenvirus" einfangen und auf der Seite kleben bleiben, weil man etwa Insekten findet, die man schon mal gesehen hat, für die man aber bisher keine Namen hatte. So wie die Kamelhalsfliege. Sie fliegt zwischen Bäumen und Büschen herum. Ihren Namen verdankt sie ihrem Körperbau mit dem kamelartigen Brustsegment. Das adulte Tier wird nur acht Wochen alt.
Meldeschluss für die Gartenfunde
Melden kann man die Insektensichtungen bis zum 20. Juni. Gemeldet wird immer die höchste gesichtete Anzahl von Exemplaren. Übrigens ist das Handy mit Kamerafunktion ein praktisches Hilfsmittel. Einerseits, wenn es ums Zählen wuseliger vieler kleiner Exemplare geht, die nicht stillstehen um sich zählen zu lassen. Andererseits, weil man sie schnell fotografieren kann, um sie später genauer zu bestimmen.
Wer sich fragt, gibt es denn dafür noch keine App, die gibt es doch auch für Vögel und Pflanzen, dem sei gesagt, das Senckenberg Museum in Görlitz ist dran an der Materie: Hier wurde eine Bodentierbestimmungs-App entwickelt, BODENTIER hoch 4, die sich aber erst einmal nur auf Doppelfüßer, Hundertfüßer und Landasseln konzentriert. Bleibt nur eine Frage: Machen uns diese Apps schlauer und merken wir uns all diese Dinge, die uns die Apps auf Anfrage verraten? Oder bleibt unsere "Artenkenntnis" in den Apps stecken? Das merken wir spätestens dann, wenn beim Handy mal der Akku leer ist...
Not Found
The requested URL /api/v1/talk/includes/html/e3db47c0-f300-4ae8-a71f-5a62fa5551e1 was not found on this server.