Studie Uni Magdeburg Homeschooling: Wie geht es den Eltern?
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28. Mai 2020, 23:21 Uhr
Stress, Frust, Spaß: Wie ist es eigentlich den Eltern von Grundschulkindern im Homeschooling ergangen? Was sind für sie Stressfaktoren und was lernen sie alles in der Zeit? Eine Studie der Uni Magdeburg hat das untersucht, zusammen mit den Eltern.
Hurra, wir haben Corona-Ferien! So sind viele Kinder am 20. März 2020 in Deutschland in die unterrichtsfreie Zeit gestartet. Der kleine, aber feine Unterschied zwischen Ferien und unterrichtsfrei ist den Sechs-bis Zehnjährigen dann relativ schnell klar geworden: als die Hausaufgaben kamen. Und die trudelten auf verschiedensten Wegen in den Haushalten ein. Per Post, auf Lernplattformen, per Email, Telefon oder sogar zum Abholen in der Schule, wie Professor Dr. Raphaela Porsch im Gespräch mit MDR WISSEN berichtet.
Sie hat in einer deutschlandweiten Elternumfrage erhoben, wie Eltern das Homeschooling erlebt haben. Vom 25. März bis 25. April 2020 wurden Eltern von Grundschulkindern mittels Onlinefragebogen befragt. 3.995 Eltern aus dem gesamten Bundesgebiet haben mitgemacht und Einblicke in das Lernen Zuhause geteilt - 3.513 Mütter, 481 Väter. Die Befragung ist inzwischen beendet, da die ersten Kinder wieder in die Schulen gehen. Es ist derzeit die größte aktuelle Erhebung zu der Thematik. Die Onlinebefragung zeigt, dass überwiegend Deutsch und Mathematikaufgaben gegeben wurden, bei knapp 66 Prozent auch Sachunterricht. Im Schnitt arbeiteten die Kinder zwei bis drei Stunden am Tag.
Homeschooling: Wie es den Eltern ging
Und wie ging es nun den Eltern mit der unverhofften Erfahrung als Hausaufgaben-Lern-Begleitung? Professor Dr. Raphaela Porsch ist Erziehungswissenschaftlerin an der Otto von Guericke Universität Magdeburg. Sie sagt:
Nicht alle Eltern sind gestresst. Ob sie sich gestresst fühlen, hängt von der Unterstützung der Schule ab, eigenen Einschätzungen über die Kompetenzen und der Situation zu Hause.
Die Unterstützung seitens der Schule – die hätte den Umfrageergebnissen zufolge besser sein können: Das fehlende Feedback seitens der Lehrkräfte beschäftigte die Eltern in mehrfacher Hinsicht: 27,6 Prozent der Eltern gaben an, neben der Übersendung von Aufgaben von den Schulen nicht weiter unterstützt worden zu sein.
Fast 50 Prozent der Eltern sagten, es gab keinen weiteren Kontakt oder eben wenn, dann höchstens bei Bedarf. Das haben viele Eltern als zu wenig empfunden.
Möglicherweise ein Stressfaktor. Denn genau das fiel den Eltern der Grundschulkinder auf die Füße. Wer mit der Altersklasse Hausaufgaben macht, kennt die Diskussionen: "Nein, so geht das nicht! Frau Fischer hat das gaaanz anders erklärt! Das sollen wir nicht so machen!" Nur, wie dann? Frau Fischers Wort wiegt in jedem Fall schwerer, als jeder noch so gut gemeinte elterliche Hinweis. So als säße die federleichte Elsa aus der "Eiskönigin" auf der einen Seite der Spielplatzwippe und gegenüber Bud Spencer. Dummerweise ist Frau Fischer alias Bud Spencer zum Zeitpunkt der häuslichen Diskussion nicht zu erreichen, um die Wippe ins Gleichgewicht zu bringen. Dabei wäre alles so einfach per Videochat zum Beispiel. Allein – es hat kaum jemand genutzt, zeigen die Zahlen der Magdeburger Erhebung:
Nur zwei Prozent der Eltern bzw. Kinder bekamen Unterstützungsangebote durch die Lehrkräfte in Form von Videochats.
