Vogelforschung Chemie in Greifvögeln: Pflanzenschutzmittel, Nagetiergift, Ibuprofen und Antibiotika
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25. März 2021, 16:47 Uhr
Nagetiergift in Adlern, Sperbern und Rotmilanen: Wie kommt es da hin? Forscher haben Vogelkadaver untersucht und verschiedenste Chemikalien nachgewiesen, sowohl aus der Landwirtschaft als auch aus der Medizin.
Pflanzenschutzmittel, Medizinprodukte oder Nagetiergifte: All das wurde bei Routineuntersuchungen toter Vögel durch das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung Berlin nachgewiesen. Dr. Oliver Krone, Fachtierarzt für Wildtiere zufolge weiß man schon lange, dass Greifvögel besonders empfindlich auf Schadstoffe reagieren, die sich in den Körpern ansammeln. Und was sich da genau in den Tierkörpern findet, hat er mit einem Team am Leibniz-Institut untersucht, anhand von Greifvogelkadavern aus den Jahren 1996 bis 2018. Untersucht wurden tote Rotmilane, Habichte, Sperber, See- und Fischadler.
Die Leber bringt's ans Licht: Ibuprofen, Antibiotika und Ködergiftstoffe
Bei mehr als der Hälfte der 186 Vögel wurden dabei zwischen einem sechs Stoffen aus Nagetiergiften im Lebergewebe nachgewiesen. Getestet wurde insgesamt auf alle derzeit für Rodentizide registrierten Stoffe: Brodifacoum, Bromadiolon, Chlorophacinon, Coumatetralyl, Difenacoum, Difethialon, Flocoumafen und Warfarin. Die meisten Nachweise gab es in 81,3 Prozent der untersuchten Habichte und 80,5 Prozent der Rotmilane.
Was sind Rodentizide?
Rodentizide heißen Mittel, die gegen Nagetierbefall eingesetzt werden, also beispielsweise Mäuse und Ratten. Sie enthalten blutgerinnungshemmende Wirkstoffe, so genannte Antikoagulanzien und werden als Köderpräparate (z.B. Getreideköder, Festköder, Pastenköder) eingesetzt. Quelle: Umweltbundesamt
Außerdem fand das Forschungsteam Arzneistoffe wie Ibuprofen in 14,3 Prozent, Fluorchinolon-Antibiotika in 2,3 Prozent sowie verschiedene Pflanzenschutzmittel in den Kadavern. Die meisten analysierten und derzeit verwendeten Pflanzenschutzmittel wurden aber nicht nachgewiesen. "Nicht alle der untersuchten Tiere sind an den Giften verendet", erzählt Dr. Oliver Krone im Gespräch mit MDR WISSEN. Die meisten Vögel wurden als Kadaver und einige wenige lebend gefunden, die innerhalb von 24 Stunden in Tierkliniken verendeten. Die meisten Individuen in der Studie waren offensichtlich gesund und starben durch Kollisionen oder bei innerartlichen Kämpfen. Aber es waren auch Tiere dabei, die an Vergiftungen oder Infektionen eingingen.
Aber wie kommt das Gift in die Vögel?
Eigentlich sollen die Pfanzenschutzmittel auf den Feldern dafür sorgen, dass keine Ackerbegleitfauna wie zum Beispiel Klatschmohn oder Kornblume zwischen dem Getreide wächst.
Je reiner der Bewuchs auf dem Feld, desto besser der Ertrag.
So beschreibt Dr. Oliver Krone das Prinzip der heutigen Landwirtschaft. Zusatzarbeitsgänge fallen weg. Also, dass aus der Gerste zum Beispiel Samenkörner anderer Pflanzen ausgesiebt werden müssen. Und der Forscher setzt nach: "Der Mensch optimiert die Natur. Alles, was den Ertrag mindert, muss weg." Das, was Klatschmohn & Co. auf dem Feld fernhält, kann aber Nebenwirkungen haben. Es gelangt in die Nahrungskette, erst über Insekten, Würmer, Spinnen, die von Meisen oder Spatzen gefressen werden, und diese wiederum von Greifvögeln.
Mahlzeit mit Nebenwirkung
Dasselbe Prinzip greift beim Nagetiergift. Rotmilane zum Beispiel fressen nicht nur Mäuse, Frösche, Maulwürfe und Jungvögel – sie verputzen auch tote Exemplare und damit ganz nebenbei das, was Ratten oder Mäusen den Garaus gemacht hat: Nagetiergift.
Giftköder werden nämlich nicht nur in Ställen ausgelegt, sondern auch auf forstwirtschaftlichen Nutzflächen, in Städten und Kanalisationen. Manche Vögel passen sich den veränderten, auf Menschenbedürfnisse "optimierten" Lebensräumen an. Wenn sie auf Feldern und in Wäldern, die zu Monokulturen verwandelt wurden, nichts mehr zu fressen finden, suchen sie sich andere Lebensräume. In Stadtnähe oder in Städten finden manche Arten mehr Nahrung als in ihren ursprünglichen Habitaten, tote Ratten genauso wie lebendige Mäuse. Und so kommt dann eben auch das Nagetiergift in die Vögel. Dort sammeln sich die Stoffe über Jahre an, vor allem in der Leber der Greifvögel. Je älter, desto höher die Leberwerte der Tiere, zeigte die Untersuchung des Leibniz-Institutes.
Die Forschungsarbeit wurde im Fachmagazin Environmental Research veröffentlicht.
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