Fliegendes Mausohr.
Konvergent: Wenn die Evolution das Fliegen und die Flügel nicht nur einmal entwickelt. Bildrechte: Nabu

Artenvielfalt Welche Gene Flügel wachsen ließen: Forschende analysieren konvergente Evolution

10. Januar 2023, 10:15 Uhr

Welche Mutationen haben bei so verschiedenen Arten wie Fledermäusen und Vögeln zur Entstehung von Flügeln geführt? Forscher der Universität Würzburg wollen die entscheidenden Gene mit einem neuen Algorithmus finden.

  • Tiere und Pflanzen mit ganz unterschiedlicher Entstehungsgeschichte können gleiche Merkmale wie Flügel entwickeln. Forscher nennen das konvergente Evolution.
  • Wissenschaftler wollen verstehen, welche genetischen Veränderungen zur Entwicklung von solchen Eigenschaften bei verschiedenen Spezies führen.
  • Die größte Schwierigkeit besteht darin, die entscheidenden Mutationen von den unwichtigen zu unterscheiden. Das ist jetzt Forschenden der Universität Würzburg eigenen Angaben zufolge gelungen.

Fledermäuse und Vögel haben eine vollkommen unterschiedliche Evolutionsgeschichte hinter sich, dennoch haben beide Gattungen Flügel entwickelt. Dieses Phänomen – eine unterschiedliche Entwicklung, die zu gleichen Eigenschaften führt – nennt sich konvergente Evolution und ist ein für die Genetik besonders spannendes Forschungsfeld. Forscher der Universität Würzburg präsentieren nun eine neue Analysemethode, die helfen soll, die Gene zu identifizieren, die zur Ausprägung eines bestimmten Merkmals (der Fachbegriff lautet "Phänotyp") geführt haben.

Die entscheidenden Gene finden: Warum Ecstasy bei Tintenfischen wirkt wie bei Menschen

Warum es zu konvergenter Evolution kommt, ist ein spannendes Rätsel der Evolutionsbiologie. Vergangene Studien haben mehrfach gezeigt, dass sogar so komplexe Organe wie Gehirne in evolutionär völlig getrennten Entwicklungslinien auf ähnliche Weise entstehen können. Das zeigen beispielsweise Arbeiten mit Oktopussen. Deren gemeinsame genetische Wurzeln mit Menschen liegen mindestens 500 Millionen Jahre zurück. Und doch haben sie die gleichen Gene zum Bau bestimmter Rezeptoren entwickelt, die die Droge MDMA (Ecstasy) an die Nervenzellen im Gehirn binden. Auch bei den Tieren wirkt MDMA sehr ähnlich wie bei Menschen. Unter dem Einfluss der Substanz suchen die ansonsten einzelgängerischen Tintenfische engen Hautkontakt zu Artgenossen.

Kenji Fukushima und sein Kollege David Pollock präsentieren nun eine neue Analysemethode, um den für solche Eigenschaften entscheidenden Mutationen auf die Spur zu kommen. "Wir haben eine neuartige Metrik der molekularen Evolution entwickelt, mit der sich die Rate der konvergenten Evolution in proteinkodierenden DNA-Sequenzen genau darstellen lässt", sagt Fukushima. Es geht also darum, die entscheidenden Fortschritte einer Spezies bei der Anpassung an ihre Umwelt auf genetischer Ebene nachvollziehbar zu machen.

Imme mehr entschlüsselte Genome machen neue Forschung möglich

Möglich ist dieser Ansatz, weil in den vergangenen Jahren immer mehr Genome ganz unterschiedlicher Arten im ganzen Spektrum der Biodiversität entschlüsselt wurden. "Damit wurde es möglich, auf einer makroevolutionären Ebene die Zusammenhänge von Geno- und Phänotypen in großem Maßstab zu untersuchen", sagt Fukushima.

Eine Schwierigkeit dabei ist, dass sich die entscheidenden genetischen Veränderungen auf einer Zeitskala von hunderten Millionen Jahren abspielen. Dabei ereignen sich auch zahlreiche neutrale Mutationen. Das bedeutet, sie sind nicht entscheidend für ein bestimmtes Merkmal wie Flügel oder Empfänglichkeit für bestimmte Botenstoffe. "Um dieses Problem zu überwinden, haben wir den Rahmen erweitert und eine neue Metrik entwickelt, die die fehlerbereinigte Konvergenzrate der Proteinevolution misst", sagt Fukushima. So soll praktisch das Hintergrundrauschen unterdrückt und Fehler in der Simulation erkannt werden.

Welche Gene ermöglichen fleischfressenden Pflanzen, Nahrung anzulocken und zu verdauen?

In einem ersten Schritt haben Kenji Fukushima und Kollegen den Ansatz an 20 Millionen Wirbeltiergenen getestet. In einem kommenden Projekt sollen nun fleischfressende Pflanzen untersucht werden. Die Wissenschaftler wollen die genetischen Grundlagen entziffern, die diesen Pflanzen ermöglichen, Beute anzulocken, festzuhalten und zu verdauen.

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