Illustration: Verschiedene menschliche Höhlenbewohnende, Kind an Hand von Person, andere Person kommt in Höhle weiter Person an Feuerstelle
Höhlenfamilie während einer Eiszeit – hier allerdings schon mit Feuer und schützender Behausung. Bildrechte: imago/Gemini Collection

Genetik und Evolution Klimaveränderungen: Frühe Menschen waren mal tausende Jahre vom Aussterben bedroht

31. August 2023, 20:00 Uhr

Der Menschheit geht es nicht nur derzeit an den Kragen, unsere Vorfahren standen schon mal am Rand des Aussterbens. Das ergab eine neue Genomanalyse. Der Zustand dauerte über hunderttausend Jahre an, bis sich der Bestand unserer Vorfahren erholte.

Fast hätte uns das gleiche Schicksal ereilt wie seinerzeit dem Wollhaarmamut. Oder dem Europäischen Waldelefanten – ja, in Europa gab's mal Elefanten. Denn ganz offensichtlich reagieren Menschen empfindlich auf Klimaveränderungen, so wie damals, im Pleistozän. Das Pleistozän ist ein Abschnitt der Erdgeschichte und dabei jener vor der Jetztzeit, dem Holozän. Im frühen bis mittleren Pleistozän ging es unseren Vorfahren nicht sonderlich gut, das verrät ein neues genomisches Modell von Forschenden aus China.

Verlust genetischer Vielfalt des Menschen

Um es kurz zu machen: Vor 800.000 bis 900.000 Jahren ging die Zahl fortpflanzungswilliger und -fähiger Menschen so weit zurück, dass zeitweise mit 1280 Individuen ein evolutionärer Flaschenhals entstand, wie die Forschenden es nennen. Nach Maßstäben, die wir auch bei anderen Säugetieren ansetzen, ist das der Rand des Aussterbens. 117.000 Jahre dauerte dieser Engpass wohl an.

Etwa 98,7 Prozent der angestammten Population gingen zu Beginn dieses Flaschenhalses verloren. Hinzu kommt, dass natürlich auftretende Schwankungen der Populationsgröße das Aussterberisiko den zu dieser Zeit lebenden Homo erectus weiter erhöht haben könnten, schreiben die Forschenden in ihrem Fachartikel. Damit einher gehen auch eine Erhöhung des Inzuchtgrades und ein Verlust von fast 66 Prozent der genetischen Vielfalt des Menschen.

Was brachte den Menschen an den Rand des Aussterbens?

Aber warum eigentlich? Das Pleistozän war von klimatischen Schwankungen geprägt, mit dominierenden Kaltzeiten. Es war also frischer als heute – wobei die Schwankungen sich über einen längeren Zeitraum ereigneten als das beim jetzigen menschgemachten Klimawandel der Fall ist. Aber auch eher langsame klimatische Veränderungen schienen die menschliche Population damals überrascht zu haben, genauer gesagt die Veränderungen während des Übergangs vom frühen zum mittleren Pleistozän. Vergletscherungen wurden zu dieser Zeit von kurzfristigen zu langfristigen Ereignissen. Die Oberflächentemperatur der Meere ging zurück. Außerdem gingen diese Klimaveränderungen mit einer möglichen langen Dürre in Afrika und Eurasien einher. Kurzum: Die neuen klimatischen Bedingungen machten unseren Vorfahren zu schaffen.

Populationsgrößen während des Pleistozäns sind schwer zu entschlüsseln. Veränderungen in der Populationsgröße haben ihre Spuren im Häufigkeitsspektrum von Genomsequenzen hinterlassen. Die Forschenden aus China haben für ihre Untersuchung eine FitCoal genannte Methode entwickelt und die zusammengesetzte Wahrscheinlichkeit für heutige menschliche Genomsequenzen von 3154 Individuen berechnet. Eine Antwort, wie es die frühen Menschen aus der Misere geschafft und ihre Population auf acht Milliarden gesteigert haben, kann die Forschungsgruppe jedoch derzeit nicht geben. Schade, hätten wir vielleicht angesichts der aktuellen Herausforderungen noch was lernen können.

flo

Links/Studien

Die Studie Genomic inference of a severe human bottleneck during the Early to Middle Pleistocene transition erscheint am 1. September 2023 im Fachblatt Science.

DOI: 10.1126/science.abq7487

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