Impfstoffmangel HPV Impfung reduziert Krebsrisiko - doch der Impfstoff fehlt
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15. März 2020, 13:49 Uhr
Gegen das Coronavirus ist noch kein Kraut gewachsen, gegen Humane Papillomviren (HPV) schon. Seit 2007 gibt es eine Impfung. Damit kann sich jeder vor Ansteckung schützen und damit Feigwarzen und sogar Krebs vorbeugen. Inzwischen nutzen immer mehr Menschen die Möglichkeit, doch nun wird der Impfstoff knapp - zu knapp für umfassende Impfkampagnen.
Fast jeder von uns infiziert sich im Laufe seines Lebens mit dem Humanen Papillomvirus (HPV). Etwa 70 bis 80 Prozent der Bevölkerung sind betroffen. Der Erreger wird durch zwischenmenschlichen Kontakt übertragen, am häufigsten durch Geschlechtsverkehr. In vielen Fällen bleibt die Erkrankung unbemerkt, weil sie ohne Beschwerden verläuft und von selbst ausheilt.
Bleibt das Virus jedoch im Körper, kann es die Zellen im Genital-, Anal, Kopf- und Halsbereich verändern. Feigwarzen können entstehen - unangenehm, aber weniger gefährlich. Das eigentliche Risiko einer HPV-Erkrankung liegt darin, dass sie Krebsvorstufen verursachen kann und infolge dessen Krebs - am häufigsten Gebärmutterhalskrebs. Jährlich sind in Deutschland 4.500 bis 5.000 Frauen davon betroffen, weltweit sind es rund 500.000. Etwa jede Dritte davon stirbt daran. Von der eigentlichen Infektion bis zur Bildung von Krebszellen können 10 bis 30 Jahre vergehen.
Es gibt nahezu keinen Gebärmutterhalskrebs ohne dieses HPV-Virus. Nach einer Impfung besteht nur noch ein sehr geringes Restrisiko, an dieser Krebsart zu erkranken.
Das ist die Erfahrung von Dr. Ingo Runnebaum von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Auch wer bereits Gebärmutterhalskrebs hatte, kann mit einer späteren HPV-Impfung das Risiko minimieren, erneut zu erkranken. Bis zum 18. Lebenjahr übernehmen die Krankenkassen die Kosten für die Impfung, seit 2018 auch für Jungen.
Krebs durch HPV auch bei Jungen und Männern
Auch Jungen und Männer können durch eine HPV-Infektion Krebsvorstufen ausbilden, aus denen sich später Krebszellen bilden. Sie können sich ebenfalls durch eine Impfung schützen. Der positive Nebeneffekt: Damit scheiden sie auch als Überträger aus und schützen damit ihre ungeimpften Partnerinnen oder Partner.
Zahl der Infektionen und Folgeerkrankungen sinkt drastisch
Wie groß die vorbeugende Wirkung nationaler Impfprogramme ist, fasste die Epidemiologin Melanie Drolet (Universität Quebec) gemeinsam mit ihren Kollegen im Rahmen einer Studie zusammen. Sie erschien im August 2019 im Fachmagazin "Lancet". Dazu wertete das Forscherteam 65 Studien aus 14 Industrieländern aus, darunter Deutschland. Insgesamt waren darin etwa 60 Millionen Menschen erfasst. Betrachtet wurde der Zeitraum von 2012 bis 2015, also fünf bis acht Jahre nach ein Einführung der Impfung.
83 Prozent weniger HPV-Infektionen bei Mädchen (13 bis 19 Jahre), 66 Prozent weniger bei Frauen (20 bis 24 Jahre)
67 Prozent weniger Warzen an Anus und Genitalien bei Mädchen, 54 Prozent weniger bei Frauen
48 Prozent weniger Warzen bei Jungen (15 bis 19 Jahre), 32 Prozent weniger bei Männern (20 bis 24 Jahre)
51 Prozent weniger mittelgradige Tumorvorstufen (sogenannte CIN2+) bei Mädchen, 31 Prozent weniger bei Frauen.
Entscheidend für den Erfolg ist die Durchimpfungsrate
Die Studie zeigte auch, dass der Rückgang der Infektionen und Erkrankungen in den Ländern besonders stark war, in denen ein Großteil der Bevölkerung und vor allem verschiedene Altersgruppen geimpft waren. Bei uns in Deutschland liegt die "Durchimpfungsrate" lediglich bei 30 bis 40 Prozent.