Dabei sei Austausch wichtig für die Eltern, sagt Porsch. Hinweise, wie Eltern Inhalte erklären können und die Möglichkeit, die bearbeiteten Aufgaben an die Lehrkräfte zu geben. Damit diese ein Feedback erstellen können. Was auch ein Stressfaktor im Homeschooling ist: Nicht alle Eltern haben Zeit, die Hausaufgaben intensiv zu begleiten oder das pädagogische Know-How. Eltern, die in der Umfrage angaben, selbst hohe Kompetenzen in den Fächern Deutsch, Mathematik und Sachunterricht/-kunde zu besitzen, machte das Homeschooling auch Spaß, unabhängig von der Unterstützung der Schulen. Eltern mit einem hohen Bildungshintergrund hatten der Umfrage zufolge auch weniger Angst vor negativen Folgen dieser Situation. Sie haben vermutlich eher das Vertrauen, dass sie helfen können. Manche von ihnen erleben ihre Kinder auch ganz neu:
Eltern sehen, wie schnell oder langsam ihre Kinder arbeiten, wieviel Unterstützung sie brauchen, wo das Kind lernen kann.
Dabei zeige sich auch, wie stark bemüht Lehrkräfte seien – oder eben manchmal auch nicht, Kontakt zu halten und differenzierende Angebote zu gestalten, sagt die Wissenschaftlerin. Was passiert, wenn Kontakt fehlt, und das richtige Maß für die Aufgaben Zuhause nicht getroffen wird, erzählen zwei Mütter. Sie manövrieren sich beide durch das häusliche Bermuda-Dreieck von Homeoffice, Homeschooling, Haushalt: "Luise hat überhaupt keine Lust mehr zum Lernen", sagt eine Leipzigerin, deren zehnjährige Tochter in die 4. Klasse geht: "Die setzt sich früh hin, liest und schreibt und arbeitet und guckt sich Videos für den Unterricht an. Der reicht es total, die Leselust ist ihr total vergangen. Das war vor Corona anders." So geht es auch dem 10-jährigen Max aus ihrer Klasse. "Viel zu viel schicken die Lehrer, die haben kein gutes Maß", sagt seine Mutter, die ebenfalls lieber anonym bleiben will: "Max hat gar keine Lust mehr, der macht zwar seine Sachen. Aber motiviert ist er null."
Manche Eltern sind vom Homeschooling begeistert
Die Umfrage zeigt Professorin Porsch zufolge auch, dass einige Eltern durchaus begeistert sind von der Idee des flexiblen Lernens, wie es jetzt im Homeschooling stattfindet. Porsch blickt in die Zukunft:
Für mich stellt sich nun die Frage: Was muss eigentlich in Präsenz, also an den Schulen passieren? Was muss gemeinsam gelernt werden, und was vielleicht eher individuell oder zu Hause?
Wie Homeschooling glückt
Wichtig bleibe der Austausch der Lehrkräfte mit den Kindern über individuelle Schwierigkeiten, das gemeinsame Reflektieren im Unterricht beispielsweise über Sprache, naturwissenschaftliche Phänomene oder verschiedene Lösungswege. Und dafür braucht man einen gemeinsamen Lernort, an dem sich alle treffen. Die Wissenschaftlerin sagt aber auch: Wenn Homeschooling für Grundschulkinder – dann muss es von den Schulen gut begleitet sein.
Das bestätigt auch Eva Lautenschläger. Sie ist Psychotherapeutin für Kinder und Jugendliche in Dresden. Sie sagt:
Homeschooling ist wirklich eine harte Herausforderung für die meisten Familien, die noch keiner geschmeidig umsetzt und alle sind am Ausprobieren.
Die Lehrkräfte, die das richtige Maß finden müssen, sowohl was die Aufgaben und Stoffauswahl angeht, aber auch deren Menge, sowie Kontakt mit Schülern und Eltern. Die Kinder erleben ihre Eltern in der ungewohnten Rolle als "Hilfslehrkraft". Die Eltern, die das richtige Maß finden müssen, wie stark sie die Hausaufgaben begleiten können und müssen. Je nachdem, in welcher häuslichen Situation sie sich befinden, wieviel Hilfe ein Kind braucht, wie viele Kinder daheim sind. Und ob Eltern zeitgleich im Homeoffice ihrem Job nachgehen, oder nach ihrer Arbeit "nur" die Aufgaben kontrollieren.
Was alle aus dem Homeschooling mitnehmen können
Was die Kinder natürlich auf jeden Fall lernen, sagt Eva Lautenschläger, sei die Selbstorganisation, dass sie eigenständig lernen müssen. Auch von der Begegnung mit der allgemeinen Entschleunigung im Lockdown könnten alle profitieren, meint die Therapeutin:
Dass die Kinder weniger Termine in der Woche haben, nicht ständig von Hobby A, zu Hobby B, zu Nachhilfe C zu laufen, ist auch irgendwie ganz schön.