Etwa 80 Prozent müssten geimpft sein, um die gesamte Bevölkerung zu schützen.
Zu wenige wissen, was HPV ist, welche Folgen eine Erkrankung haben kann und das es eine Impfung gibt. Und es gibt, wie bei jeder Impfung, eine besorgte Zurückhaltung. Nebenwirkungen gibt es, wie bei jeder anderen Immunisierung auch: Am häufigsten Schmerzen, Rötungen oder eine Schwellung an der Einstichstelle, selten Kopf- oder Muskelschmerzen, Fieber, Magen-Darm-Beschwerden, Schwindel und Müdigkeit. Diese Beschwerden sind laut der Ständigen Impfkommision in der Regel von kurzer Dauer und zeigen, dass sich der Körper mit dem Impfstoff auseinandersetzt.
Schulkampagne gegen Impfmüdigkeit und Terminprobleme
Um über die Chancen und natürlich auch Risiken der HPV-Impfung aufzuklären und den Weg zur Impfung zu erleichtern, gibt es inzwischen ein Impfprogramm für Schulen. Dazu bieten Ärzte vor Ort an, Schüler während der regulären Unterrichtszeiten in der Schule zu impfen, das Einverständnis der Eltern vorausgesetzt. Dr. Katrin Klostermann aus Naunhof bei Leipzig hat damit gute Erfahrungen gemacht.
Das ist immerhin schon eine Rate von 60, statt nur 30 Prozent. Sie schreibt diesen regen Zuspruch auch dem Vertrauen zu, dass ihr die Eltern entgegenbringen, weil sie selbst vor Ort praktiziert. Die positiven Effekte der 2007 zugelassenen Impfung erlebt sie in der eigenen Praxis. Sie führt eine separate Dysplasiesprechstunde durch. Dort stellen sich Patienten vor, deren Zellabstriche auffällig waren und damit eine Krebsvorstufe wahrscheinlich ist.
Ich betreue seit 1999 Patienten mit Verdacht auf Krebsvorstufen und ich kann ganz klar sagen, dass ich seit Einführung der Impfung einen drastischen Rückgang beobachten kann.
So erfreulich diese Ergebnisse einer zunehmenden HPV-Impfungsrate auch sind, so gibt es aktuell jedoch ein erhebliches Problem: Der Impfstoff wird knapp. Das Robert Koch-Institut (RKI) empfiehlt daher eine Priorisierung bei der Vergabe.
Ungeimpfte Kinder zwischen 9 und 14 Jahren bevorzugen
Da das Immunsystem von Kindern im Alter ab 9 Jahren am optimalsten auf die HPV-Impfung reagiert, rät das RKI, vor allem diesen Patienten zumindest die erste Dosis zu verabreichen. Die sogenannte Auffrischung, also eine weitere Dosis nach 5 bis 13 Monaten, sollte bis zur besseren Verfügbarkeit aufgeschoben werden.
Impfstoffengpässe keine Seltenheit
Immer wieder kommt es zu Lieferengpässen bei verschiedenen Impfstoffen. Die Gründe dafür sind vielfältig. Zum einen gibt es in der Pharmabranche attraktivere Produkte, die weniger aufwendig in der Herstellung, Qualitätskontrolle und Logistik sind. Hinzu kommt, dass man Impfstoffe nur ein- bis viermal im Leben braucht und nicht mehrmals täglich. Demzufolge ist der Umsatz geringer. Die wenigen Produkte, die zur Verfügung stehen, werden weltweit von wenigen, spezialisierten Herstellern produziert und eingesetzt. Im Falle von HPV sind in Deutschland lediglich zwei Produkte erhältlich: Gardasil und Cervavix. Die Globalisierung eröffnet zudem den Herstellern neue, manchmal finanziell attraktivere Absatzmärkte, auf die sie sich dann konzentrieren.
krm
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